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Gedichte aus aller Welt

813 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Literatur, Gedichte, Lyrik ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte aus aller Welt

24.12.2012 um 21:44

Heiligabend

An Heiligabend ist fürwahr für mich der schönste Tag im Jahr.
Der Weihnachtsbaum ist reich geschmückt, es duftet ringsum wunderbar.

Die Straßen, Häuser in der Stadt, sie leuchten hell zur Weihnachtszeit,
und ich genieße an dem Tag den lieben Frieden weit und breit.

Ich denke an den Gottessohn, das Leid der Menschen auf der Welt,
die Freudentränen und den Schmerz, denn niemand hat das Sein gewählt.

Die Chöre jubilieren laut, ich stimme froh mit ihnen ein.
Gemeinsam beten wir zu Gott, uns soll die Schuld vergeben sein.

Das Schenken macht mir große Freud’, erfüllt bin ich von Dankbarkeit.
Geborgen fühle ich mich heut’ und spüre auch Zufriedenheit.

Die nette Geste freut mich sehr, die Freundschaft, Liebe reflektiert.
Das Festmenü, der gute Wein, ich bin von allem sehr gerührt.

Und weil ich leider niemals weiß, was mir ein neuer Tag beschert,
behalt’ ich ihn in meinem Herz, bis Heiligabend wiederkehrt.

© Gabriele Noichl




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Gedichte aus aller Welt

24.12.2012 um 21:47

Ein seltsamer Wettkampf zum Heiligen Abend
oder:
Wem nur gebührt die Siegesehr?



Zum Weihnachtsmännerchampionat
stehn drei Experten schon parat,
die allesamt vor Ehrgeiz glühen
und große Kampfeslust versprühen.
Bereit steht auch die Jury schon,
um mahnend und mit Unterton
“Viel Glück!” zu wünschen, “Macht es gut!
Seht zu, dass ihr viel Gutes tut!”
Das Wettkampftrio, froh und wacker,
macht sich sogleich und flink vom Acker,
ein jeder denkend bei sich still:
“Ich siege, weil ich muss und will!”
Nun heißt es für die Jury harren.
Wie machen sich wohl die drei Narren?
Der Schnee fällt sanft, die Kerzen schimmern.
In allen Häusern, Stuben, Zimmern
versammelt man sich schon zum Fest.
Ein Heiligabend at it’s best.
Nur vier, fünf Stunden ist man fort,
dann steht bereit man zum Rapport.
Die Jury aber ist ganz Ohr.
Schon trägt der erste Kämpfer vor:

“Weihnachten ist das Fest der Rute!
Ich glaub im Kind nicht an das Gute!
Die Gören brauchen strenge Pflege.
Drum setzte’s bei mir viele Schläge.
Geschenke, Donner und Potzblitz!
gab’s heute keine, wär ja ‘n Witz!
Gott sei’s gedankt, dass sich zum Fest
endlich mal recht erziehen lässt.
Ich hab es hundert Pro erkannt:
Es hilft nur eine harte Hand!
Weil allein mein Weg richtig wär,
gebührt nur mir die Siegesehr.”

“Weihnachten ist das Fest der Liebe!
O gebe Gott, dass es so bliebe!”,
Erflüstert leis’, doch siegesfroh
nunmehr Wettkämpfer Nummer zwo.
“Die Rute ließ ich gleich daheim.
Man muss doch auch mal gnädig sein.
Ob Gameboy, Süßes, Quietscheente…
Von mir gab’s haufenweis’ Präsente.
Nur so – so höre man und staune –
hält man die Kinderchen bei Laune.
Weil allein mein Weg richtig wär,
gebührt nur mir die Siegesehr.”

“Nee, nee!” Der dritte Weihnachtsmann
ist zu berichten numehr dran.
“Wieso denn solch Extreme nur?
Von echter Liebe keine Spur!
Es braucht das Kind, Schockschwerenot!
die Peitsche und das Zuckerbrot!
Wenn’s artig war, kriegt es Geschenke.
Wenn nicht, so, Nummer Zwei, bedenke,
braucht es auch eine kleine Strafe.
Nur so erhält man liebe, brave
und wohlerzog’ne Kinderlein
vorm Weihnachtsbaum im Kerzenschein.
Weil allein mein Weg richtig wär,
gebührt nur mir die Siegesehr!”

Nachdem nun alles vorgetragen,
gilt’s bei der Jury anzufragen,
wer aber – und, ob knapp ob glatt –
das Championat gewonnen hat.
Die Wettkämpfer sind siegessicher
und – was noch viel verwunderlicher –
allsamt gewiss, dass ganz nach Plan
das Rechte heute man getan.
Die Jury muss nicht lange tagen,
geklärt sind längstens alle Fragen.
“The winner is… Der Sieger heute –
so geben wir bekannt, ihr Leute –
von euch drei Narren keiner, nein!
Wie kann man bloß so narrisch sein?
Wisst ihr denn nicht… Muss ich’s entschleiern,
weshalb wir heut´ die Weihnacht feiern?
Jesus, der Heiland ist geboren,
Er, der als König auserkoren.
ER starb in schweren Todesketten,
um uns Geschöpfe zu erretten.
Der Weihnachtsmann ist nur ein Schmarrn,
ist Lüge, ja beinah ein Wahn,
den sich die Menschen ausgedacht,
wahrscheinlich nach durchzechter Nacht…”

So spricht die Jury. --- Tief betroffen
und schwer enttäuscht nach allem Hoffen,
begeben sich die Weihnachtsmannen
mit ziemlich schnellem Schritt von dannen.
Und jeder weiß, dass er nicht wär
der Rechte für die Siegesehr.
Man schleicht nach Haus, man denkt viel nach.
Und überwindend alle Schmach,
den Ehrgeiz und das Lügenübel,
nimmt jeder gleich zur Hand die Bibel,
um nachzulesen: Was, Bittschön,
ist wirklich Weihnachten geschehn?
Und Gott allein – sonst keinem mehr! -
gebühret heut´ die Siegesehr…

© Arne Baie




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Gedichte aus aller Welt

24.12.2012 um 21:52
Ich möcht' in meinen eig'nen Versen
mich verstecken,
Damit, wenn du sie sprichst, ich deine
Lippen küsse!

Dschami


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Gedichte aus aller Welt

25.12.2012 um 00:43
Poesie: Hafez
Poesie: Hafez- Diwan



Lebenswasser

Jüngst in eines Morgens Dämmer ward ich meines Grams entbunden,

Ließ man mir im nächt’gen Dunkel helles Lebenswasser munden




دوش وقـت سحر از غصه نجاتـم دادند

واندر آن ظلمت شـب آب حياتـم دادند



Ward vom Strahlenlichtgefunkel Seines Seins mein Ich zunichte,

Ließ der Wein mich der Erscheinung Seiner Herrlichkeit gesunden.


بيخود از شعشـعـه پرتو ذاتـم کردند

باده از جام تـجـلي صـفاتـم دادند

O des Dämmers voller Segen, da man mir den Freibrief reichte,

O der Nacht, erfüllt von Heile, o der glücksdurchglühten Stunden.


چه مبارک سحري بود و چه فرخنده شبي

آن شـب قدر که اين تازه براتـم دادند

Jene Stunden, die mich schufen zu der Schönheit klarem Spiegel,

Der berufen ist, den Abglanz Seines Wesens zu bekunden.


بـعد از اين روي من و آينه وصف جـمال

کـه در آن جا خبر از جلوه ذاتـم دادند

Bin ich fröhlich, bin ich selig und voll Überschwang, was Wunders?

Ward ich doch der milden Gabe, die ich heimtrug, wert befunden.


من اگر کامروا گشتم و خوشدل چه عجب

مستـحـق بودم و اين‌ها به زکاتم دادند

Und die Stimme, die an jenem Tage ich so froh vernommen,

Sprach: Glück auf! – dir, der geduldig trug, die man ihm schlug, die Wunden.


هاتـف آن روز به من مژده اين دولت داد

کـه بدان جور و جفا صبر و ثباتـم دادند

Aller Honig, alle Süße, die aus meinen Worten träufeln,

Sie sind Früchte jenes Baumes, den ich durch Geduld gefunden.


اين همه شهد و شکر کز سخنم مي‌ريزد

اجر صبريسـت کز آن شاخ نباتـم دادند

Ja, dein hohes Streben, Hafis, und des Morgendämmers Odem

Haben aus den Grames-Banden böser Tage dich entbunden.


همـت حافـظ و انفاس سحرخيزان بود

کـه ز بـند غـم ايام نـجاتـم دادند

Übersetzung Johann Christoph Bürgel geb. 1931




Leicht ist die Lieb

Reich mir o Schenke das Glas, Bringe den Gästen es zu,
Leicht' ist die Lieb' im Anfang, Es folgen aber Schwierigkeiten.




