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Gedichte aus aller Welt

813 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Literatur, Gedichte, Lyrik ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
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Gedichte aus aller Welt

09.01.2024 um 14:19
Kritik des Herzens

Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich;
So hab' ich erstens den Gewinn,
Daß ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen;
Und viertens hoff' ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Daß ich ein ganz famoses Haus.

Wilhelm Busch


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Gedichte aus aller Welt

12.01.2024 um 06:32

Die Vögel kommen

Die Vögel kommen

in ganzen Schwärmen,

um dich zu erfreuen.

Das junge Grün spriesst;

und der Wald wächst schön

und steht wie eine Braut da,

um dir Freude zu schenken.



Du bist geschaffen.

Du bist da.

Du bekommst heute

das zum Dasein Nötige.

Du wurdest erschaffen.

Du wurdest Mensch.



Du kannst sehen,

bedenke: Du kannst sehen,

du kannst hören, du kannst

riechen, schmecken, fühlen.

Sören Kierkegaard
(* 05.05.1813, † 11.11.1855)
Søren Aabye Kierkegaard war ein dänischer Philosoph, Essayist, evangelisch-lutherischer Theologe und religiöser Schriftsteller.




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Gedichte aus aller Welt

12.01.2024 um 06:34

Ausdauernd

Gib nie einen Menschen oder die Hoffnung auf ihn lieblos auf,

denn es könnte selbst der verlorene Sohn,

der am tiefsten Gesunkene,

doch noch gerettet werden,

der erbittertste Feind,

auch der, der dein Freund war,

doch wieder dein Freund werden,

die Liebe, die erkaltete,

doch wieder entbrennen

Sören Kierkegaard
Dänemark
(* 05.05.1813, † 11.11.1855)




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Gedichte aus aller Welt

13.01.2024 um 08:44

MORGENRÖTE

Das mürrische Verwüsten,
das mir gedient als Schlaf,
zerstreut sich bei der frühsten
Röte, die mich traf.
In meine Seele dringe
ich auf des Zutrauns Schwinge:
Das ist mein Frühgebet!
Dem Sande kaum entglitten,
in meines Verstandes Schritten
wie herrlich es sich geht.

Gruß, ihr, noch Schlafbereiten,
an eures Lächelns Paar,
vertraute Ähnlichkeiten
unter der Worte Schar.
Wenn erst die Bienen lärmen,
so fang ich euch in Schwärmen,
schon hat meine Vorsicht jetzt
auf die Sprosse der goldenen Leiter,
die leise erzittert, heiter
den weißen Fuß gesetzt.

Welches Frührot über den Rücken,
die ein Frösteln überlief?
Ein Strecken und ein Bücken,
wo eben noch alles schlief:
Die gähnt noch, die, ganz Flamme,
langt nach dem Schildpattkamme
mit Fingern, die sie nicht lenkt,
noch nah an des Traumes Wende,
knüpft sie träge sein Ende
an die Stimme, die vorbedenkt.

Seid ihr das, ihr Halberwachten!
Was war diese Nacht euer Tun?
Ideen, die Leere verachten,
und stark sind, bei jedem zu ruhn?
Stets brav ist, was wir taten,
unsterblich verweilend verraten
wir niemals dein Dach, und hier
war keine von uns am Entrinnen,
wir sind die heimlichen Spinnen
innen im Dunkel in dir!

Und bist du nicht vor Glück
trunken! von allen den Sonnen,
die das Gewebe zurück
wirft, das dein Rätsel umsponnen?
Sieh zu, was wir leise dir schafften,
wie die einfachen Fäden haften
an deines Abgrunds Rand,
und schon ließ die Natur sich verleiten,
unser bebendes Vorbereiten
hat sie mit Netzen umspannt...

Ihr geistig leichtes Gespinne,
ich stieß daran und durchdrangs
und suche im Wald meiner Sinne
den Ansatz meines Gesangs.
Sein!.. .Weitestes aller Gehöre!
Als ob sich die Seele verlöre
und wäre nur Sehnsucht schon ...
Sie vernimmt ihr eigenes Beben,
und manchmal, scheint es, geben
die Lippen denselben Ton.

