Gedichte aus aller Welt
18.12.2021 um 09:49
Gestern
Erst gestern war es, denkst du daran?
Es ging der Tag zur Neige.
Ein böser Schneesturm da begann
und brach die dürren Zweige.
Der Sturmwind blies die Sterne weg,
die Lichter, die wir lieben.
Vom Monde gar war nur ein Fleck,
ein gelber Schein geblieben.
Und jetzt? So schau doch nur hinaus:
Die Welt ertrinkt in Wonne.
Ein weißer Teppich liegt jetzt aus.
Es strahlt und lacht die Sonne.
Wohin du siehst: Ganz puderweiß
geschmückt sind alle Felder.
Der Bach rauscht lustig unterm Eis,
nur finster stehn die Wälder.
Alexander Puschkin
Russland
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Gedichte aus aller Welt
18.12.2021 um 21:26
Damit sie kommen
Eine Kerze genügt.
Ihr Licht, das matte,
fügt sich besser, schmeichelt mehr,
wenn sie kommen, die Schatten, die Schatten der Liebe.
Eine Kerze genügt.
Das Zimmer sei heut' abend
ohne helles Licht.
Tief in Träumerei versunken,
voll Empfänglichkeit und bei schwachem Licht –
so in Träumerei versunken gebe ich mich Gaukelbildern hin,
damit sie kommen, die Schatten, die Schatten der Liebe
Konstantinos Kavafis (1863 - 1933) griechischer Lyriker
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Gedichte aus aller Welt
20.12.2021 um 09:45
JOHANN GAUDENZ FREIHERR VON SALIS-SEEWIS
(* 26. Dezember 1762 auf Schloss Bothmar in Malans; † 29. Januar 1834 ebenda) war ein Schweizer Dichter.
Winterlied
Das Feld ist weiß, so blank und rein,
Vergoldet von der Sonne Schein,
Die blaue Luft ist stille;
Hell wie Kristall
Blinkt überall
Der Fluren Silberhülle.
Der Lichtstrahl spaltet sich im Eis,
Er flimmert blau und rot und weiß
Und wechselt seine Farbe.
Aus Schnee heraus
Ragt, nackt und kraus,
Des Dorngebüsches Garbe.
Von Reifenduft befiedert sind
Die Zweige rings, die sanfte Wind'
Im Sonnenstrahl bewegen.
Dort stäubt vom Baum
Der Flocken Flaum
Wie leichter Blütenregen.
Tief sinkt der braune Tannenast
Und drohet mit des Schnees Last
Den Wandrer zu beschütten;
Vom Frost der Nacht
Gehärtet, kracht
Der Weg von seinen Tritten.
Das Bächlein schleicht, von Eis geengt;
Voll lauter blauer Zacken hängt
Das Dach; es stockt die Quelle;
Im Sturze harrt,
Zu Glas erstarrt,
Des Wasserfalles Welle.
Die blaue Meise piepet laut;
Der muntre Sperling pickt vertraut
Die Körner vor der Scheune.
Der Zeisig hüpft
Vergnügt und schlüpft
Durch blätterlose Haine.
Wohlan! auf festgediegner Bahn
Klimm' ich den Hügel schnell hinan
Und blicke froh ins Weite,
Und preise den,
Der rings so schön
Die Silberflocken streute.
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Gedichte aus aller Welt
20.12.2021 um 10:31
DER W UNSCH FORTZUGEH EN
Die Sonne steigt ein durch mein Fenster,
hat alles fröhlich erleuchtet.
Ein Hund bellt, und ein Vogel entlockt
seiner Stimme ein mächtiges Trillern.
Auf dem Rücken liege ich in meinem Bett
und weiß nicht, warum ich die weite Welt
anbeten möchte, mich im Dunst der Seen
verlieren, mich mit dem Licht der Freude blenden.
Mit einem Lied zu wandern über wilde Wege,
die milden Nachmittage im Gefühl,
und das Herz entbrennt in der himmlischen Flamme
der Liebe, die am Wegrand glüht .