الا یا ایها الساقی ادر کاسا و ناولها

که عشق آسان نمود اول ولی افتاد مشکلها



Wegen des Moschusgeruchs, Welchen der Ostwind geraubt
Deinen gekrausten Locken, Wie vieles Blut entfloss dem Herzen!


به بوی نافه‌ای کاخر صبا زان طره بگشاید

ز تاب جعد مشکینش چه خون افتاد در دلها

Kann ich genießen der Lust, In des Geliebten Gezelt,
Wenn mich zum Aufbruch immer, Der Karawane Glocke rufet!


مرا در منزل جانان چه امن عیش چون هر دم

جرس فریاد می‌دارد که بربندید محملها‌

Folge dem Worte des Wirtes, Färbe den Teppich mit Wein.
Reisende sind der Wege, Sie sind des Laufs der Posten kundig.


به می سجاده رنگین کن گرت پیر مغان گوید

که سالک بی‌خبر نبود ز راه و رسم منزلها‌

Finstere Schatten der Nacht! Wogen und Wirbelgefahr,
Können Euch wohl begreifen, Die leicht geschürzt am Ufer wohnen?


شب تاریک و بیم موج و گردابی چنین های

کجا دانند حال ما سبکباران ساحلها

Durch die befriedigte Lust, Ward ich zum Mährchen der Stadt,
Kann ein Geheimnis bleiben, Der Stoff der allgemeinen Sage?


همه کارم ز خود کامی به بدنامی کشید آخر

نهان کی ماند آن رازی کز او سازند محفلها

Wünschest du Ruhe Hafis, Folge dem köstlichen Rat:
Willst du das Liebchen finden, Verlass die Welt und lass sie gehen.


حضوری گر همی‌خواهی از او غایب مشو حافظ

متی ما تلق من تهوی دع الدنیا و اهملها

Übersetzung Joseph von Hammer-Purgstall gest. 1856



Leicht ist die Lieb

Auf, o Schenke, lass den Becher kreisen
Und dann reiche mir ihn freundlich dar,
Weil die Lieb', die anfangs leicht geschienen,
Schwierigkeiten ohne Zahl gebar.



Hoffnung, dass der Ostwind endlich löse,
Was an Duft in jenen Locken ruht,
Machte, dass ob ihren krausen Ringen
Jedes Herz beträufelt ward mit Blut.

Färbe dir den Teppich bunt mit Weine,
Wenn der Wirth, der alte, es dich heißt,
Denn die Wege und den Lauf der Posten
Kennt der Wandrer, der so viel gereist.

Geb' ich in des Seelenfreundes Hause
Jemals wohl mich dem Genusse hin,
Wenn die Glocke alle Augenblicke
Klagend mahnet: »Lasst uns weiter zieh'n!«

Finster ist die Nacht und bange Schrecken
Birgt der Welle und des Wirbels Schoss:
Die da leichtgeschürzt am Ufer weilen,
Wie begriffen sie mein hartes Loos?

Nur der Eigenwille gab am Ende
All' mein Handeln üblem Rufe Preis:
Bleibt wohl ein Geheimnis noch verborgen,
Das zum Mährchen wird in jedem Kreis?

Wenn, Hafis, du dich nach Ruhe sehnest,
So vergiss nicht, was die Lehre spricht:
»Hast du einmal wen du liebst gefunden,
Leiste auf die ganze Welt Verzicht!«

Übersetzung Vincenz Ritter von Rosenzweig-Schwannau gest. 1865


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Gedichte aus aller Welt

25.12.2012 um 00:56
Das Denkmal

An Denkmal hab' ich mir in meinem Volk gegründet,
Nicht Menschenhand erschufs, kein Gras bewächst den Pfad —
Doch stolzer ragt es auf als jenes das verkündet
Napoleon'sche Ruhmesthat.

Nein! ganz vergeh' ich nicht: mag auch zu Staube werden
Was der Verwesung Raub, der Leib den man begräbt —
Im Liede lebt mein Geist, so lange noch auf Erden
Auch nur ein einz'ger Dichter lebt.

Durch alles Russenland trägt meinen Ruhm die Muse,
Wo einst mich jeder Stamm in seiner Zunge nennt,
Der stolze Slave mich, der Finne, der Tunguse,
Wie der Kalmyk der Steppe kennt.

Und lange wird mein Volk sich liebend mein erinnern,
Weil ich es oft erfreut durch des Gesanges Macht,
Für alles Gute Sinn erweckt in seinem Innern,
Und den Gefallnen Trost gebracht.

O Muse! folge stets der Stimme deines Gottes,
Fürcht' nicht Beleidigung, nicht auf Belohnung sieh,
In Gleichmuth hör' dm Ruf des Ruhmes wie des Spottes,
Und mit den Thoren streite nie!

Von Alexander Puschkin, aus dem Russischem


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Gedichte aus aller Welt

25.12.2012 um 01:13
Ibn Hazm

Ich bewache meinen Blick,
Daß er nicht dein Aug erreicht,
Daß er kein tastend Mißgeschick
Mir dein Herz erweicht.

Geh dir also aus dem Wege,
Meide dein Revier,
Doch wenn ich mich schlafen lege.
Dann verein ich mich mit dir:

Laß die Seelen beieinanderliegen
Herz an Herz -
Körperloses, inniges Umschmiegen
Ohne Schmerz.

Die Vereinigung der Seelen
Spendet größre Lust
Als ein körperlich Vermählen
Brust an Brust.

Aus dem Arabischen von Janheinz Jahn


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Gedichte aus aller Welt

25.12.2012 um 01:15
Liebe denkt nicht

Für diejenigen, die mir herzlos das Herz brachen

Ich dachte, du hättest mich lieb

so wie ich dich.

ich dachte, wir werden zusammen

Sterne entdecken aus nächtlicher Sicht.

Ich dachte, wir werden jeden Augenblick

zusammen erleben.

Ich dachte, du hättest vor mir

nichts zu verbergen.

Ich dachte, ich sei deine Sonne,

die aufgeht am Morgen.

Ich dachte, dass Zeit für uns nicht zählt,

weil sie uns immer fehlt.

Nichts nutzt mir

das unnötige Denken nun,

denn das, woran ich dachte,

kennst nicht einmal du.

Ich dachte, der Traum von Liebe

erfülle sich,

doch es war keine Liebe,

denn liebe denkt nicht.

Magdalena Dybizbańska


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Gedichte aus aller Welt

25.12.2012 um 10:12

Ndipo patakamuviga pano

Ndipo patakamuviga pano,
Pano parukakangarabwe, muchivavani,
Pakati pezvimatombo nemiunga,
Kunge chiya chikara chesango,
Chisina achazocheuka mangwana.

Ndipo patakamuviga pano,
Pasure pekunge adauka pamberi pedu,
Achipika, uku rake gidi richipururudza,
Akananga kuvhurira vamwe tese nzira,
Kuti tiwane kubuda parumananzombe.

Ndipo patakamuviga pano,
Pasure pekunge adamburwa nemhandu,
Chake chifuva changova mamvemve,
Iro ivhu ramedza ropa, razvimbirwa,
Yeduwo misodzi ranwa, raguta.

Ndipo patakamuviga pano,
Amboswera, akavata, katatu,
Achibinyauka sedora riri muchainga,
Nyota achipomhodza nemisodzi,
Nzara achitapudza nemututu.

Ndipo patakamuviga pano,
Mazuva matatu ekupedzisira tashushana,
Achiti chindisiyai ndirote zvangu,
Imi muende mberi neChimurenga,
Isu tichiti, kwete, tiri tose muhondo.

Ndipo patakamuviga pano,
Tose tisingazivi kana chimwe chake:
Zita, mhuri, mutupo kana dzinza,
Zvose kwatiri ichingova mhindo.
Taingoziva: Uyu mwana weivhu!

Ndipo patakamuviga pano,
Pasina ngoma kana mhururu,
Kana muteuro kana detembo,
Kana chitombo kana chizhuzhu,
Kana urongwa hwekuzorova guva.

Ndipo patakamuviga pano,
Vake amai vanongova murima,
Vake baba hameno vakarotswa,
Rake dzinza kuti richazochenura?
Chinoziva chete ivhu: mwana rakamedza.

Ndipo paari, Komuredhi Kunozvarwa Vamwe,
Gamba rakaita muchato negidi,
Mhare yakachererwa imba nebhayoneti,
Ndokufukidzwa ivhu nemagaro epfuti,
Ndokuchemwa nezvipuka zvesango.

I-i-i-i-h! Varume!
Ndipo paari pano!
Ndipo ipo pano!