Spaliere meiner Spiele,
mein schattiges Weingewind!
Der Bilder sind so viele,
als Blicke in mir sind ...
Von jedem Blatte schnellen
mir zugeneigte Quellen,
ich trink ihr Geräusch von fern ...
Was ist mir nicht Mark und Mandel,
mich heißt jeder Kelch seinen Wandel
erwarten zum vollen Kern.

Ich fürchte nicht Dornen im Laube!
Erwachen ist gut, selbst hart!
Es gibt bei so reinem Raube
keine sichere Gegenwart:
eine Welt an sich zu reißen
kann nur so sich verwunden heißen,
daß, wer sie an sich riß,
eine fruchtbare Wunde gewänne,
wenn das eigene Blut nicht ranne,
nie war der Besitz gewiß.

Ich nahe dem unsichtbaren
Weiher, und drinnen schwimmt
meine Hoffnung, getragen vom Klaren,
das sie bei den Brüsten nimmt.
Ihr Hals reicht in schwankende Zeiten
und läßt in der Flut jenes Gleiten,
das ein herrlicher Hals schafft, entstehn ...
Sie fühlt unter ebener Glätte,
daß die Tiefe kein Ende hätte,
und schauert herauf von den Zeh’n.

Aus dem Französischen von Rainer Maria Rilke.

Paul Valery



Ambroise Paul Toussaint Jules Valéry war Lyriker, Philosoph und Essayist.
Geboren: 30. Oktober 1871, Sète, Frankreich
Verstorben: 20. Juli 1945, Paris, Frankreich

Wikipedia: Paul Valéry


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Gedichte aus aller Welt

14.01.2024 um 14:43
Nachtgedicht

Dich bedecken
nicht mit Küssen
nur einfach
mit deiner Decke
(die dir von der Schulter geglitten ist)
dass du im Schlaf nicht frierst.

Später
wenn du erwacht bist
das Fenster zumachen
und dich umarmen
und dich bedecken
mit Küssen
und dich entdecken

Erich Fried


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Gedichte aus aller Welt

14.01.2024 um 20:12
Oh, why was I born with a different face?
Why was I not born like the rest of my race?
When I look, each one starts, when I speak, I offend;
Then I'm silent and passive and lose every friend.
Then my verse I dishonour, my pictures despise,
My person degrade and my temper chastise;
And the pen is my terror, the pencil my shame;
All my talents I bury, and dead is my fame.
I am either too low or too highly priz'd;
When elate I'm envied ; when meek I'm despised.


- William Blake


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Gedichte aus aller Welt

15.01.2024 um 17:46
Das Riesenspielzeug

Burg Nideck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt,
die Höhe, wo vorzeiten die Burg der Riesen stand;
sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Einst kam das Riesenfräulein aus jener Burg hervor,
erging sich sonder Wartung und spielend vor dem Tor
und stieg hinab den Abhang bis in das Tal hinein,
neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein.

Mit wen'gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald,
erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald,
und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld
erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.

Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut,
bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut;
es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar,
es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar

"Ei! artig Spielding!" ruft sie, "das nehm' ich mit nach Haus!"
Sie knieet nieder, spreitet behend ihr Tüchlein aus
und feget mit den Händen, was sich da alles regt,
zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammenschlägt,

und eilt mit freud'gen Sprüngen, man weiß, wie Kinder sind,
zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind:
Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön!
So Allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höh'n."

Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein,
er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein:
Was Zappeliges bringst du in deinem Tuch herbei?
Du hüpfest ja vor Freuden; laß sehen, was es sei."

Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an,
den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann;
wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut,
so klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.

Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht:
Was hast du angerichtet? Das ist kein Spielzeug nicht!
Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin,
der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn?

Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot;
denn wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot;
es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor,
der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor

Burg Nideck ist im Elsaß der Sage wohl bekannt,
die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;
sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
und fragst Du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Adelbert von Chamisso


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Gedichte aus aller Welt

17.01.2024 um 18:26




Dein Lachen

Nimm mir das Brot weg, wenn du
es willst, nimm mir die Luft weg,
aber laß mir dein Lachen.
Laß mir die Rosenblüte,
den Spritzstrahl, den du versprühst,
dieses Wasser, das plötzlich
aufschießt in deiner Freude,
die jähe Pflanzenwoge,
in der du selbst zur Welt kommst.

Mein Kampf ist hart, und manchmal
komme ich heim mit müden
Augen, weil ich die Welt
gesehn, die sich nicht ändert,
doch kaum trete ich ein,
steigt dein Lachen zum Himmel,
sucht nach mir und erschließt mir
alle Türen des Lebens.

Meine Liebe, auch in der
dunkelsten Stunde laß dein
Lachen aufsprühn, und siehst du
plötzlich mein Blut als Pfütze
auf den Steinen der Straße,
so lache, denn dein Lachen
wird meinen Händen wie ein
frisch erglänzendes Schwert sein.

Und am herbstlichen Meer
soll deines Lachens Sturzflut
gischtend himmelwärts steigen,
und im Frühling, du Liebe,
wünsche ich mir dein Lachen
als Blüte, lang erwartet,
blaue Blume, die Rose
meines klingenden Landes.

Lache über die Nacht,
über den Tag, den Mond,
lache über die krummen
Gassen unserer Insel,
lache über den Burschen,
den Tolpatsch, der dich liebt,
aber wenn ich die Augen
öffne, wenn ich sie schließe,
wenn meine Schritte fortgehn,
wenn sie dann wiederkommen,
nimm mir das Brot, die Luft,
nimm mir das Licht, den Frühling,
aber niemals dein Lachen,
denn sonst würde ich sterben.

Pablo Neruda
chilenischer Dichter und Schriftsteller sowie Diplomat



Pablo Neruda [1914-1973] wurde als Neftali Ricardo Reyes Basoalto geboren, nahm seinen Pseudonym jedoch 1946 legal an. Unter diesem Namen wurde er zu einem der berühmtesten Dichter aller Zeiten.


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Gedichte aus aller Welt

18.01.2024 um 06:58


Gib nicht auf

Wenn die Dinge schief gehen, was manchmal der Fall sein wird,
wenn der Weg, den Sie gehen, nur bergauf zu gehen scheint,
wenn die Mittel knapp und die Schulden hoch sind
und Sie lächeln möchten, aber seufzen müssen,
wenn die Sorge Sie niederdrückt ein bisschen,
ruhen Sie sich aus, wenn Sie müssen, aber geben Sie nicht auf.

Das Leben ist seltsam mit seinen Wendungen und Wendungen,
wie jeder von uns manchmal lernt,
und so mancher dreht sich um,
wenn er vielleicht gewonnen hätte, wenn er durchgehalten hätte.
Geben Sie nicht auf, auch wenn das Tempo langsam erscheint –
vielleicht gelingt Ihnen ein weiterer Schlag.

Oft ist das Ziel näher, als
es einem schwachen und schwankenden Menschen vorkommt;
Oft hat der Kämpfer aufgegeben,
als er den Siegerpokal hätte erobern können;
Und er erfuhr zu spät, als die Nacht hereinbrach,
wie nah er der goldenen Krone war.

Erfolg ist Scheitern auf den Kopf gestellt –
Der silberne Farbton in den Wolken des Zweifels,
Und man kann nie sagen, wie nah man ist.
Es könnte nah sein, wenn es fern scheint;
Bleiben Sie also beim Kampf, wenn es Sie am härtesten trifft –
wenn die Dinge am schlimmsten erscheinen, dürfen Sie nicht aufgeben.

~John Greenleaf Whittier



John Greenleaf Whittier (17. Dezember 1807 – 7. September 1892) war ein amerikanischer Quäkerdichter und Verfechter der Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten .


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Gedichte aus aller Welt

05.02.2024 um 14:29


Berühre mich
Der Sommer ist spät, mein Herz.
Aus der Luft gerissene Worte
vor etwa vierzig Jahren
Als ich vor Liebe wild war
und fast in zwei Teile gerissen
Zerstreue dich heute Nacht wie Blätter
von pfeifendem Wind und Regen.
Es ist mein Herz, das zu spät kommt,
Es ist mein Lied, das geflogen ist.
Den ganzen Nachmittag draußen
unter einem stahlgrauen Himmel
meinen Garten abstecken,
Ich kniete mich neben das Zirpen der Grillen
unter den Füßen, als ob
aus ihren verkrusteten Schalen platzen;
und wieder wie ein Kind
Ich war erstaunt, so klar zu hören
und trotze einem Musikgenuss
von einer so kleinen Maschine.
Was bringt den Motor zum Laufen?
Verlangen, Verlangen, Verlangen.
Die Sehnsucht nach dem Tanz
regt sich im vergrabenen Leben.
Nur eine Saison,
und es ist geschafft.
Also lass die ramponierte alte Weide
gegen die Fensterscheiben schlagen
und die Balken des Hauses knarren.
Liebling, erinnerst du dich?
der Mann, den du geheiratet hast? Berühre mich,
Erinnere mich daran, wer ich bin.



https://www.poeticous.com/stanley-kunitz/touch-me-summer-is-late-my-heart

Stanley Jasspon Kunitz (* 29. Juli 1905 in Worcester, Massachusetts; † 14. Mai 2006 in New York City, New York) war ein viel beachteter US-amerikanischer Lyriker.


Wikipedia: Stanley Kunitz

kunitz




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Gedichte aus aller Welt

05.02.2024 um 14:40

End of Summer
By Stanley Kunitz
An agitation of the air, A perturbation of the light
Admonished me the unloved year
Would turn on its hinge that night.

I stood in the disenchanted field
Amid the stubble and the stones,
Amazed, while a small worm lisped to me
The song of my marrow-bones.

Blue poured into summer blue,
A hawk broke from his cloudless tower,
The roof of the silo blazed, and I knew
That part of my life was over.

Already the iron door of the north
Clangs open: birds, leaves, snows
Order their populations forth,
And a cruel wind blows.




Ende des Sommers

Eine Aufregung der Luft, Eine Störung des Lichts
Ermahnte mich das ungeliebte Jahr
Würde sich in dieser Nacht aus den Angeln heben.

Ich stand auf dem desillusionierten Feld
Inmitten der Stoppeln und der Steine,
Erstaunt, während ein kleiner Wurm zu mir lischelte
Das Lied meiner Markknochen.

Blau ergoss sich in Sommerblau,
Ein Falke brach aus seinem wolkenlosen Turm hervor,
Das Dach des Silos brannte, und ich wusste es
Dieser Teil meines Lebens war vorbei.

Schon die eiserne Tür des Nordens
Geräusche öffnen sich: Vögel, Blätter, Schnee
Ordnen Sie ihre Bevölkerung weiter,
Und ein grausamer Wind weht.




Stanley Kunitz
Amerikanischer Lyriker


https://www.poetryfoundation.org/poems/54898/end-of-summer-56d235ce0824f


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Gedichte aus aller Welt

13.02.2024 um 06:57

Mittag

Am Waldessaume träumt die Föhre.
Am Himmel weiße Wölkchen nur.
Es ist so still, daß ich sie höre,
die tiefe Stille der Natur.

Rings Sonnenschein auf Wies' und Wegen,
die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach.
Und doch, es klingt, als ström' ein Regen
leis tönend auf das Blätterdach.

Theodor Fontane (1819 - 1898), dt. Schriftsteller, Journalist, Erzähler und Theater




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Gedichte aus aller Welt

13.02.2024 um 07:30

Karneval

Auch uns, in Ehren sei's gesagt,
Hat einst der Karneval behagt,
Besonders und zu allermeist
In einer Stadt, die München heisst.