(Pablo Neruda) Chile
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Gedichte aus aller Welt
20.12.2021 um 10:36
Konstantinos Kavafis
Ithaka
Brichst du auf gen Ithaka,
wünsch dir eine lange Fahrt,
voller Abenteuer und Erkenntnisse.
Die Lästrygonen und Zyklopen,
den zornigen Poseidon fürchte nicht,
solcherlei wirst du auf deiner Fahrt nie finden,
wenn dein Denken hochgespannt, wenn edle
Regung deinen Geist und Körper anrührt.
Den Lästrygonen und Zyklopen,
dem wütenden Poseidon wirst du nicht begegnen,
falls du sie nicht in deiner Seele mit dir trägst,
falls deine Seele sie nicht vor dir aufbaut.
Wünsch dir eine lange Fahrt.
Der Sommermorgen möchten viele sein,
da du, mit welcher Freude und Zufriedenheit!
In nie zuvor gesehene Häfen einfährst;
Halte ein bei Handelsplätzen der Phönizier
Und erwirb die schönen Waren,
Perlmutter und Korallen, Bernstein, Ebenholz
Und erregende Essenzen aller Art,
so reichlich du vermagst, erregende Essenzen,
besuche viele Städte in Ägypten,
damit du von den Eingeweihten lernst und wieder lernst.
Immer halte Ithaka im Sinn.
Dort anzukommen ist dir vorbestimmt.
Doch beeile nur nicht deine Reise.
Besser ist, sie dauere viele Jahre;
Und alt geworden lege auf der Insel an,
reich an dem, was du auf deiner Fahrt gewannst,
und hoffe nicht, dass Ithaka dir Reichtum gäbe.
Ithaka gab dir die schöne Reise.
Du wärest ohne es nicht auf die Fahrt gegangen.
Nun hat es dir nicht mehr zu geben.
Auch wenn es sich dir ärmlich zeigt, Ithaka betrog dich nicht.
So weise, wie du wurdest, in solchem Maße erfahren,
wirst du ohnedies verstanden haben, was die Ithakas bedeuten.
*
Griechenland
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Gedichte aus aller Welt
20.12.2021 um 10:40
Jean de la Fontaine "Le Corbeau et le Renard"
Maître Corbeau, sur un arbre perché,
Tenait en son bec un fromage.
Maître Renard, par l'odeur alléché,
Lui tint à peu près ce langage :
"Hé ! bonjour, Monsieur du Corbeau.
Que vous êtes joli ! que vous me semblez beau !
Sans mentir, si votre ramage
Se rapporte à votre plumage,
Vous êtes le Phénix des hôtes de ces bois."
A ces mots le Corbeau ne se sent pas de joie ;
Et pour montrer sa belle voix,
Il ouvre un large bec, laisse tomber sa proie.
Le Renard s'en saisit, et dit : "Mon bon Monsieur,
Apprenez que tout flatteur
Vit aux dépens de celui qui l'écoute :
Cette leçon vaut bien un fromage, sans doute. "
Le Corbeau, honteux et confus,
Jura, mais un peu tard, qu'on ne l'y prendrait plus.
****
Der Rabe und der Fuchs
Im Schnabel einen Käse haltend, hockt
Auf einem Baumast Meister Rabe.
Von dieses Käse Duft herbeigelockt,
Spricht Meister Fuchs, der schlaue Knabe:
„Ah! Herr von Rabe, guten Tag!
Wie nett Ihr seid und von wie feinem Schlag!
Entspricht dem glänzenden Gefieder
Nun auch der Wohlklang Eurer Lieder,
Dann seid der Phönix Ihr in diesem Waldrevier.“
Dem Raben hüpft das Herz vor Lust. Der Stimme Zier
Zu künden, tut mit stolzem Sinn
Er weit den Schnabel auf; da – fällt der Käse hin.
Der Fuchs nimmt ihn und spricht: „Mein Freundchen,
Ein jeder Schmeichler mästet sich [denkt an mich!]
Vom Fette des, der willig auf ihn hört.
Die Lehr ist zweifellos wohl – einen Käse wert!“
Der Rabe, scham- und reuevoll,
Schwört – etwas spät –, dass niemand ihn mehr fangen soll.
