@Cerberus_ Gerne
:)So geht es vielen anderen Behinderten leider auch... ich versuche immer, mit jedem so normal wie möglich umzugehen. Und nebenbei brauchen die meisten hin und wieder solche Erklärungen... die Erfahrung habe ich in dem Jahr, in dem ich als Streitschlichterin gearbeitet habe, gemacht. Die wenigsten kennen sich mit Kommunikation gut genug aus. Wer kennt zum Beispiel das Kommunikationsquadrat nach Friedemann Schulz von Thun? Kaum jemand. Dabei ist es eines der wichtigsten Kommunikationsmodelle überhaupt, und würden es mehr Menschen kennen, ließen sich so viele Missverständnisse vermeiden...
Laut ihm haben Nachrichten vier Seiten: Eine Inhalts-, eine Beziehungs-, eine Selbstkundgabeebene und einen Appell. Außerdem hat ein Mensch vier Ohren: Ein Inhalts-, ein Beziehungs-, ein Selbstkundgabe- und ein Appell-Ohr. Stell Dir mal folgende Situation vor: Ein Mann und eine Frau sind in einem Auto; die Frau fährt. Der Mann sagt: "Die Ampel ist grün." Die Frau antwortet genervt: "Ich fahre ja schon." Der Mann könnte es auf allen vier Ebenen gesagt haben. Auf der Inhaltsebene wäre die einzige Botschaft, dass die Ampel grün ist. Auf der Beziehungsebene könnte er gemeint haben: "Du kannst nicht fahren." Hat er auf der Selbstkundgabeebene gesprochen, hat er wahrscheinlich gemeint: "Ich habe es eilig." Und der Appell war: "Fahr endlich." Egal, auf welcher Ebene der Mann gesprochen hat - die Frau hat es auf dem Appell-Ohr gehört, obwohl der Mann vielleicht auch einfach nur auf der Inhaltsebene gesprochen hat.
Genauso wenig wissen die meisten, dass Verhalten nicht nur dispositionelle Ursachen hat. Das sind Ursachen, die von demjenigen, der sich verhält, selbst ausgehen; z. B. psychische Störungen. Im Englischen bezeichnet man z. B. schwarze Schafe als 'bad apples', also 'schlechte Äpfel', was genau diese dispositionellen Ursachen impliziert. Philip Zimbardo, ein US-amerikanischer Verhaltensforscher, sagte dazu: "Es gibt keine schlechten Äpfel, sondern nur schlechte Fässer." Damit wollte er aussagen, dass die Ursachen von Verhalten zum größten Teil in der Umgebung desjenigen, der sich verhält, liegen.
Und wenn Dir das nächste Mal jemand sagt, Du würdest immer nur den anderen die Schuld geben, kannst Du ihm getrost erklären, dass das laut Paul Watzlawick - einem deutschen Kommunikationswissenschaftler - eine ganz normale Verhaltensweise ist, die jeder manchmal an den Tag legt. Frau sagt: "Ich nörgele, weil Du still bist." Mann sagt: "Ich bin still, weil Du nörgelst."
Um nochmal auf Deine Ausgangsfrage zurückzukommen... ich denke nicht, dass Krebs generell den Ausschluss aus der Gesellschaft bedeutet. Ein Bekannter von mir (er ist jetzt 16 oder 17, so genau weiß ich das nicht) hat vorletztes Jahr die Diagnose Knochenkrebs erhalten. Zunächst galt er als geheilt, aber der Krebs ist zurückgekommen. Trotzdem haben wir ihn nie ausgeschlossen, obwohl er monatelang nicht in der Schule war, Menschenmengen vermeiden muss etc. Sein bester Freund hat uns regelmäßig über seinen Zustand informiert, und wir haben häufig Dinge mit ihm oder für ihn unternommen. Wir wussten z. B., dass er ein großer Fan von Dieter Nuhr ist. So haben wir ihm das neueste Buch gekauft, es von Nuhr handsignieren lassen und es ihm dann zu Weihnachten geschenkt. Darüber hat er sich sehr gefreut, und einen selbst gemachten Adventskalender, eine selbst gemachte Pinata mit Gute-Besserungs-Wünschen und eine selbst gemachte Patchwork-Decke haben wir ihm auch geschenkt, um ihn ein bisschen aufzuheiten.
Ich habe letztes Jahr die Schule gewechselt; da ist der Kontakt zu ihm ein bisschen eingebrochen. Allerdings habe ich ihn vor ein paar Monaten im Park getroffen, zusammen mit ein paar meiner anderen ehemaligen Klassenkameraden. Er sah den Umständen entsprechend gut aus, und ausgeschlossen war er offensichtlich auch nicht. Außerdem ist eine andere meiner ehemaligen Klassenkameraden in meiner Streetdance-Gruppe. Sie frage ich auch regelmäßig, wie es ihm geht, und sage ihr, dass sie ihn von mir grüßen soll.
Ich denke also, dass es auf die Menschen in eurer Umgebung ankommt. Viele glauben leider, Kranke und Behinderte seien generell Aliens, mit denen man nicht auch ganz normal umgehen kann... obwohl wir doch auch ganz normale Menschen sind, mit ganz normalen Bedürfnissen. Jeder braucht mal medizinische Behandlungen oder Hilfe. Nur manche brauchen eben ein bisschen mehr davon.