xXGEH-H-EIMXx schrieb:Denkst du das würde sich ändern, wenn es direkte Demokratie gibt?
Du meinst, wenn man nicht mehr nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hätte und seine Stimme nur alle 4 Jahre an unterschiedliche Wirtschaftsvertreter abgeben darf?
Wenn man gesamtgesellschaftlich abstimmen könnte, wäre die Rolle des Politikers eine ganz andere: er wäre nicht die Handpuppe sondern der wirkliche Lobbyist, der dem Volk eine Idee schmackhaft machen muss. Ihm gegenüber stünden die schärfsten Rethoriker und Weitblicker, die das Land zu bieten hat. Keine Rethoriker um der Rethorik willen, so wie beispielsweise oft auf Allmy anzutreffen ist. Phrasendrescherei haben wir heute zu Genüge. Wir haben heute die Mittel auch komplexe Themen bildhaft darzustellen und selbst kleinen Kindern begreifbar zu machen. Das - und nicht Plattitüden - sollte ohnehin stets Anspruch von Wissensvermittlung sein. Was man Kindern nicht begreiflich machen kann, das hat man meist selbst gar nicht wirklich verstanden.
Gerade auch Kinder und Jugendliche sollten auch viel mehr in Abstimmungen mit einbezogen werden: Erhalt von Jugendclubs, Freizeitmöglichkeiten und Spielplätzen - Kinder sind oft die besseren Ideengeber.
Was bringt uns ein Lobbyisten-StellDichEin bei Maischberger, wenn wir eh nichts zu sagen haben?
Der ganze Medienapparat dient zur Zeit beinah nur der Idiotie, Verstumpfung und Genügsamkeit - fast eine Gehirnwäsche - Würde man das so ankurbeln wie bei "Free Rainer", würden die Leute viel eher dazu angeregt, sich für einander und auch für die Dinge des Lebens zu interessieren - statt nach der Erschöpfung durch den persönlichen Job nach der Möhre der persönlichen Entspannung zu hecheln. Das Gesamtbild macht uns zu Eigenbrödlern - gerade in den arbeitsplatzreichen Gebieten. Wir müssen mMn umgehend einen Schlussstrich ziehen in Sachen Heuchelei und positive Tagesbilanz. Wieder mehr kümmern, ein Bewusstsein schaffen für ehrlichen Kummer und Besorgnis - um einander und um die Lage der Welt. Mit Heuchelei mein ich nicht nur den Medienapparat, der uns ja beinah zwingen will, ihm aus der Hand zu fressen, indem er mit Ächtung droht und uns diese anerzieht, dass wir ja nicht Vertrauen in Medien und Poltik verlieren. Bei mir zumindest ist das zu spät: ich tanze liebend gern aus der Reihe. Und ich merke, dass die meisten Menschen sich das eigentlich auch sehnlichst wünschen, aber oft gar nicht mehr trauen. Unser Schulsystem bringt uns nämlich nicht in erster Linie das Lernen bei, sondern stures Befolgen und Gruppenzwangsverhalten. Es hat schon seine Gründe, warum wir noch so lange nach dem skandinavischen Vorbild schreien können und es doch nicht angegangen wird.
Schließlich ist die größte Verarsche von allen anzusprechen: der Arbeitsmarkt.
Der Mensch wird aus der Arbeitswelt verschwinden wie das Pferd aus der Landwirtschaft
Dieses Zitat von Vasily Leontief hat Hagen Rether mal in die Runde geworfen. Es stammt schon aus den 70ern und es ist eine logische Konsequenz immer mehr automatisierter Abläufe. Unser Gesellschaftsmodell muss daran angepasst werden und vorausschauend dem eskalativen Moment entgegengehen, dass am Ende auch noch der letzte Job durch Maschinen ersetzt werden kann. Was macht der Mensch dann? Schämen sich dann alle, weil sie Arbeitslos sind - so wie heute? Dieser Scheiss wird einem bei Arge und vom "Besserverdienenden" im TV stetig eingeflößt: dass man weniger wert sei, hat man keinen Job. Und es wirkt! Alle Motivation hat dem Verdienst zu gelten. Red mal mit Leuten, die seit Jahrzehnten in ihrer Arbeitsroutine an Chefs kurzer Leine mir stetiger Angst um ihren Job leben: Finanzen sind die Grundlage beinah aller Gedanken. Ist das normal?
Ich pfeif auf normal. Diese Norm wird von politischen Lügen geprägt, die von Wirtschafts-Thinktanks kalkuliert und über die Medien in alle Köpfe gewaschen wird. Die Menschen sind in Wirklichkeit nicht so und wollen in Wirklichkeit auch nicht so sein. Ein Leben unter Zwang kann nur Spießer gebähren.