(Frankreich)
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20.12.2021 um 10:49
Gestern
Erst gestern war es, denkst du daran?
Es ging der Tag zur Neige.
Ein böser Schneesturm da begann
und brach die dürren Zweige.
Der Sturmwind blies die Sterne weg,
die Lichter, die wir lieben.
Vom Monde gar war nur ein Fleck,
ein gelber Schein geblieben.
Und jetzt? So schau doch nur hinaus:
Die Welt ertrinkt in Wonne.
Ein weißer Teppich liegt jetzt aus.
Es strahlt und lacht die Sonne.
Wohin du siehst: Ganz puderweiß
geschmückt sind alle Felder.
Der Bach rauscht lustig unterm Eis,
nur finster stehn die Wälder.
Alexander Puschkin
Russland
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Gedichte aus aller Welt
20.12.2021 um 10:54
Vergessen sah im Buch ich liegen
Ein Blümchen, das den Duft verlor;
Und seltsame Gedanken stiegen
In meiner Seele da empor:
Wo blühte es? in welchem Jahre?
Wie lange? und wer pflückt' es ab?
Stak einem Mädchen es im Haare?
Warum fand es im Buch sein Grab?
Erinnerung an ein Wiedersehen,
An eines Abschieds Schmerzgewalt,
An einsames Spaziergehen
Im stillen Feld, im dunklen Wald?
Ist sie noch seines Lebens Freude?
Wo sind sie nun, an welchem Ort?
Sind Glück und Leben schon für beide,
Wie diese Blume hier, verdorrt?
Alexander Sergejewitsch Puschkin
Rußland
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Gedichte aus aller Welt
20.12.2021 um 13:07
Ein Kelch, ein Blatt, ein Dorn
An irgendeinem Sommermorgen –
Ein Schälchen Tau – Bienen, ein oder zwei –
Ein Windhauch – Rascheln in den Zweigen –
Und ich bin eine Rose!
Emily Dickinson (1830 - 1886) US-amerikanische Dichterin
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Gedichte aus aller Welt
22.12.2021 um 15:22
Auch wenn du dein Leben nicht führen
kannst, wie du es willst, um eins
bemühe dich zumindest so sehr du vermagst:
Würdige es nicht herab in etlicher Gebundenheit
an jedermann, in etlichen Betriebsamkeiten und Gerede.
Würdige es nicht herab, indem du’s
einbringst, ständig umtreibst und es
bloßstellst in Beziehungen und des Verkehrs
alltäglicher Torheit, bis es
dir lästig wird, wie fremd.
Konstantinos Kavafis / griechischen Lyriker
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Gedichte aus aller Welt
23.12.2021 um 16:45
So viele Weichen
so viele Kreuzungen
so viele Lichter
so viele Signale
und doch treu bleiben
meinem Weg
mir selbst
dem Ziel
und dir
Es ist die Treue
die mich
und dich
zum Ziele führt
François de La Rochefoucauld
Frankreich
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Gedichte aus aller Welt
26.12.2021 um 21:29
J. W. VON GOETHE
Die Frösche
Ein großer Teich war zugefroren;
Die Fröschlein, in der Tiefe verloren,
Durften nicht ferner quaken noch springen,
Versprachen sich aber, im halben Traum,
Fänden sie nur da oben Raum,
Wie Nachtigallen wollten sie singen.
Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,
Nun ruderten sie und landeten stolz
Und saßen am Ufer weit und breit
Und quakten wie vor alter Zeit.
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Gedichte aus aller Welt
26.12.2021 um 21:44
Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht!
Wer schweigt, dem tönt kein Echo hier auf Erden!
Weß Herz nicht dichtet, der faßt kein Gedicht,
Und wer nicht liebt, dem wird nicht Liebe werden.
Was ist der Geist, der nie zum Geiste spricht,
Der selbstgefällig will in sich verwesen?
Was ist ein Gemüt, das nie die Rinde bricht?
Was eine Schrift, die nicht und nie zu lesen?
Es findet jeder Geist verwandte Geister!
Kein Herz, das einsam ohne Liebe bricht!
Nur wer sich selbst verlor, ist ein Verwaister!
Wer keinen Frühling hat, dem blüht er nicht!