Chirikuré, Chirikuré
(Simbabwe)


Hier legten wir ihn zur Ruhe

Hier legten wir ihn zur Ruhe
Gleich hier in dieser steinigen, nackten Erde
Gleich hier inmitten von Dornenbüschen
Einfach hier, als wäre er eine Kreatur des Dschungels
Ein wildes Tier, ein Vieh, um das sich niemand schert

Hier liegt er begraben
Nachdem er uns allen vorausgeeilt ist
Heftig Fluchend, mit knatterndem Gewehr
Mit Feuer einen Fluchtweg bahnend
Einen Korridor für seine belagerten Kameraden

Hier legten wir ihn zur Ruhe
Nachdem der Feind ihn niedermähte
Seine Brust zerfetzt von heißen Kugeln
Die Erde unter ihm getränkt von seinem Blut
Wir, schießpulverschwere Tränen vergießend
(Und wir vergießen schießpulverschwere Tränen)

Hier liegt er begraben
Nachdem er drei Tage und Nächte lang
Sich wand wie ein lebendiger Wurm über dem Feuer
Seinen Durst mit Schmerzenstränen stillte
Und sein eigenes Blut leckte, um den Hunger zu täuschen.

Hier legten wir ihn zur Ruhe
Einen Mann, von dem wir nichts wussten
Nicht einmal Name, Familie oder Totem
Nur eins wussten wir ganz sicher:
Er war ein wahrer Sohn der Erde

Hier liegt er
Ein Kämpfer, der verheiratet war mit seiner Waffe
Ein Held, dessen Grab wir gruben mit Bajonetten
Ein Krieger, der den Staub zu seinem Grabstein hat
Ein Sohn der Erde, beweint von wilden Tieren

Chirikuré, Chirikuré
(Simbabwe)




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Gedichte aus aller Welt

25.12.2012 um 10:15

Nzvimbo dzemumabhuku

wese andaita mahwekwe naye
mubvunzo ndiwo mumwe chete:
kwakadini kwamanga mapota?

mhinduro ndinopa yepasi pemoyo:
kutaura zvese handingakwanisi
zvakapinda mumusoro zvinozadza dura

vose vanozoita kunge vapatika kuhope
vobvunza zvakare, uso vasunga:
gara zviya ndepiko kwawaiva?

handinonoki kudzora mhinduro:
ndaiveko kunyika yemutsindo
kumatunhu emuzinda weTimbouctou

vose vanokapaza misoro semabhuru
vopfipfidza vachinwa rukweza rwavo:
nzvimbo dzakadaro ndedzemumabhuku chete

ndinotsikitsira wangu musoro pasi
ndozvipodza hana nemashoko mumoyo:

Chirikuré, Chirikuré
(Simbabwe)



Orte der Fiktion

jedem Gesicht stellte sich
dieselbe Frage
nach Orten an denen ich gewesen bin

nur das Herz antwortet
der Mund ist schwach, doch
was im Herzen, ist füllt die Kornkammer

mit verträumten Gesichtern und Ungläubigkeit
stellen sie weitere verwunderte Fragen
fragen noch einmal, wo ich schon überall war

ich antworte prompt:
ich war im Land stummer Echos
in den Sanden des uralten Timbuktu

sie schütteln die Köpfe wie Stiere
und während sie trinken, lachen sie spöttisch:
solche Orte gibt es nur in der Fiktion

ich senke den Kopf
und tröste mein Herz mit labenden Worten:
die Gnade im Herzen gehört mir


Chirikuré, Chirikuré
(Simbabwe)




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Gedichte aus aller Welt

25.12.2012 um 11:53
Brücke


Dies ist eine Brücke in der Luft
Ich möchte die Brücke überqueren
Hinübergehen, hinübergehen
Berechtigungsschein?
Welcher Berechtigungsschein
Die Straße unter den Füßen bricht auseinander
Das ist nicht meine Schuld
Berechtigungsschein?
Keiner hat mir einen Berechtigungsschein ausgestellt
Ich bin der Berechtigungsschein
Hinüberzugehen ist doch gerade der Grund, nicht aufgehalten zu werden
Ich muss meinen Weg fortführen
Das Ziel ist noch nicht erreicht
Berechtigungsschein?
Eine Stange Triple Five's Zigaretten
Gemeine Methode
Hehres Ziel
Berechtigungsschein?
Lass mich richtig raten
Diese Brücke lässt sich nicht überqueren
Welch trügerischer Wohlstand
Diese Brücke kann keine Substanz tragen
Dies ist eine Brücke in der Luft


Yi Lei (Chnia)


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Gedichte aus aller Welt

25.12.2012 um 13:17
(Autor: Yabgu)

Piepmatz DesignNigeria, ein bekannter Name und bekanntes Wort,
weit entfernt, und ein uns jedoch fremder Ort,
viel habe ich über ihre Steppen gehört,
eure Bewohner der Wildnis haben mich betört,
ihre Natur und endlosen Landschaften,
ein Bild von euch blieb in mir haften.

Die Sonne als rotes Feuer erscheint
Und lange Schatten streckt zu Weiten,
du bist die Macht die alles Vereint,
All Existenz, blicke werden geneigt
und gewendet zu deinen Seiten.

Nigeria, ich kenne dich nicht,
nur Kampf und Streit der in dir ausbricht,
jeden Tag gibt es mehr als ein Leben das erlischt,
Du bist uns nicht wohl bekannt, es gibt keinen Neid um dich.

Soldaten stolzieren mit Stahl und Macht,
ich höre im Kugelhagel wie das Herz einer Mutter bricht,
die Angst endet nicht,
weder bei Tag noch bei Nacht.

In der Zeitung stand etwas von Aufstand,
Rebellen terrorisieren das Land,
wer wurde exekutiert an der Wand,
Kämpfer für Freiheit, Frau und Mann.

Menschen der Unschuld gab es nie,
Grenzen und Ländereien keine Idee,
das Staatswesen entstand und verlangte viel,
das Volk war dagegen, so entstand der Krieg.

Das Globale denken war ihr Henker,
überall gab es plötzlich falsche Denker,
dieser Einbruch verbreite sich schnell wie ein Virus,
Immun waren viele, doch damit war nicht Schluss.


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Gedichte aus aller Welt

25.12.2012 um 14:02
Harzreise im Winter

Dem Geier gleich,
Der auf schweren Morgenwolken
Mit sanftem Fittich ruhend
Nach Beute schaut,
Schwebe mein Lied.

Denn ein Gott hat
Jedem seine Bahn
Vorgezeichnet,
Die der Glückliche
Rasch zum freudigen
Ziele rennt;
Wem aber Unglück
Das Herz zusammenzog,
Er sträubt vergebens
Sich gegen die Schranken
Des ehernen Fadens,
Den die doch bittre Schere
Nur einmal löst.

In Dickichts-Schauer
Drängt sich das rauhe Wild,
Und mit den Sperlingen
Haben längst die Reichen
In ihre Sümpfe sich gesenkt.

Leicht ist's folgen dem Wagen,
Den Fortuna führt,
Wie der gemächliche Troß
Auf gebesserten Wegen
Hinter des Fürsten Einzug.

Aber abseits, wer ist's?
Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad,
Hinter ihm schlagen
Die Sträuche zusammen,
Das Gras steht wieder auf,
Die Öde verschlingt ihn.

Ach, wer heilet die Schmerzen
Des, dem Balsam zu Gift ward?
Der sich Menschenhaß
Aus der Fülle der Liebe trank!
Erst verachtet, nun ein Verächter,
Zehrt er heimlich auf
Seinen eignen Wert
In ung'nügender Selbstsucht.

Ist auf deinem Psalter,
Vater der Lieb, ein Ton
Seinem Ohre vernehmlich,
So erquicke sein Herz!
Öffne den umwölkten Blick
Über die tausend Quellen
Neben dem Durstenden
In der Wüste!

Der du der Freuden viel schaffst
Jedem ein überfließend Maß.
Segne die Brüder der Jagd
Auf der Fährte des Wilds,
Mit jugendlichem Übermut
Fröhlicher Mordsucht,
Späte Rächer des Unbills,
Dem schon Jahre vergeblich
Wehrt mit Knütteln der Bauer.

Aber den Einsamen hüll
In deine Goldwolken!
Umgib mit Wintergrün,
Bis die Rose wieder heranreift,
Die feuchten Haare,
O Liebe, deines Dichters!

Mit der dämmernden Fackel
Leuchtest du ihm
Durch die Furten bei Nacht,
Über grundlose Wege
Auf öden Gefilden;
Mit dem tausendfarbigen Morgen
Lachst du ins Herz ihm;
Mit dem beizenden Sturm
Trägst du ihn hoch empor.
Winterströme stürzen vom Felsen
In seine Psalmen,
Und Altar des lieblichsten Danks
Wird ihm des gefürchteten Gipfels
Schneebehangner Scheitel,
Den mit Geisterreihen
Kränzten ahnende Völker.

