Bluelle schrieb:Meistens wirkt so etwas auch unbewusst, von daher halte ich nicht viel vom System durch Geschworene ein Urteil zu bewirken.
Geschworene in den USA sind durchschnittliche Otto Normalbürger. Zur sogenannten "Jury Duty", also der Pflicht, als Geschworener bei einem Prozess zu dienen, kann es jeden erwischen, der als Wähler registriert ist. Ich hatte, als ich in den 90er Jahren in den USA lebte, auch mal so einen Wisch bekommen (wahrscheinlich hatten die meine Adresse von der Führerschein- und Kraftfahrzeugbehörde Department of Motor Vehicles). Ich schrieb dann zurück, dass ich kein US-Staatsbürger sei und hörte anschließend nie mehr etwas.
Aber worauf ich hinaus will: Manche, die eine Vorladung zur Jury Duty bekommen, sehen diese Verpflichtung als lästig. Sie absolvieren sie mehr oder weniger lustlos und sind froh, wenn sie wieder nach Hause können. Jetzt stellt euch mal vor, ihr seid ein konservativer Redneck aus dem ländlichen Süden, und plötzlich steht da im Gerichtssaal so ein intellektueller Schnösel mit Brille vor euch, der noch dazu Europäer ist und damals mit einem affektiert klingenden britischen Akzent sprach. Mir hat mal ein amerikanischer Freund, der selbst aus dem Süden stammt (Texas), erzählt, dass viele konservative Südstaatler keine Ausländer mögen. Und wenn dieser arrogante Europäer dann auch noch die ganze Zeit grinst, hat besagter Redneck - nennen wir ihn der Einfachheit halber Joe Hillbilly - schon mal eine voreingenommene Haltung.
Und wenn sich dann die Geschworenen zur Beratung zurückziehen, ist Joe Hillbilly mächtig aufgeladen, denn er will a) möglichst schnell nach Hause und b) diesem deutschen Schnösel eine Lektion erteilen. Wenn dann auch noch der Jury Foreman, also der Vorsitzende des Geschworenen-Gremiums, dominant auftritt und in die versammelte Runde verkündet, dass dieser Söring auf jeden Fall der Täter war - unterstützt von einem kräftigen "damn right he did it!" von unserem Freund Joe Hillbilly, werden selbst noch unentschiedene, aber ehe schwache und konfliktscheue Jury-Mitglieder ebenfalls für schuldig stimmen. Und sind froh, dass sie endlich nach Hause können.