Johann Otto Prechtler
österreichischer Dramatiker
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Gedichte aus aller Welt
26.12.2021 um 21:45
Laß uns ein Licht sein auf Erden,
Und ein Beispiel steter Treu,
Frei, wie wir sind, andre werden,
Und zertritt die Tyrannei!
Gib, daß alle sicher wohnen,
Bis die Zeit die Pforte schließt,
Bis aus allen Nationen
Eine nur geworden ist.
Johann Kaspar Lavater (1741 - 1801),
Schweizer Theologe
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Gedichte aus aller Welt
26.12.2021 um 21:46
Die Katze
Komm, schöne Katze, und schmiege dich
An mein Herz, halt zurück deine Kralle.
Laß den Blick in dein Auge tauchen mich,
In dein Aug' von Achat und Metalle.
So oft dich mein Finger gemächlich streift,
Deinen Kopf und Rücken zu schmeicheln,
Und träumende Lust meine Hand ergreift,
Die magnetischen Glieder zu streicheln,
Schau ich im Geist meine Frau. Der Strahl
Ihres Blicks, mein Tier, gleicht dem deinen,
Ist tief und kalt wie ein schneidender Stahl.
In schmiegsamem Spiel haucht den feinen,
Gefährlichen Duft, wie Schmeichelgruß,
Ihr brauner Leib von Kopf zu Fuß.
Charles Baudelaire
(1821 - 1867), französischer Dichter
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Gedichte aus aller Welt
26.12.2021 um 21:48
Bilbos Abschied
Der Tag vergeht, das Licht versiegt,
doch lange Fahrt noch vor mir liegt.
Lebt wohl, ihr Freunde! Es ist Zeit.
Das Schiff am Kai, es steht bereit.
Weiß die Gischt und grau das Meer;
mein Weg führt nah der Sonne her.
Salz die Gischt und frei der Wind;
ich höre, wie das Meer erklingt.
Lebt wohl, ihr Freunde! Ich muß gehn.
Im Ostwind sich die Segel blähn.
Schatten tief sich vor mir neigt,
wo ewig sich der Himmel beugt,
doch Inseln liegen hinterm Tag,
die ich am Ende sichten mag,
Land, vom West gen Westen zu,
wo still die Nacht und tief die Ruh'.
Geleitet von dem Einen Stern,
der hinterm Deich erstrahlt so fern,
such' ich den Hafen frei und hehr,
den Strand am Sternerhellten Meer.
Schiff, mein Schiff! Es zieht mich fort
zum West, dem ewig seligen Ort.
Leb wohl nun, Mittelerde mein!
Ich seh' am Mast des Sternes Schein!
J. R. R. Tolkien
John Ronald Reuel Tolkien, britischer Schriftsteller
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Gedichte aus aller Welt
26.12.2021 um 21:50
AS TWO FAIR TREES
Lo! young we are and yet have stood
like planted hearts in the great Sun
of Love so long (as two fair trees
in woodland or in open dale
stand utterly entwined, and breathe
the airs, and suck the very light
together) that we have become
as one, deep-rooted in the soil
of Life, and tangled in sweet growth.
WIE ZWEI SCHÖNE BÄUME
Sieh! Jung sind wir, und haben dennoch,
gepflanzten Herzen gleich,
so lange schon in der großen Sonne der Liebe gestanden
(wie zwei schöne Bäume, die in der Waldung oder im offenen Tal
ganz und gar ineinander verschlungen dastehen
und gemeinsam die Lüfte atmen und das Licht einsaugen),
dass wir wie Eins geworden sind,
tief verwurzelt im Erdreich des Lebens,
und in süßem Wachstum ineinander verstrickt.
J. R. R. Tolkien
britischer Schriftsteller
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Gedichte aus aller Welt
26.12.2021 um 21:52
Ein Jahr
Nun starb das Jahr. Auch dieses ging daneben.
Längst trat es seinen Lebensabend an.
Es lohnt sich kaum, der Trauer hinzugeben,
weil man sich ja ein neues leisten kann.
Man sah so manches Jahr vorüber fliegen,
und der Kalender wurde langsam alt.