Wie reizend fand man dazumal
Ein menschenwarmes Festlokal,
Wie fleissig wurde über Nacht
Das Glas gefüllt und leer gemacht,
Und gingen wir im Schnee nach Haus,
War grad die frühe Messe aus,
Dann können gleich die frömmsten Frau'n
Sich negativ an uns erbau'n.

Die Zeit verging, das Alter kam,
Wir wurden sittsam, wurden zahm.
Nun sehn wir zwar noch ziemlich gern
Die Sach' uns an, doch nur von fern
(Ein Auge zu, Mundwinkel schief)
Durchs umgekehrte Perspektiv.

- Wilhelm Busch 1832-1908, deutscher Dichter -




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Gedichte aus aller Welt

17.02.2024 um 13:10

Georg Herwegh

Deutſche, glaubet euren Sehern,
Unſre Tage werden ehern,
Unſre Zukunft klirrt in Erz;
Schwarzer Tod iſt unſer Sold nur,
Unſer Gold ein Abendgold nur,
Unſer Rot ein blutend Herz!

Reißt die Kreuze aus der Erden!
Alle ſollen Schwerter werden,
Gott im Himmel wird's verzeihn.
Hört er unſre Feuer brauſen
Und ſein heilig Eiſen ſauſen,
Spricht er wohl den Segen drein.

Vor der Freiheit ſei kein Frieden,
Sei dem Mann kein Weib beſchieden
Und kein golden Korn dem Feld;
Vor der Freiheit, vor dem Siege
Seh' kein Säugling aus der Wiege
Frohen Blickes in die Welt!

Quelle: Deutsches Textarchiv


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Gedichte aus aller Welt

19.02.2024 um 17:40

Zwischen heut' und morgen
Liegt eine lange Frist;
Lerne schnell besorgen,
Da du noch munter bist.

Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung



https://www.aphorismen.de/zitat/65992


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Gedichte aus aller Welt

25.02.2024 um 13:46

William Butler Yeats




Die Seeinsel von Innisfree

Ich werde mich jetzt erheben und nach Innisfree gehen,
Dort eine kleine Hütte bauen, aus Lehm und Geflecht gemacht;
Neun Reihen Bohnen werde ich dort haben, einen Korb für die Honigbiene,
Und allein werde ich dort leben in bienenlauter Lichtung.

Und ich werde dort etwas Frieden haben, denn der Friede sinkt langsam herab
Von den Schleiern des Morgens zu dem Ort, an dem die Grille singt;
Die Mitternacht ist dort ganz Schimmer, der Mittag violettes Glühen
Und der Abend voller Hänflingschwingen.

Ich werde mich jetzt erheben und gehen, denn immer, bei Nacht und Tag,
Höre ich das Wasser des Sees leise ans Ufer schlagen;
Während ich auf dem Fahrweg stehe oder auf grauem Pflaster,
Höre ich es tief im Herzensinnern.

The Lake Isle of Innisfree (1892)




William Butler Yeats war ein irischer Dichter. Er gilt als einer der bedeutendsten englischsprachigen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. 1923 erhielt er als erster Ire den Literaturnobelpreis

Wikipedia: William Butler Yeats

Übersetzung von Johannes Beilharz


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Gedichte aus aller Welt

08.03.2024 um 07:30

Gedicht von Pablo Neruda.