Du stehst mit unerforschtem Busen
Geheimnisvoll offenbar
Über der erstaunten Welt
Und schaust aus Wolken
Auf ihre Reiche und Herrlichkeit,
Die du aus den Adern deiner Brüder
Neben dir wässerst.

Johann Wolfgang Goethe


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Gedichte aus aller Welt

25.12.2012 um 22:42

Stromberg
(ein Nachtstück)

Noch raget Stromberg aus den finstern Fichten
Die Felsenburg, es wölbt sich klar und kühn
Der sternenvolle Himmel drüber hin,
Er weiß sie nicht die weinenden Geschichten.
O stille Nacht! Du ewig sanftes Licht
Des Mondes du erlischest nicht,
Wenn Lieb, Verzweiflung, Tod und heiße Trauer
Als Geister stiegen aus geborstner Mauer,
Dich anzuwimmern schmerzlich laut
– Du strahlest weiter, ohne daß dir graut.
Ist Frevel selbst so nichtig hohl so todt
Schon durch Vollbringen, daß doch lieblich Roth
Des Ostens Wange mag verklärend schmücken?
Als lauerten allwegs nicht bleiche Tücken,
Als wäre Friede nie gebrochen worden,
Als wäre Blutschuld nur das blutge Morden!

War Dagoberts Vertrauen werthlos so,
Daß Kunos Busen nicht die Freude floh?
Unbändig Jauchzen, freche Lust und Toben
Ist das bei Schmerz und Wahnsinn nicht zerstoben?
Wo Freunde stumm, erbleichten Angesichts,
Hinwandeln, fühlt, empfindet Kuno Nichts,
Wo ihre Schönheit edle Fraun vergessen
Wo Kinder denken, Knechte sittsam werden,
Blödsinnige Greise feurig sich geberden,
Wo Thoren scheu entsagen ihren Spässen
Ist Kuno prahlend beim Gelag gesessen!

Zwei Brüder waren, also ungefähr
Hub oft schon an manch schlimme dunkle Mähr,
Zwei Brüder waren, ihres Stamms die letzten;
Herangeblüht bei ritterlicher Lust,
Der Jugend froh, des kühnen Arms bewußt,
Beschirmer der Gekränkten und Gehetzten.
Gefürchtet und geliebt, weil stark und gut,
Weil unverzagt, bereit, und wohlgemuth.
Und anders nicht erschienen sie der Welt,
Eh Leidenschaft getrennt, was treugesellt,
Eh Neid die gute Art in Kunos Brust getrübt,
Eh Dagobert gelitten und geliebt.

Des Jünglings Seele ist ein edler Wein,
Ein kühler Hauch – und er wird Essig sein,
Des Jünglings Herz ist eine keusche Frucht,
Sie fault, hat sie der Wurm besucht.

Auf Salecks Söller stand im Wind
Gunild die schöne, Bodos Kind,
Auf ihrem süßen Antlitz lag
Die Schönheit wie ein Maientag ...
Der Schleier und die Locke wallt
Um ihre festliche Gestalt,
Sie schauet ernst und bang hinaus
Ins offne Land vom steilen Haus,
Sie winkt und weint, sie jubelt auf,
Als durch die staubge Wolke fern
Gewaffnet blitzt ein Männerhauf –
Wie durch den Nebel Stern an Stern.

Die Brüder sinds, es fliegt voran
Sieghaftes Banner, da sie nahn,
Das Freudenlied erschallt wild laut,
Held Dagobert holt seine Braut!
Draus auf der Haide stirbt im Blut
Graf Gregor, deß gestrenger Hut,
Aus Einsamkeit und Kümmernissen
Die holde Mündel jetzt entrissen.
Das Bild ergriff der Männerherz,
Gunild im Arme Dagoberts!
Weß Auge flammte da nicht kühn,
Wenn ihm solch edel Bild erschien?
Das Herz, in schönem Traum verloren,
Hat Lieb und Treue neu beschworen.

Nun durch verwaister Erbin Hand
Gebieter über Burg und Land,
Wünscht Dagobert den süßen Bund
Geweiht durch priesterlichen Mund,
Begehrt, von Minnedurst entflammt,
Des Bischof Burkhard heilig Amt.
Der spricht: Mein Sohn, die Kirche flucht,
Wenn frecher Frevel Segen sucht.
Dem Räuber wehrt sie den Altar,
Sie zürnt so lange Gott gekränkt,
Sie heischet Sühne durch Gefahr,
Bevor sie Schutz und Friede schenkt.
Zieh aus mit der bekreuzten Schaar,
Die früher nicht an Rückkehr denkt,
Als Gottes Grab der Feinde baar;
Zieh hin! und so im dritten Jahr
Der Himmel deine Schritte lenkt
Zur Heimath wieder wunderbar,
Sei neue Buße dir geschenkt,
Dann bring Gunilden zum Altar!

Der Bischof Burkhard rächte seinen Neffen ...
Der Bischof weiß zu tödten und zu treffen.
Des Neffen Hoffnung losch mit Gregor aus,
Der Bischof Burkhard rächt sein edles Haus –
Rächt hoffnungslos, denn Jener auch ist todt,
Ihn schlug der Zorn nach wilder Herzensnoth,
Da man ihm redet von der Brüder Sieg,
Fraß Fieber ihn, bis all sein Leiden schwieg.
Des Bischofs Harm gebiert des Hasses Witz;
Des Hasses Opfer trifft der Rache Blitz;
Es wirkt der Bann. Gunild, die schöne Braut
Dem Bruder Kuno wird sie anvertraut,
Behüten soll er sie bis Dagobert
Vom Bann entsühnt, geläutert wiederkehrt.
Doch wie wird Schönheit er bewachen?
Wird während also banger Hut
Ihr hoher Liebreiz nicht entfachen
In Kunos Busen böse Gluth?
Wird Kunos Herz der Lockung widerstehn,
Wird Dagobert die Braut einst wiedersehn?
Wird Mißgunst, Zwietracht nicht entbrennen,
Den Bruder von dem Bruder trennen?
Hat Bischof Burkhards Haß auch dies bedacht,
Als er sie hingab in des Jünglings Macht?

O hinterlistig, feig und schnöd Geschick!
Zertreten durch den Sieg, verarmt durch Glück!
Am Ziel vernichtet stehn, mit rauhen Worten
Hinabgedonnert sein an Himmelspforten;
Von Angst gejagt, im Ohr des Fluches Schall,
Zurück dem lautlos leeren, tauben All
Zu fallen in den nebelweiten Schoos!
O welch ein bitter, welch ein starres Loos!

Und seine Braut sah Dagobert nicht mehr.
Der strenge Spruch raubt ihm ein letzt Gehör,
Weigert Umarmung, Kuß, und heißer Treu
Gelübd in liebe Hand zu legen,
Versagt, daß Lieb den heilgen Bund erneu,
Versaget Abschied auf der Trennung Wegen.
In stille Zelle schwankt der Ritter fort,
Des schlichten Klausners mildes Wort
Zu suchen, das ihn oft erbaut,
Weil mit Natur und Menschenherz vertraut.
Dort in der Wälder Gottesfrieden
Wohnt Weisheit, von der Welt geschieden,
Dort ist die Würde nicht, die straft und flucht,
Dort lebt die Liebe, die nach Herzen sucht.
Er tritt hinein – der Vater doch, der Freund
Liegt heut entseelt – nur karge Lampe scheint
Aufs Antlitz ihm – wein und verweil!
Hier starb der Trost, verwest das Heil.

Rings öde Nacht – ein Todesschweigen.
Da flackert vor dem müden Aug
Ein Endchen Docht und will sich neigen,
Es glimmt nur noch und kämpft mit Rauch.

Umsonst, daß ich es mir verhehle,
Wie rings um mich es werden will –
O müder Geist, o müde Seele –
Verdüstert, nächtig, grabesstill.

Die Freuden dieses Lebens starben!
Dem Schmerze hingeopfert sein!
Ich kann nicht darben lernen, darben!
Ein Fünkchen Hoffnung ist nur mein.
Ihr Stürme fanget an zu rasen
Draus in der mondenlosen Nacht!
O hört ich eure Pfeifen blasen –
Musik, die jetzt mich munter macht!