Das Glück gleicht eleganten Luxuszügen
und wir der Kleinbahn ohne Aufenthalt.
Im Wintersportgebiet hat's Schnee gegeben.
Wer Hunger hat, schwärmt selten für Natur.
Silvester kam und manches Innenleben
bedarf der fristgemäßen Inventur.
Das Geld regiert. Wer hat es nicht erfahren,
dass Menschenliebe wenig Zinsen trägt.
Ein braver Mann kann höchstens Worte sparen,
wenn er die Silben hübsch beiseite legt.
Die Freundschaft welkt im Rechnen mit Prozenten.
Bald siehst Du ein, dass keiner helfen kann.
Du stehst allein. Und die, die helfen könnten,
die sagen höchstens: ".. ruf uns doch mal an."
Nun starb ein Jahr - man lästre nicht am Grabe!
Doch wenn das Leben einer Schule gleicht,
dann war dies Jahr ein schwach-begabter Knabe
und hat das Ziel der Klasse nicht erreicht.
Tucholsky /deutscher Journalist und Schriftsteller.
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Gedichte aus aller Welt
26.12.2021 um 21:55
Erinnerung an Holland
Denk' ich an Holland,
seh' ich breite Flüsse
langsam durch unendlichen
Flachländer gehn'.
Die Reihen undenkbar,
schmale Pappel,
wie hohe Federn,
die am Horizont stehn';
und in den gewaltigen
Räumen versunken,
die Bauernhöfe
verstreut übers Land,
Baumgruppen, Dörfer,
stumpfartige Türme,
Kirchen und Ulmen
in einem großen Verband.
Der Himmel hängt tief
und die Sonne wird langsam
in grauen, mehrfarbigen
Dämpfe geschmort,
und in allen Landstrichen
wird die Stimme des Wassers,
in seinen ewigen Katastrophen
gefürchtet und gehört.
Hendrik Marsman
niederländischer Schriftsteller
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Gedichte aus aller Welt
27.12.2021 um 08:38
Arme, süße Piccola! Hast du gehört,
was mit Piccola passiert ist, liebe Kinder?
Es ist selten, dass das Glück solche Gunst gewährt,
wie es dieser kleinen Jungfrau von Frankreich zufiel.
Es war Weihnachtszeit, und ihre Eltern waren arm.
Konnten den Wolf kaum aus der Tür treiben,
Strebt mit dem geduldigen Schmerz der Armut
Nur um wieder bis zum Sommer zu leben.
Keine Geschenke für Piccola! Traurig waren sie,
als der Morgen des Weihnachtstages dämmerte;
Ihr kleiner Liebling konnte keine Freude rühren,
Nikolaus würde ihr nichts bringen!
Aber Piccola zweifelte nie daran,
dass
jedem Kind am Weihnachtstag etwas Schönes widerfahren muss ,
Und so schlief sie, bis die Morgendämmerung grau wurde.
Und voller Glauben, als sie endlich erwachte,
stahl sie sich an ihren Schuh, als der Morgen anbrach;
Solche Freudengeräusche erfüllten die ganze Luft. Es
war klar, dass St. Nikolaus dort gewesen war!
In gehetzter Piccola süß, halb wild:
Noch nie wurde ein so fröhliches Kind gesehen.
„Sehen Sie, was der gute Heilige gebracht hat!“ rief sie,
Und Mutter und Vater müssen hineinschauen.
Nun eine solche Geschichte, die jemals gehört hat?
Da war ein kleiner zitternder Vogel!
Ein Spatz, der am Fenster hereinflog,
Hatte sich in Piccolas winzigen Schuh eingeschlichen!
„Wie gut muss die arme Piccola gewesen sein!“
Sie weinte, so glücklich wie jede Königin,
Während sie den verhungernden Spatz fütterte und wärmte,
und vor Entzücken tanzte, war sie so verzaubert.
Kinder, diese Geschichte, die ich euch erzähle,
Von Piccola Sweet und ihrem Vogel, ist wahr.
Im fernen Frankreich sagt man,
leben sie noch heute.
(Celia Thaxter, 1835-1894, amerikanische Schriftstellerin)
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