@DonFungi Herzlichen Dank für Deinen Beitrag.
Ich denke, der Fehler, den Leute wie
@arminirr machen ist, dass sie Religion auf die Schriften zu reduzieren versuchen.
Liest man den Koran, die Bibel oder die Veden, dann findet man natürlich überall Stellen, die einem nicht gefallen. Alle Religionen erheben Alleinvertretungsanspruch, alle drohen Anders- und Ungläubigen mit Qual und Hölle, überall findet man Frauenverachtendes, seltsame Gesetze, Widersprüchliches.
Alle Religionen wurden schon missbraucht, um Unterdrückung, Vertreibung und Gewalttaten zu legitimieren.
Die allermeisten Gläubigen sind aber nicht gläubig geworden oder geblieben, weil sie beim Lesen überzeugt wurden. Sondern meistens waren persönliche Erfahrungen, Gespräche, Schicksalsschläge, Bekanntschaften zu Gläubigen ausschlaggebend.
Hätte ich nicht drei sehr gute Pastoren in meinem Leben kennen gelernt, dann hätte ich mich, nachdem ich erst mehrere sehr schlechte traf, auch gegen die Religion entschieden. Die Bibel habe ich gelesen, und sie immer nur als Grundlage für Interpretationen empfunden, da mir immer verschiedene Erklärungen angeboten wurden, oder verschiedenes vorgelebt wurde ... sogar innerhalb derselben Konfession, sogar von den Pastoren, von denen man sich endgültige Antworten erhoffte.
Man kann den allermeisten Religiösen wohl "Rosinenpickerei" vorwerfen, da jeder seine eigene Interpretation lebt, und sich das Recht herausnimmt, eigene Gewichtungen bezüglich der Aussagen in den Schriften vorzunehmen.
Letztendlich entscheidet sich eine Religion aber immer im Menschen.
Sie existiert nur durch die Menschen, nicht durch die Schriften (wenn die niemand akzeptieren würde, gäbe es die Religion nicht).
Nochmal:
"Alle Religionen wurden schon missbraucht, um Unterdrückung, Vertreibung und Gewalttaten zu legitimieren."
Was man unbedingt beachten muss: Viele der hier aufgezählten Konflikte sind im Kern Machtspiele, die nur mit Religion legitimiert werden. Sie würden auch unter jeder anderen Flagge stattfinden, da es gesellschaftliche Konflikte sind. Bekanntlich benötigt es keiner theologischen Auseinandersetzung, um einander die Köpfe zu spalten ... aber es tötet und plündert sich leichter, wenn man irgend eine Legitimation dafür angeboten bekommt.
So hat unsere christlich geprägte Gesellschaft auch einmal eine Legitimation dafür gefunden, Andersgläubige in Massen zu morden und zu vertreiben. Und unsere Kirchen und Gläubigen haben weitgehend tatenlos zugesehen dabei. "Weil sie unseren Jesus ermordet haben!" ...
Dem ist auch nicht eine theologische Diskussion, sondern eine gesellschaftliche Krise vorausgegangen.
Die Kirchen äußern sich auch heute nicht allwöchentlich zu radikalen Christen, Fanatikern, christlichen Nazigruppen, christlichen Rassisten, Bürgerkriegen die im Namen von Konfessionen ausgetragen werden. Oder was verlautbarte die EKD wann das letzte mal zum Irland-Konflikt?
Und wenn man dann die Seite des Zentralrates der Muslime verlinkt: Wer liest da regelmäßig nach, was verlautbart wird?
Und wenn, dann sind das wieder nicht die "wahren Muslime", denn "im Koran steht aber .............."
Keine Religion kam jemals ohne ihre Vertreter aus, ohne Interpreten der Schriften, ohne Erklärungen, ohne Lehrer und Organisation und Struktur. Schon die ersten Christen benötigten einen Petrus, der ihnen was erklärt, und dann folgten unzählige Päpste, Konzile, Beschlüsse, Konflikte, Auf- und Abspaltungen ... ich kann da keinen großen Unterschied zum Islam erkennen.
Nur, die Christen wollen das meist nicht so wahrnehmen - und werfen den Muslimen vor, dass ihr Glaube nicht einheitlich ist und sich nicht strikt an die Schriften hält. Tststs - da sollte man sich an die eigene Nase fassen. Auch die Bibel wurde und wird permanent um Glaubenssätze ergänzt, nachdem man sich überhaupt erstmal einigte, was dazu gehört, und was nicht ("Apokryphen").
Auch die Bibel wurde und wird verschieden übersetzt (was für eine ideale Voraussetzung für Rosinenpickerei!).
Ganz abgesehen davon, dass innerhalb der Bibel sich die Grundsätze fundamental ändern ...
Auch ein Christ beruft sich in seinem Glauben nicht alleine auf die Bibel in wörtlicher Auslegung.
Warum sollte ein Muslim das dann tun?