Dem Bruder nur, dem theuren, er vertraut;
Er rettete, er schirmet nun die Braut!
Auf! wappne dich mit Stahl und frohem Muth,
Der Bruder ist kein Schelm, stets war er gut.
Ist er geprüft –? wozu, er ist wie ich;
Mit ihm wie oft verwechselten sie mich!
O Dagobert, du selbst so rein und klar,
Wie brächte Argwohn deinem Muth Gefahr?
Ein edler Sinn – ob unklug – hat doch Recht,
Auch Kuno fühlte so, und sein Gefühl war ächt.
Wer ahnt nach heitrer Tage Schein
Die Athmosphäre nimmer rein,
So lange doch kein Wölkchen steigt,
Die Ferne sich nur klarer zeigt,
Und tiefer nur des Himmels treues Blau,
Allmälig wandelt sichs in Grau.
Ein Windhauch, unbekannt woher,
Kaum fühlbar traf der Dünste Meer,
Das noch zuvor, durchsichtig ganz,
Der Sonne lieh nur reichern Glanz.
Jetzt wogt in Nebelwolken schwer
Der weite Himmel ringsumher.
Wie schwand der schöne Tag dahin?
Das treue Blau, das ewig schien?
Vorbei das Alles – über Berg und Thurm
Gesammelt schwebt der Wettersturm.

Zwei Sommer schon begrub Gunildens Gram,
Gunildens Hoffnung in Vergessenheit;
Der dritte Lenz bringt ihr den Bräutigam,
Das ist ja Trost in allem Leid.
Wie schön, in allem Leid, sie blieb!
Welch Feuer süßer Sehnsucht Trieb
Stets über Blick und Miene groß,
Dann ihren edeln Geist erschloß,
Und wie Gesang die Rede floß;
Wenn sie dahinschritt hehr und leicht,
Und lächelte, die Wimper feucht,
Wenn das holdselge Schwesterpaar
Schwermuth und Anmuth den Altar
Auf ihrer Stirne weihte, war
Kunos berauschte Phanthasie
Der Zügel und Beherrschung baar,
Und der Gefühle Aufruhr lieh
Ihr neue Flügel Jahr um Jahr;
Der Sturm in seines Busens Höhle,
Der das Gewissen überschrie,
Treibt an den Abgrund seine Seele.
Maßlose Mißgunst taucht empor –
Verfallen der Dämonen Chor
Ist, wer sein bessres Selbst verlor.
Scham, Würde, Schonung, Ritterpflicht
Kennt Kuno, der Bestrickte, nicht:
»Sei mein, auf Monden nur sei mein,«
Stöhnt, bittet, droht, rast seine Pein.
Standhaftigkeit erschüttert ihn,
Macht wilder ihn, erbittert ihn,
Zorn, Haß, Verachtung, Abscheu jetzt
Strömt Kälte in die Brust zuletzt,
Die ehmals leicht bewegte Welt
Der Seele ist erstorben schnell,
Ein Stoß, sie starrt, sie wird zu Eis,
Spröd, hart und fühllos – Niemand weiß
Wie plötzlich das – so unbewußt
Reift Rauheit in des Jünglings Brust,
Verdruß besiegt den siechen Mann,
Er ahnt es kaum, und ist – Tyrann.

In Syriens Wüste irrt das Christenheer,
Der Mönch von Clairvaux eiferte nicht mehr.
Vom herrlichen Damaskus weggeschreckt,
Wird neue Streitglut nimmer ihm geweckt,
Geschlagen und zerstreut, von Gott verlassen,
Verwildern die bestürmten Völkermassen;
Nur Kaiser Konrad wankt nicht in der Noth,
Des Heeres Helden sammelt sein Gebot,
Zur Heimfahrt rüstet sich sein großes Herz,
Ein hoher Geist verwaiset nicht durch Schmerz.
Es schmachtet fern das Reich nach seiner Kraft,
Die bald Verrath und Abfall niederrafft,
Die nun als Leuchte leitet in der Nacht,
Und tapfern Mann zum übermüthgen macht.
So reiten sie durchs unwirthbare Land
Auf müden Rossen, Schwerter in der Hand.
Auch Dagobert weiß seinen Muth beseelt,
Den tiefre Wund als die durch Schwerter quält;
Sein wildes Elend blutet in der Stille,
Doch hält im Sattel ihn der trotzge Wille!
Gerüttelt ist ihm der Entbehrung Maß,
Daß traun vor Leid er Mangel längst vergaß.

Ihn jagt geheime Angst des Herzens, ihn
Spornt über Land und Meer ein Stachel hin,
Der üppig wächst und wühlt, genährt vom Born
Der Sehnsucht – ach, der Liebe Rosendorn!
Voraus dem Schwarm der Besten und Getreun,
Mag weder Reiz ihn noch Gefahr zerstreun.
Lockt nicht Achajas blaue Wasserflur,
Des wälschen Himmels seelentief Azur?
Ihn drückt, beklemmt der schöne Himmel nur.
Normännisch Ritterspiel es fesselt nicht?
Die Ehre nicht, der Männer Schmuck und Pflicht?
Verdorret auch sein thränenreicher Harm
Nicht an Siziliens glühenden Frauenblicken,
Und Romas Wunder will ihn nicht berücken,
Ist denn die Welt an Zaubermacht so arm?
Am Rheine dort, daß er nicht rasten mag!
Kein Kirchenfest, kein hoher Fürstentag,
Kein Hader der Parteien, kein brüderlich Gelag
Hält ihn zurück, der unaufhaltsam eilt,
Dahin, wo die Geliebte weilt,
Dahin, wo Hast und Harm des Herzens heilt.

Nach heißer Wandrung steht am Ziel,
In seiner Heimath Dagobert,
Noch lebt im Wald das alte Spiel
Der muntern Sänger, einst so werth,
Noch grünt so frisch der Wiesengrund,
Noch lacht die Flur, der Anger bunt,
Der Tannen Ernst, der Felsen Majestät
Faßt die gerührte Seele, weht
Friedreiche Stimmung ins Gemüth,
Bis ihm die Zähr im Auge glüht.
Werd ich die Braut auch wiedersehn?
Dich Stern in Wirrfal, klar und schön?
Dem ich wie der Pilot im Meer
Vertraute, voll der Wiederkehr,
Dich einzgen Trost dem wunden Mann,
Dich Führerin durch Nacht und Bann;
Geliebte Braut, werd ich dich schaun,
Huldreicher Ruhm und Preis der Fraun!
Soll, Stern, verkümmert dir dein Licht,
Sollst du erloschen sein, ich trüg es nicht.
Soll all der Kampf, die Gluth, die Pein
Umsonst, ziellos gewesen sein?
Ich trüg es nicht. Jetzt fern der Noth,
Erloschen du – dies nur mein Tod!

Als über des Gebirges Kamm
Der Sonne Feuerball nun schwamm,
Und abentheuerliche Züge
Um flüchtge Wolken wundersam
Der Abend schrieb mit goldner Schrift
– Ein Sinnbild gleißnerischer Lüge –
Als tiefe Schatten auf die Trift
Sich senkten, schritt zum Schloß hinan
Der Held, ein Pilger angethan.
Lauttosend und geräuschvoll schallen
Die Tritte durch die weiten Hallen,
Graunhafte Stille birgt der Ort,
Kein Gruß, kein gastlich Menschenwort,
Wohl rostet in den Gängen hin
Gewaltger Waffen manche dort,
Manch gute Rüstung, dran Gespenster
Um Mitternacht vorüberziehn,
Sprüht durch die farbgen Bogenfenster
Unheimlich Feur in Mondenhelle,
Sich scheu bewegend von der Stelle.

Horch! hastge Männerschritte nahn,
Klirrt Kettenklang nicht leis heran?
Umringt von Knechten sieht der Herr
Sich plötzlich, in der Väter Hallen,
Gefesselt, ein Gefangener,
Von stummen Häschern überfallen.
Hinweggeschleppt in Kerkernacht
Durch welche Tücke, welche Macht?
Herrscht Kuno hier, der Bruder, wie?
Nein, frevle nicht, bestürzte Phantasie!

Wenn Ingrimm über Arglist schäumt,
Wird schlaflos wohl die Nacht durchträumt.
Die Nacht, die Schlummer einst gebracht,
In Qual und Brüten jetzt durchwacht,
Die Nacht war um, doch Frühlicht schien
Nur spärlich auf das Gitter hin,
Wie Rosen nicht, die Freuden künden,
So quälend düster war die Gluth,
Und leuchtet doch – tagscheu Empfinden
Weckt sie wie frischvergossen Blut!
Vergebens dann winkt auch der Tag mit Licht,
In seine Seele trägt er Klarheit nicht;
Der sonst Geduld und Sanftmuth leihen mag,
Ihm gibt Verzweiflung nur der junge Tag:
Das Mißtraun wuchert, Unruh reift
Zur Wuth, bis Hohn das Herz ergreift,
Und bittres Lachen wild erschallt,
Vom hämschen Echo nachgelallt;
Die Wände knirscht er an, es schleicht
Entsetzen her, bis dies auch weicht,
Bis Schmerz und Trübsal ihn läßt stumm –
In ihm Verödung und ringsum.

