Meiner Schwester
Der erste milde Märztag bringt
minütlich Süßeres hervor.
Rotkehlchen in der Lärche singt
hoch neben unserm Tor.
Die Luft erfüllt ein Segensweh’n:
Es schenkt ein Glücksgefühl der Welt,
dem kahlen Wald, den fahlen Höh’n
und grünes Gras auf ’s Feld.
Auf Schwester! (Und das wünsch ich mir)
nach unserm morgendlichen Mahl:
Lass rasch die Arbeit ruh’n , dass wir
verspür’n der Sonne Strahl.
Klein Edward dich begleiten mag,
kleid dich zum Wandern ein;
kein Buch nimm mit, denn diesen Tag
woll’n wir der Muße weih’n.
Weg mit dem grauen Winterkleid,
denn heut’ beginnt fürwahr,
in unserm Almanach die Zeit,
wenn Freude tritt ins Jahr.
Uns Menschen ward im Winter gar
die Liebe fast erfroren.
Aus Frühlingserde wahrnehmbar
wird sie uns neu geboren.
Ein Augenblick gibt uns jetzt mehr
als jahrelang studieren.
Der Leib, die Seel’ woll’n mit Begehr
den Geist des Lenzes spüren.
Die Regel haben wir im Sinn
und halten sie auch ein:
der heut’ge Tag soll fürderhin
die Richtschnur für uns sein.
Auf dass die segensreiche Kraft,
die um und in uns webt,
auch uns’re Herzen neu erschafft,
in Liebe sie erhebt.
Drum Schwester komm und sei nicht zag,
kleid’ dich zum Wandern ein;
kein Buch nimm mit, denn diesen Tag
woll’n wir der Muße weih’n.
© Bertram Kottmann.
Übersetzt aus dem Englischen:
To my Sister
It is the first mild day of March:
Each minute sweeter than before,
The redbreast sings from the tall larch
That stands beside our door.
There is a blessing in the air,
Which seems a sense of joy to yield
To the bare trees, and mountains bare,
And grass in the green field.
My sister! (’tis a wish of mine)
Now that our morning meal is done,
Make haste, your morning task resign;
Come forth and feel the sun.
Edward will come with you;-and, pray,
Put on with speed your woodland dress;
And bring no book: for this one day
We’ll give to idleness.
No joyless forms shall regulate
Our living calendar:
We from to-day, my Friend, will date
The opening of the year.
Love, now a universal birth,
From earth to earth is stealing,
From earth to man, from man to earth:
- It is the hour of feeling.
One moment now may give us more
Than years of toiling reason:
Our minds shall drink at every pore
The spirit of the season.
Some silent laws our hearts will make,
Which they shall long obey:
We for the year to come may take
Our temper from to-day.
And from the blessed power that rolls
About, below, above,
We’ll frame the measure of our souls:
They shall be tuned to love.
Then come, my Sister! come, I pray,
With speed put on your woodland dress;
And bring no book: for this one day
We’ll give to idleness.
William Wordsworth
William Wordsworth war ein britischer Dichter
https://gedichte.xbib.de/Wordsworth_gedicht_Meiner+Schwester.htm