Asylanten in Turnhallen und Vereine ohne Turnhallen
20.10.2015 um 14:15
Das Geschäft mit Flüchtlingscontainern
von Christoph Heinzle und Elisabeth Weydt, NDR Info
Länder und Kommunen stöhnen unter dem Zeit- und Kostendruck durch die hohe Zahl von Flüchtlingen. Und mancher, so beklagen sie, macht aus der Not auch ein Geschäft: So sind die Preise von Wohncontainern für Flüchtlinge explodiert und haben sich teils vervielfacht. Das ergaben Recherchen von NDR Info in fast 20 Kommunen und Bundesländern, vor allem in Norddeutschland. "Frech", "unanständig" und "verantwortungslos" nennen das betroffene Verwaltungen. Inzwischen weichen Städte und Gemeinden auf Alternativen aus, was ihre oft angespannten Haushalte aber zusätzlich belastet.
Container in Rendsburg werden auf die Ankunft von Flüchtlingen vorbereitet. © NDR Fotograf: Rebekka Merholz
Die Preise von Wohncontainern für Flüchtlinge haben sich vervielfacht. (Archivbild)
Am Steinhuder Meer in Niedersachsen kommen immer mehr Flüchtlinge an. Gut 200 Menschen hat Wunstorf mit seinen umliegenden Dörfern in diesem Jahr aufgenommen. 200 weitere sollen bis Ende Januar folgen. Wohncontainer schienen zunächst die perfekte Lösung: Schnell aufzubauen und nach einer ersten Preisanfrage anscheinend auch bezahlbar. Doch als die Stadt Wunstorf wenige Monate später eine Ausschreibung machte, hatte sich der Preis für die Container verdreifacht. Andere Händler verlangten gar mehr als das Fünffache.
Wucherpreise für Flüchtlingscontainer
"Große Überraschung" auf Seiten der Stadt
"Da waren wir schon sehr überrascht und haben das mit großem Erstaunen zur Kenntnis genommen", sagt Hendrik Flohr, Sprecher der Stadt Wunstorf. Die Stadt fragte nach, änderte sogar noch einmal die Kriterien, doch die Preise blieben unbezahlbar für Wunstorf.
Hendrik Flohr, Sprecher der Stadt Wunstorf in Niedersachsen, steht vor einem Haus. © NDR Fotograf: Elisabeth Weydt
"Die hohen Preise sind verantwortungslos", sagt Hendrik Flohr, Sprecher der Stadt Wunstorf.
"Unseren Kollegen aus dem Hochbaubereich signalisierte man am Telefon, dass sich mit diesen Sachen im Moment schon Geld verdienen lässt“, sagt Hendrik Flohr. Das hätte bei Ihnen den Eindruck hinterlassen, als würden manche Leute hier ganz gerne mit auf den Zug aufspringen. "Ich finde es ein stückweit auch verantwortungslos, dass versucht wird aus dieser Situation im Moment derartig Kapital zu schlagen", sagt Flohr.
Wunstorf ist kein Einzelfall
Recherchen von NDR Info haben ergeben, dass Wunstorf kein Einzelfall ist: Von schwarzen Schafen mit "frechen" Angeboten weit über normalen Marktpreisen, spricht man in Lübeck. Niederkassel nahe Bonn und Immenstaad am Bodensee berichteten von Preissteigerungen um 50 Prozent innerhalb kurzer Zeit. Auch Hannover registrierte starke Erhöhungen. Thorsten Bullerdiek vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund spricht von "unverschämten Preisen". Ihm berichten einige Bürgermeister, dass die Preise für Container teilweise um das Fünf- bis Zehnfache explodiert seien. Sie hätten eigentlich kaum noch Möglichkeiten, dort preiswerten Wohnraum zu schaffen. "Wir suchen Alternativen", sagt Bullerdiek.
Pinneberg plant Unterkünfte in Holzbauweise
In Pinneberg hat man jetzt Alternativen zu den überteuerten Containern gefunden. Geplant sind - wie beispielsweise auch in Hannover - unter anderem Unterkünfte in Holzbauweise. Die seien inzwischen nicht mehr teurer und zudem nachhaltiger, sagt Marc Trampe, der die Flüchtlingsunterbringung im Pinneberger Rathaus koordiniert. "Die Unterkünfte sind massiv gebaut, so dass wir dann auch später eine entsprechende Nachnutzung für sie haben." Gleichzeitig sei die Verfügbarkeit von diesen Objekten in massiver Holzbauweise besser, als wenn sie sich auf klassische Container konzentrieren würden. Obwohl es ein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis sei, bedeute die Holzbauweise dennoch eine zusätzliche Belastung für die Stadt Pinneberg, die ohnehin in den roten Zahlen steckt.
Die Haushalte sind belastet
Auch das kein Einzelfall - zumal auch die Anmietung von Wohnungen oder der Umbau leerstehender Gebäude hohe Kosten verursacht. "Eine schwarze Null ist für fast keinen mehr in diesem und wahrscheinlich auch im nächsten Jahr zu realisieren", sagt Bullerdiek vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund. Ihre Haushalte seien eigentlich "bis an die Oberkante" ausgelastet, sie bräuchten die Hilfe vom Bund und auch vom Land. "Nur dann haben wir überhaupt eine Chance, dieses Problem bewältigen zu können", so Bullerdiek. Die Beschlüsse des Bundes gehen seiner Meinung nach in die richtige Richtung. Die Hilfe müsse aber dauerhaft kommen.
Ferienwohnungen als Flüchtlingsunterkünfte?
Auch die Wunstorfer wollen jetzt Container meiden: Sie verteilen Flüchtlinge auf Wohnungen und bauen ein ehemaliges Verwaltungsgebäude um. Nun hat die Stadt ihre Bürger aufgerufen, Ferienwohnungen am Steinhuder Meer für die kalte Jahreszeit zur Verfügung zu stellen. Mehrere Vermieter haben sich seitdem schon gemeldet. Ohne ihre Bürger hätte die Stadt das überteuerte Container-Angebot wahrscheinlich nicht so leicht ausschlagen können. "Wir sind sehr dankbar über das Engagement hier in Wunstorf und auch die Bereitschaft vieler privater Vermieter, den Wohnraum zur Verfügung zu stellen", sagt Stadtsprecher Flohr. Sie seien überwältigt von dem Engagement, von den Angeboten und Hilfestellungen, die ihnen die Bürger entgegen bringen.
Sorge um die Kapazitäten bleibt
Flohr hat trotzdem Sorge, dass die Kapazitäten von Wunstorf immer knapper werden könnten, wenn weiterhin immer mehr Flüchtlinge kommen. "Wir würden uns als Stadt freuen, wenn auch bei den Anbietern von Wohncontainern der Ernst der Lage erkannt wird und auch dort die Einsicht vorhanden ist, dass die gesamte Gesellschaft an einem Strang ziehen sollte, damit die Städte den Flüchtlingen eine würdige Unterbringung ermöglichen können", sagt Flohr.
Hersteller räumt Erhöhung ein
Einer der von Kommunen genannten Hersteller, die fränkische KB Container, räumte in einem konkreten Fall eine Erhöhung um ein Drittel innerhalb eines Jahres ein und begründete dies unter anderem mit gestiegenen Kosten. Zudem schrieb der Geschäftsführer der Firma auf Anfrage von NDR Info: "Der zu erzielende Preis richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Sicher ist die Nachfrage im Moment sehr hoch."
NDR Info, 2.10.15
Zum letzten Satz: Früher nannte man soetwas "Kriegsgewinnler".