Wohl ausgeklügelt war der Plan,
Und sein Gelingen nun kein Wahn.
Verbrecherischen Anschlags voll
Die schnöde Seele Kunos schwoll,
Seit jener Stunde, da Gunild
Sich wehrte mit des Spottes Schild,
Ohnmächtig doch, zu fliehn die Schmach,
Sich fern im einsamen Gemach
Des Hüters Aug verborgen hielt,
Der auf Gewaltthat schon im Stillen
Gesonnen, die entschlossne Maid
Zu unterwerfen seinem Willen,
Zu rächen sich an Weibergrillen
Für diese Zeit und alle Zeit.
Da wars, daß aus der Wächter Troß,
Die täglich spürten um das Schloß,
Ihm unerwartet Kunde schallt,
Es irre Dagobert im Wald,
Als rauher Pilger angethan –
Doch Häscher kennen ihren Mann.
Wie? lähmt der Schreck des Schlauen Hirn,
Ist Etwas, ihn auch zu verwirrn?
Der Vorbereitete erblaßt,
Dem, ohne Ruhm, Gefahr verhaßt,
Der einst ein ritterlicher Held
Muthlos in eigner Schlinge fällt;
Ein finster Thun, voll Schadenlust,
Sät still in sorgenschwere Brust
Der Furcht geheimen Samen aus,
Deß wird sich Kuno heut bewußt,
Und dies Gefühl ist Seelengraus.

Der Bruder hier? das Wort betäubt
Den Teufel – der doch Teufel bleibt.
Es war ein Donner in den Ohren,
Gleichviel, er hat die Kraft verloren.
Die Rachgier siegt, Besinnung sucht
Sein Stolz vor des Momentes Wucht,
Der bald, von bangem Wahn geheilt,
Sich jähe Bahn zu brechen eilt.
»In meine Hand sind sie gegeben,
Für den Geliebten soll sie beben!
Der Lohn ist ausgesucht, er trifft
Den Starrsinn, er ist Schmerzengift.
Die Hölle schenkt mir den Gedanken,
An keiner Reue soll er kranken!«

Das Alles hat nun kommen müssen –
Doch der Verrathne solls nicht wissen.
War noch ein Funke der Natur
Im Bruderherzen, war es nur
Mehr Grausamkeit, mehr Hohn den Beiden?
Ich will es nimmermehr entscheiden.

So Viel hat Kuno schon gewagt,
Gelitten und blieb unverzagt.
Der klug und fest bis heute war,
Soll er zurück in der Gefahr?
Er gibt Befehl, für Nacht und Tag,
Für Alles, wie es kommen mag –
So schmiedete, der sich entehrt,
Dein Loos in Ketten, Dagobert!

Und vor die hehre Dulderin
Tritt ohn Erröthen Kuno hin;
Vergeudet der Verführung Ton,
Wo er schon wagte Schmach zu drohn.
Auf seiner finstern Braue sitzt
Verrath und Wollust, roh verschmitzt,
Die Geister, voll verruchter Launen,
Die, was er spricht, ins Ohr ihm raunen:
»Gunilde, Wittwe tugendsam,
Braut ohne Freud und Bräutigam,
Bangst unter der Entbehrung Joch,
Und harrst und hoffst, Gunilde, noch!
Wohl Sünde ist, sein Pfund vergraben;
Dein Pfund ist Schönheit, du verscharrst
Der süßen Reize Gottesgaben,
Da du in Thorheit hoffst und harrst.
Schon ist der dritte Lenz entflohn,
Und doppelt ward die Kunde schon
Vom Untergang der Glaubenshelden.
Wer soll die frohe Botschaft melden?
Und, lebt er auch, der nie war scheu,
Wer ist die Bürge seiner Treu?
Des Schattens Schatten jagst du nach,
Spinnst kranke Träume, werde frei,
In meinen Armen werde wach!
Auch ich bin Dagobert, sein Blut
Ist meines und ich bin dir gut.
Wer sagt, daß ich dem Bruder wich?
Dein Retter war, dein Freier ich;
Ich zürnte dir im blinden Wahn –
Vergiß daß ich dir weh gethan!«
Sie hörte nimmer. Abscheu brach
Der Seele Spannkraft, doch sie sprach:
Gib mir den Tod! dann sank sie nieder.
Und schwieg, niemals zu reden wieder.
»Ha, Falsche, du betrügst mich nicht!
Nun schmettre Wahrheit ihr Gewicht
In meine Schale, dein Gesicht
Wird schaudernd sehn, was dich wird stimmen
Nach Kunos Sinn, dem heut erst schlimmen!
Auf, folge mir! und dieses Tuch
Für deine Zunge, schwer von Fluch!«
Der Arge winkt, die Schergen stehn
Bereit zu knebeln und zu binden
Die Jungfrau, deren stummes Flehn
Dem Himmel gilt, den Trost zu finden.
Sie zittert, doch kein Klagelaut
Kein bittend Wort entweiht die Braut,
Des Todes Braut, denn was nun komme,
Das Herz wird brechen, weiß die Fromme;
Sie fühlt es tief, vor höchster Noth
Vertheidigt sie ein Freund, der Tod.
Man führt sie durch des Hauses Flur,
Sie wehrt nicht ab, sie betet nur;
Man hält, ein eisern Fenster knarrt
Und fällt zurück – Gunilde starrt,
Es taucht ihr Blick in nächtgen Raum,
Er schwindelt, unterscheidet kaum,
Doch langsam dämmert Stein an Stein
Des Kerkers auf zu mattem Schein,
Und aus dem Düster zeichnet bald
Sich eine lebende Gestalt
Graunhaft hervor, weh! brichst du Herz?
Das sind die Züge Dagoberts!
Der Freude Schrei, des Schreckens Schrei
Ist ihr versagt – o Himmel steh ihr bei.
Freu dich des Wiedersehns, mein Kind!
Grinst Kuno, der Verderben sinnt,
Sich an dem Schmerz des Weibes weidet,
Und doch die bittre Wonne neidet.
Wie? das zermalmende Gefühl
Wirft sie nicht hin, sie steht und schaut
Hinunter auf den harten Pfühl,
Drauf der Geliebte hingegossen
Den Sinn der Außenwelt verschlossen –
So nah, so fern der theuern Braut!
Grausame Lust, das Glück mit Martern geben,
In Einem geben und auch nehmen Leben.
War Tyrannei vom grauen Ninus her
Erfinderischer, boshaft, schamlos mehr?
Verbissner Aerger schlürft in gierigen Zügen
Solch schnöden Kelch, solch schmähliches Vergnügen.
Scheußlichen Scharfsinns feige Ausgeburt
Ist diese That – nein, That der Ehrenname
Ziert Treiben nicht, wo selbst der Schurke murrt,
Und nimmer faßt, der ganz empfindungslahme.
Das ist nicht Haß mehr, wildes Spottgelüst,
Das ist ein Streich, der ohne Namen ist.
Empört dich nicht dein Athem, o Tyrann,
Nicht deine Hand, dein Hirn, das Solches sann,
Dein Auge ärgert es dich nicht,
Daß es verdammet, anzuschaun,
Was du begehst im reinen Himmelslicht,
Bist du so elend, daß dir nicht wird graun?

O er ist kein Tyrann – denn Zorn und Rachgefühl
Und Leidenschaft und Hohn ist doch Gefühl,
Ist Regung in der Menschenbrust und Leben,
Zeigt Menschensinn und wird von Gott vergeben.
Jedoch ruchlose Oede der Natur
Noch mehr denn Stein, o, Schlacke nur,
Verachtet wird sie sein, verflucht, verspeit,
Verworfen wird sie sein in Ewigkeit.

Kuno ist nicht empört, und sieht Gunilde weinen,
Gunilde weint, ein Engel weint aus ihr!
O Thau des Himmels, diese Thränen scheinen
Im eignen Licht, das ist nicht irdsche Zier.
So milder Glanz, so rührend blickt dies Funkeln,
Gib Schächer Acht, es leuchtet fern im Dunkeln!
Dies Leuchten spricht, beredtren Jammer nie
Sog Menschenohr, sann Liebesphantasie.
Ha! Dagobert merkt auf, zum Innern dringt
Es ihm wie Blick und Ton, der ganz ihn zwingt,
Wehmüthger Schmerz durchschüttert, schauert
Das Mark des Seins und jede Fiber
In willenlosem Eifer lauert,
Wies im Gemüth ihm trüber wird und trüber,
– So tief hat seine Seele nie getrauert.
Als wie vom Blitz gerührt zerschmolz
Die ehrne Säule – Mannesstolz;
Die Fassung dämmert ein, es überzieht
Des Geistes holde Freiheit sich mit Schleiern,
Des Leibes Luft, der Lebensmuth, entflieht,
Und selbst die Sinne feiern.
Dann schwärzre Nacht und Hoffnungslosigkeit
Dünkt ihm zu nahn, noch bittrer Leid
Unsäglich bittrer Leid, und nur für das
Bleibt Kraft des Grübelns ihm, Traumlüsternheit:
Ihm ist, im Grab zu sein, es wächst das Gras
So langsam leise über all sein Leid,
Er lauschet dem, fühlt über sich die Nähe
Der Freunde, der Geliebten und ihr Wehe.
So klar, so einzeln jeglich neue Welle
Des Grames spült durch seines Blutes Quelle,
Sein todmüd Herz.
Und unerbittlich reifen die Gedanken
Dem Ziele zu in seinem Geist dem kranken.
Er weiß, daß er noch ist, daß ewge Nacht
Liegt hinter ihm und vor ihm Tag nicht wacht,
Das ist so deutlich, ohne daß es frommt,
Er staunt, daß so der Wahnsinn kommt.