Mit Spießigkeit und einer Jeder-ist-sich-selbst-der-Nächste-Mentalität kann man keine Demokratie aufbauen.
All dies greift perfekt ineinander und erzeugt das, was Georg Schramm "gewollte Volksverblödung" nennt.
Die Masse ist nur so dumm, weil die Individuen es sich haben übereinander einreden lassen.
Wir können Demokratie. Nur vorher müssen wir die schönen Lügen abschaffen und durch nüchterne, analytische, aber beherzte Sachlichkeit ersetzen. Die Psychoanalyse ist 100 Jahre alt. Es wird Zeit, dass wir sie auch umfassend einsetzen - nicht gegeneinander, sondern miteinander. Ich bin der festen Überzeugung, dass alles automatisch besser wird, wenn wir ehrlicher zueinander werden. Dazu gehört aber auch, hier und da zu verzeihen, ein Auge zuzudrücken und eine gesunde Prise Augenzwinkern.
Auch wenn sich das erstmal alles utopisch und spinnert anhören mag, denke ich, dass wir bereits auf dem Weg in genau diese ideale Zukunft sind. Es gibt ein paar Eigenbrödler-Brüder, die uns da regelmäßig Steine in den Weg legen wollen wie z.B. das TTIP-Abkommen. Manchmal scheint es, als sei ihnen keine Schandtat zu primitiv und würden sie noch den perfidesten Weg gehen, um ihre Ziele zu erreichen. Deswegen glaube ich auch, dass das Psychopathen sind und dass der aufkeimende, krankhafte Narzissmus in der Gesellschaft deren Schule ist (Dazu Buchtipp:
http://www.amazon.de/Die-Psychopathen-unter-uns-gef%C3%A4hrliche/dp/3868824936 )
Dem neuen "Ich" steht aber auch ein neues "Wir" gegenüber, was z.B. durch Gesten wie Umfragen oder Bürgerabstimmungen vonseiten mancher Politiker immer mehr gelebt wird. Ich verstehe nicht, warum Poltiker mit klarer Sprache wie Gregor Gysi nicht viel mehr Gehör finden als die Trantüten in der Spitze.
Vielleicht entwickelt sich das ja auch erst noch. Hoffentlich gibt es auch nach ihm noch solche wie ihn. Sie könnten und würden eine ehrliche bürgernahe Politik auf Augenhöhe umsetzen, die automatisch immer mehr im großen gemeinsamen Netzwerk aufgehen könnte. Vor Gysi habe ich den allergrößten Respekt. Egal was die Schandmäuler sagen, die eh nichts können ausser Dreck abzuladen. Auch Martin Schulz halte ich für einen großartigen Politiker, aber ein bisschen zu jähzornig im Vergleich zu Gysi.
Die direkte Demokratie kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Es muss erst einmal ein neues Bewusstsein der Ehrlichkeit und medienkritischen Distanz etabiliert werden. Und dazu brauchen wir vor allem ehrliche Politiker.
xXGEH-H-EIMXx schrieb:Ist das schlimm, dass man die Demokratie als "erstrebenswert" hält?
Darum geht es in dem Artikel überhaupt nicht. Er thematisiert den besagten Brainwash bzgl. dessen, was "normal" ist. Das sind die kleinen Impfungen der Talkshows, des Scripted Reality und natürlich der Werbung. Sie bestimmen das, was wir mögen, gut finden, tolerieren, anstreben, nie erreichen und deshalb niemandem wirklich gönnen. Die Masse hält sich für selbsterklärend, weil sie Angst hat, wenn man sie analysiere, stellte man fest, sie sei es eben nicht, sondern auf grausamste widersprüchlich, ambivalent und müßiggängerisch. Die vereinte - genormte - Erwachsenwelt unterdrückt - kanalisiert - jugendliche Dynamik und Vision. Wenn man der Jugend aber eine erwachsene Stimme leihen würde, würde die Welt um Längen ehrlicher, spontaner und freier/ungezwungener/experimentierfreudiger mit sich umgehen. Auch hier ist wieder Psychoanalyse wesentlich: was braucht der Mensch wirklich? und was wird ihm nur eingeredet, das er bräuchte?
Vielleicht wär so ein Tag im Monat Medienschweigen ganz sinnvoll. Vom Auto-, Fußball- und Glamour-Wahn ganz zu schweigen. Die Leute sollten mal wieder mehr mit sich reden. Vor allem, ohne dass die Alten immer den Ton angeben müssen. Es sollten die Aufgeschlossenen sein, die die Gespräche leiten, nicht die Verschlossenen.
Was das angeht, ist ein pseudointellektueller Moderator wie Lanz nicht nur Armutszeugnis sondern auch Spiegel der Gesellschaft. Wenn man von "Demokratie" spricht, muss man sich auch gewahr sein, dass selbst dieses Wort irgendwann abnutzt und zur selbsterklärenden Floskel mutiert. Das Gemeinwohl ist vor allem eines: gemein.