Sie liebte mich, manchmal liebte ich sie auch.
Wie konnte man ihre tollen, stillen Augen nicht lieben?
Heute Abend kann ich die traurigsten Zeilen schreiben.
Wenn man bedenkt, dass ich sie nicht habe. Zu fühlen, dass ich sie verloren habe.
Um eine immense Nacht zu hören, die ohne sie noch unermesslicher ist.
Und der Vers fällt in die Seele wie Tau auf eine Weide.
Was spielt es für eine Rolle, dass meine Liebe sie nicht behalten konnte.
Die Nacht ist kaputt und sie ist nicht bei mir.
Das ist alles. In der Ferne singt jemand. In der Ferne.
Meine Seele ist nicht zufrieden, dass sie sie verloren hat.
Mein Augenlicht sucht nach ihr, als würde ich zu ihr gehen.
Mein Herz sucht sie und sie ist nicht bei mir.
In derselben Nacht, die dieselben Bäume aufhellen.
Wir von damals sind nicht mehr die gleichen.
Ich liebe sie nicht mehr, das steht fest, aber wie ich sie geliebt habe.
Meine Stimme versuchte, den Wind zu finden, um ihr Gehör zu berühren.
Ein anderes. Sie wird einer anderen gehören. Wie meine Küsse vorher.
Ihre Stimme. Ihr heller Körper. Ihre unendlichen Augen.
Ich liebe sie nicht mehr, das ist sicher, aber vielleicht liebe ich sie.
Liebe ist kurz, vergessen ist so lang.
Weil ich sie in Nächten wie diesen in meinen Armen hielt
meine Seele ist nicht zufrieden, dass sie sie verloren hat.
Obwohl dies der letzte Schmerz ist, den sie mich leiden lässt
und das sind die letzten Verse, die ich für sie schreibe.



Pablo Neruda war ein chilenischer Dichter und Schriftsteller sowie Diplomat.
1971 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.


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Gedichte aus aller Welt

08.03.2024 um 07:39

Wiedersehen

- Und ich sah Dich wieder,

Sah Dein Haar ergraut

In schwerer Pflichterfüllung,

Und sah die Linien,

Die herber Trotz

Und bittre Menschenverachtung

Um Deine schmalen,

Blutlosen Lippen gezogen.



Mit halbverschleierter

Müder Stimme,

In der nur selten

Ein lichter Ton der Freude

Schüchtern emporklang,

Erzähltest Du mir

Von Deines Lebens

Dornigen Wanderzügen

Und qualvollen Kämpfen.



Ich und Du,

Wir hätten gerne

Von gemeinsam verlebten

Seligen Stunden gesprochen,

Von unvergessenen,

Liebesschwülen Tagen, -

Aber keines von uns Beiden

Fand das heißersehnte,

Das richtige Wort.




Felix Dörmann
(* 1870-05-29, † 1928-10-26)

Felix Dörmann war ein österreichischer Schriftsteller, Librettist und Filmproduzent.


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Gedichte aus aller Welt

07.04.2024 um 13:45
Deine Seele ist ein Vogel

Deine Seele ist ein Vogel,
stutze ihm die Flügel nicht,
denn er will sich doch erheben
aus der Nacht ins Morgenlicht.

Deine Seele ist ein Vogel,
stopf nicht alles in ihn rein.
Er wird zahm und satt und träge,
stirbt den Tod am Brot allein.

Deine Seele ist ein Vogel,
schütze ihn nicht vor dem Wind.
Erst im Sturm kann er dir zeigen,
wie stark seine Flügel sind.

Deine Seele ist ein Vogel,
und er trägt in sich ein Ziel.
Doch wird er zu oft geblendet,
weiß er nicht mehr,was er will.

Deine Seele ist ein Vogel.
Hörst du ihn vor Sehnsucht schrein,
darfst den Schrei du nicht ersticken,
bleibt er stumm,wirst du zu Stein.

Deine Seele ist ein Vogel,
stutze ihm die Flügel nicht,
denn er will sich doch erheben
aus der Nacht ins Morgenlicht.

Gerhard Schöne


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21.04.2024 um 13:36
Der Einsame
von Wilhelm Busch

Wer einsam ist, der hat es gut,
Weil keiner da, der ihm was tut.
Ihn stört in seinem Lustrevier
Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
Und niemand gibt ihm weise Lehren,
Die gut gemeint und bös zu hören.
Der Welt entronnen, geht er still
In Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
Bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
Drum raucht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
Kann er sich selbst die Hose flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
Um angenehm die Zeit zu töten,
Und laut und kräftig darf er prusten,
Und ohne Rücksicht darf er husten,
Und allgemach vergißt man seiner.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot,
Ich dachte längst, er wäre tot.
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
Läßt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
Wer einsam ist, der hat es gut.


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