»Genug! herrscht der Barbar, schleppt sie zurück!
Kein Trotz mehr blitzt aus ihrem – sanften Blick.
Nun höre dies, mein Täubchen, und sei klug,
Willst du nicht sein, die ihren Freund erschlug.
Es ist Vernichtung über ihn verhängt,
Es ist kein Gott, der seinen Kerker sprengt,
Es ist beschlossen – und sein schönes Haupt
Dem Tod verfallen, doch dir ungeraubt;
So zur Vermählung dichs im Sterben drängt,
Das blutge sei zu küssen dir erlaubt!
Nur Eines fordr ich und begehr es kühn:
Noch soll für mich die Hochzeitsfackel glühn,
Eh neuer Morgenthau die Blumen tauft,
Warst du mein Weib, hast meine Huld erkauft:
Dann seis vergönnt, daß du ihn wiedersiehst,
Daß vor dem Sterbenden du niederkniest,
Dann sollst du freigegeben im Verscheiden
Am bleichen Antlitz deine Lippen weiden,
Den letzten Seufzer seines Mundes trinken
Und mit dem Freund in ewge Brautnacht sinken!

Nie anders auch vermeidest du Gewalt
Und Kränkung dir, statt wonnig Enden bald!
Ihm aber, wisse, reichest du ein Gift,
So schlimmen Tod, deß volle Schuld dich trifft,
Den Freund in stolzer Seelenruh
So schnöder Buhlschaft überlieferst du,
Des Hungers Furie, die nach Opfern girrt,
In deren Umgang er so häßlich wird,
Daß, wenn die Braut an solchen Gatten denkt,
Sie jede Lieb in Thränenfluth ertränkt,
Und öden Herzens, süßem Träumen fremd,
Des Lebens Flamme trostlos niederschwemmt.
Entscheide nun, ich ehre dich durch Wahl,
Die so ich gebe: sei mir heut Gemahl,
Kein äußrer Zwang, unzart Begegnen mehrt
Die Last des Unglücks dir, dem Niemand wehrt!
Verwirf mein Werben, und der Freund verdirbt,
Daß hundertfach er Tod durch dich erwirbt!«
Da hob den reinen Blick Gunild,
Und heftet ihn, durchdringend mild,
Doch so gebietend ins Gesicht
Der Schergen Einem, welcher spricht:
»O Herr, im Dienste grauser Pflicht
Und im Gehorsam ward ich grau,
So streng, so rasch verfahre nicht,
Gib kurze Frist der armen Frau,
Sie wird, laß nimmer dichs verdrießen,
Nach deinem Wunsche sich entschließen.
Er bietet Kuno scheu die Hand,
Doch war sein ganzer Sinn gewandt;
Ich rette sie, ruft laut sein Herz,
Des Sünders Gold winkt höllenwärts,
Der Unschuld stummer Schmerzensschrei
Schneidt mir die alte Seel entwei.«

Und Kuno gibt verblendet nach,
Verläßt, verschließet das Gemach,
Eilt dann, mit höllischem Behagen,
Den Rest des Tags im Forst zu jagen.
Indeß Gunild – doch wer beschriebe
Den Sturm, den Taumel des Gefühls
Beim Uebermaß so grausen Spiels
Mit einem Herzen voll der Liebe!
Die Unglückselge wirft sich hin
Am Bild der Himmelskönigin,
Umklammert es mit Armen heiß,
Und sieh – ist es der kalte Schweiß? –
Ein Diadem von Perlen drückt
Die Göttliche aufs Haupt der Dirne,
Mit heilger Martyrkrone schmückt
Sie der geliebten Tochter Stirne.
O Kuno, wähnt dein dumpfer Geist,
Gunilde sei so ganz verwaist,
Wähnst du, ihr bliebe keine Wahl
Als Dein entehrendes Gebot?
Du feiger Rechner, eine Zahl
Stürzt dein System – sie lautet Tod.
Die Liebe fände Weg und Licht
Durch Finsterniß und Schrecken nicht?
Sie träte so beweinenswerth,
Wie Du es willst vor Dagobert?
Die heldenmüthige Vernunft
Der keuschen Einfalt stumpft das Schwert
Der tölpischen Despotenzunft!
Im Staube staune der Tyrann
Zu solcher Klugheit Glanz hinan!
Verwirrt, geblendet stürz er fort,
Der Mörder bebe vor dem Mord,
Entgangen seinem Augenmerk
Was hier geschah, und doch sein Werk! –
Muß es denn sein, bringt kein Geschick
Ihr Rettung mehr und Liebesglück,
Und triumphirt der Dränger, so
Sei er des Werks doch nimmer froh!
Ihr blutger Leichnam wird ihn schrecken,
Sein schlafendes Gewissen wecken,
Hier wird das freche Laster zagen,
Den scheuen Schritt nicht weiter wagen;
Durch deren Schönheit all das kam,
Ist sie nicht mehr – entnervt ihn Scham.
Und wehrt die tiefe Schuld zu geben
Dem Bruder Freiheit, Gut und Leben,
Wehrt sie der Reue frischem Quell
Aus hartem Felsenherzen hell
Und reich zu strömen, wehrt sie auch
Freudger Versöhnung Lebenshauch –
So warf Gunildens Opfermuth
Die Schranke doch vor neue Wuth,
Der Rache glühende Dämonen,
Die jetzt in Kunos Busen wohnen,
Verscheucht Gunildens rauchend Blut;
Drohende Qualen wird es wenden,
Erlösung dem Geliebten senden,
Es heißt die Kainsthat – vollenden.

In hehrer Glut der Abendhimmel brennt,
Und silbern tritt der Mond ins Firmament.
Aus Felsenbuchten über weiten Wald
Der Hörner Widerhall herüberschallt,
Zum Schloß herauf dringt heller Waidmannsruf,
Um Einlaß scharrt schnaubender Rosse Huf,
Und aus den Bügeln springt der Edlen Troß,
Nach wildem Zechen lechzt der Jagdgenoß.
Auch Kunos Sinn steht nach des Mahles Freuden,
Bis Mitternacht die Stunden zu vergeuden,
Heut aus dem Weine, süßem Rebenblut
Die rechte Stimmung holen dünkt ihm gut;
Und mit dem Becher an dem Munde laut
Lallet er Hohn auf eine treue Braut,
Läßt er die Hochjagd leben, prahlet keck
Mit Edelwild, zu der Vertrauen Schreck,
Und mit dem Becher an dem Munde laut
Vom Liebchen spricht er, heut noch angetraut.
Ein sinnverwirrend klirrendes Getöse
Braust durch den Bau ehrwürdger Heldengröße.
Auch an des ächten Wahnsinns Kerkerthor
Gebrochner Ton des Jubels sich verlor,
In Dagoberts einsame Geistesnacht
Schweifet ein Stern, der lieblich niederlacht.
Ihm däucht es festliche Musik zu sein,
Und sanfter Schlummer wiegt den Aermsten ein.
O weh, da träumet sein zerstört Gemüth
Von süßer Feier, die ihm endlich blüht.
Die Stunde wars, da fern im Thurmgemach
Ein treues Herz, das Herz Gunildens brach.