Man muss nicht nur auf die naheliegendsten Interessen Rücksicht nehmen und sich empören über die fehlende Rücksicht derer, auf die man in seinen Überlegungen keine Rücksicht nahm. Es gibt in der Stadt so unheimlich viel zu berücksichtigen, dass manche Philosophen behaupten, sie sei das Ende der Zivilisation. Es ist schwer, wirklich alle aufzufangen. Was wirklich schlimm ist, ist, wenn man glaubt, man hätte etwas abschließend verstanden. Dann ist man nämlich unbelehrbar. So wie es viele Spießbürger in Deutschland sind. Die Fehler machen immer nur die Anderen. Wer sich keine Mühe gibt, den anderen zu verstehen, wird auch nie verstanden werden. Und das steckt dummerweise auch noch an.
xXGEH-H-EIMXx schrieb:Glaubst du ernsthaft, dass politiisches Handeln irgendwann nicht abhängig von der Wirtschaft und deren Vertretern war, oder sein wird?
Politik dreht sich heute beinah nur noch um Energie. Dem liegen Berechnungen zugrunde, die auch Computer durchführen können. Irgendwann, wenn alles automatisiert ist, braucht man erst recht keine Politiker mehr.
Das Problem sind aber nicht die Politiker, sondern die Bürokraten. Man sprach vom Bürokratieabbau, aber genau das Gegenteil geschieht. Anstatt in Anbetracht eines gravierenden demographischen Wandels viel mehr Leute für Pflegeberufe begeistert werden (welche zudem sicherlich auch als letztes irgendwann von Maschinen abgelöst werden), zieht es die Leute in die Büros. Sie verstopfen die Straßen und verstecken sich vorm Tageslicht - die einen bedrucken Papier, die Nächsten stempeln es ab, heften es weg, sortieren es neu und vernichten es.
Wo ein Kreativer an einem Tag etwas erschafft, rechnen 10 Verkäufer 10 Tage Gerede für ab und kassieren das 10fache. Und dieser Trend verschärft sich. Am Ende wird es wirklich so banal wie der Förmchen-Klau beim Sandkasten-Spielen.
Wirtschaft war nie etwas anderes als Marktschreierei, kommt heut nur in Nadelstreifen daher.
xXGEH-H-EIMXx schrieb:Sollen die Bürger einen Plan erstellen, welche Person in welchem Wahlbezirk kandidieren soll?
Ich hab das schon zuanfang erklären wollen: das Ziel sehe ich darin, die Entscheidungen gemeinsam abzustimmen und die Politiker aufgrund ihrer akademischen und interdisziplinären Erfahrungen zu den Beratern der Masse zu machen. Es muss dem aber ein Riegel vorgeschoben werden, dass sie die Leute für dumm verkaufen können (so wie das heute ist), indem stetig analysiert wird. Der Politiker von morgen muss also ein euphorischer Lehrer sein, der in klarer Sprache auch komplexe Problemstellungen veranschaulichen kann. Entgegen der heutigen Situation, wo er für uns bestimmt, würde er höchstens raten, was er für schlau hielte. Ihm gegenüber stünde eine skeptische Masse oder ggf. mehrere andere Politiker. Die Analyse sollte verhindern, dass man sich unnötig streitet oder vom Thema entfernt. Vieles Erklärungsbedürftige kann sich auch ohne Moderator als Film oder Slideshow wesentlich effizienter kommunizieren. Effizienz sollte das Ziel sein. Und ich denke, es geht wesentlich effizienter, als es heute der Fall ist. Sicher reift der Politiker an seiner Erfahrung, aber ich mag das griechische Modell der Polis sehr gerne, in der jeder mal an die Reihe kommt, "representen" zu müssen. Auch das trägt zum wahren Demokratie-Verständnis bei.
xXGEH-H-EIMXx schrieb:Du meinst also, dass das allgemeine Volk die wirtschaftspolitischen Folgen bei der Frage "Ja oder Nein des Euros" wissenschaftlich angegangen wäre und zu einer guten Entscheidung gekommen wäre?
Ich glaube, über mein vorgeschlagenes Modell, in dem der Politiker die Vorteile und Nachteile offen kommuniziert, ist die Masse durchaus in der Lage, kompetente Entscheidungen zu treffen.
Mein Modell ist wie gesagt nur ein Vorschlag und es ist keinesfalls auf Herz und Nieren gedanklich durchgetestet. Doch vor allem in Anbetracht der Möglichkeiten des Internet halte ich es für vollkommen realisierbar.
Jeder Bürger sollte seinen politischen Vlog halten, ist auch noch so eine Idee. Es geht voran. Wir müssen nur wollen.