Indeß in Jagd- und toller Zecherlust
Der Zwingherr schwelgte, war der greise Knecht,
Nur von Gunildens Rettung voll die Brust,
Hinausgeeilt, zu rufen Schutz und Recht.
In nachbarlich Gebiet, volkreichre Gegend
Tritt er, die That mit Kühnheit überlegend.
Erwägend, wem er bringe solche Kunden,
Hat er den rechten Mann schon ausgefunden.
An schattger Halde hält ein schmucker Troß
Von auserlesnen Rittern, hoch zu Roß,
Und von der Heerstraß naht ein andrer Zug
Ehrfurchtvoll grüßend unter Fahnenflug,
Mit Sang und Klang, wies weiten Weg versüßt,
Der Bischof ist es, der den Kaiser grüßt.
Und unversehens vor den Fürsten stand
Der greise Wandersmann im Knechtsgewand;
Er hebt die Hände hoch zum Himmel auf,
Es hemmt sein Ruf den Hin- und Wiederlauf
Und auf der Hörer staunendes Begehr
Erzählt er laut die schlimme dunkle Mähr,
Von Dagobert, von Kuno, von Gunild,
Daß Wuth und Schmerz aus jedem Auge quillt,
Daß selbst der Bischof, Bischof Burkhard wars,
Ein Zucken spürte seines Augenpaars,
Daß ihm ein Graun die Seele überschlich,
Und daß sein Blick des Kaisers Zornblick wich.
Wohl war der Kaiser in das Land gekommen,
Gericht zu halten zu der Unschuld Frommen,
Und das Verbrechen zitterte vor ihm
– Vor Sankt Georg scheut so das Ungethüm –
Doch unverhofft war Kaiser Konrad da,
Schnell, scharf mit Aug und Schwert und immer nah.
Kein Säumen gilt, der Bischof Burkhard meint,
Dem Schicksal schuld ich Rettung für den Freund;
So wills mein Stolz, daß der nicht untergeht,
Der meiner Rache voll Genügen brachte,
Der meine Rechnung nicht zu Schanden machte,
Der vor der Welt nicht, der vor mir besteht.
Drum einen zuverläßigen Mann
Nimmt Bischof Burkhard heimlich ins Gebet,
Wie Ränkesucht sich stets ihn wünschen kann.
Den sendet er auf Stromberg flugs voraus,
Zu führen Kuno aus des Fluches Haus,
Ohn alles Zaudern, Plaudern, Warnen, Drängen
Mit dem Betroffnen aus dem Schloß zu sprengen,
Und früher nicht den Rossen Ruh zu gönnen,
Bis sie im Kloster fern sich bergen können.
Mit diesem Ring, so flüstert der Mann Gottes,
Erstickst du die Entgegnung kecken Spottes,
Wird ihn der sorglos Schwelgende gewahr,
Glaubt er mit Zittern bald an die Gefahr;
Erschlossen ward mir heut des Ritters Sinn,
Wie ich ihn kenne, däucht ihm Flucht Gewinn,
In eines Klosters undurchforschten Mauern
Entrinnt er gern des nahen Todes Schauern,
In eines Büßers härenem Gewand
Birgt er getrost sich jetzt vor Henkershand,
Und beugen ihn nicht höhere Gewalten,
Mag wälsche Pfründe einst ihn schadlos halten!

Schon ruchbar in Palast und Hütte
War Kunos unerhörte That,
Als in der Zecher schwüle Mitte
Auf Stromberg Burkhards Bote trat;
Verlarvt, daß Keiner ihn erkenne
Der Zeugen hier und später nenne,
Erprobt er schlau des Ringes Macht,
Davon der Schlemmer jäh erwacht,
Und, wie der Priester sah voraus,
Verzweifelnd floh von Schmaus und Haus.
Dann, weil der Wirth nicht kehrt zum Feste,
Zerstiebt der scheue Schwarm der Gäste,
Und wie gescheucht von bösen Zeichen
Die bleichen Diener auch entweichen.
Vor Mitternacht mit den Getreun
Traf noch der rasche Kaiser ein:
Vergeltung hofft er reich zu üben,
Doch was er fand, es konnt allein,
Sein glühend Herz zu Tod betrüben.
Der Bischof auch, mit frommem Blick,
Bleibt hinter Konrad nicht zurück,
Geistlichen Fluch und Sakrament
Zu spenden, wie ers dienlich fänd –
Wo Alle zürnen, trauern, schauern,
Still zu frohlocken und zu lauern.

Vergeblich wird das Schloß durchsucht
Nach Kuno, dessen wilde Flucht
Ein Räthsel bleibt.
Im schnell erbrochnen Thurmgelaß
Lag dort Gunild, die Braut so blaß,
Dort lag sie todt – ermordet nicht –
Ein sanfterloschen Himmelslicht –
Zerronnen vor dem grauen Morgen,
Ein Stern, im Himmel tief geborgen.
Wer hebt so lautes Jammern an?
Wirft sich, ein aufgegebner Mann,
Zu der Entseelten Füßen hin,
Der Knecht vor die Gebieterin?
Zu früh für seine Schuld verblich
Die Dulderin, der Keine glich.
Er rafft sich mühsam auf, er führt
Nun Fürst und Ritter, tiefgerührt,
Bei schauerlichem Fackelschein
In Dagoberts Gefängniß ein.
Weh ihm, er schlummert kranken Schlaf,
Bald fährt er auf, wenn Schreck ihn traf,
Bald spielt ein Lächeln um den Mund,
Bald seufzet er von Herzensgrund –
Er wacht; er weicht, er rast, er reißt
Das Schwert dem Kaiser von der Seite,
Aus seinem Auge glüht ein Geist
Vernichtung brütend naher Beute.
Es ist kein Irrsinn, der so blickt,
Und, der ins Innerste erschrickt,
Der Bischof, weiß, was es bedeute.
Den Einen aus der Menge kennt
Der Wahnwitz auch, den Einen brennt
Er zu vertilgen, ist doch klar,
Daß der des Leids Urheber war.
Und blind, die Schwerter rings verachtend,
Auf den Gefährlichen gezückt,
Dringt auf den Bischof unberückt
Der Tolle die Vertheidger schlachtend.
Der Ritter Ehre, Burkhards Stolz
Heischt nun zu bleiben; schon verpfändet
Ist jene, hundert Haufen Golds
Böt dieser dem, ders rühmlich endet.
Dem Muthigsten wills nicht gelingen
Den wilden Helden zu hezwingen,
Zu greifen ihn, verhütend Tod,
Wie Kaiser Konrad es gebot.
– Doch Kaiser Konrad wurmt die Noth
Der besten Männer und ihr Tod.
Und ein Gedanke leuchtet hell
In seiner Seele auf: »so schafft
Die todte Jungfrau mir zur Stell!
Der Wahnsinn nur schürt ihm die Kraft.
Geht Bischof, bringt die Leiche schnell!
Reicht mir ein Schwert indeß – das Wort
Ist unnütz hier, er rast nun fort.«

Man bringt die Bahre, und es ruht das Kämpfen,
So schmerzreich Bild mag Wuth und Wildheit dämpfen.
O seht, o seht! sein schartenvolles Schwert
Wegschleudernd stürzt zu Boden Dagobert.
Der Augenblick entschied, denn schon zugleich
Schlug ihm der Kaiser tödtlich scharfen Streich.
Nothwehr gebots. Der löwengrimmigen Wuth
Die Spanne Zeit, es rönne fürstlich Blut.
Am kalten Munde dort hing Dagobert
Der Sterbende, dem ach, Besinnung kehrt;
Der Unglückselge, der von Kaisers Hand
Gelenkt den Weg in ewige Brautnacht fand.
Er blickt empor – o Gott, mein Kaiser hier?
Wo bin ich? O lebt wohl! Vergebet mir!
Gott sei mit euch! An liebem Munde läßt
Sich süß verbluten. Rittet ihr zum Fest?
Zu meinem Hochzeitsfest? – da starb der Laut
Auf seiner Lippe überm Mund der Braut.
Es ruht die Hand in Kaiser Konrads Rechten,
Der zitternden, der nicht vom Kampf geschwächten
– Der drückt sie stumm, zur letzten Pilgerfahrt,
Und Thränen rollen in des Kaisers Bart.

Da braust es fernher wie von wirren Stimmen
Empörung und Zerstörung gierigen, grimmen.
Kommt! Fackeln vor! schon drängt die Menge draus.
Gebrochen sei die Burg! Schutt dieses Haus!

Mit wenig Tapfern, die ihm ließ der Tod,
Trat Deutschlands Herr hinaus ans Morgenroth.

Ludwig Eichrodt




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Gedichte aus aller Welt

26.12.2012 um 10:47

BÀI CA MÁU

Bóng tối dựng trong thân xác
Máu hát biển đen
Cơn thuỷ lưu không ngơi nghỉ

Vỗ quanh tim đầu cầu
Chuyển đi khắp năm châu
Những đốt xương đan giải
Những trục chính đại lộ

Mặt trăng là tim máu
Dưới hồng cầu mặt trời
Ðơn lẻ tiếng vỗ xác

Những ánh thơ ngủ yên
Trong bóng tối của máu
Một ngày cất tiếng
Công thức riêng không pha trộn

Dưới bí mật của máu
Những câu thơ ẩn tàng
Một ngày cất tiếng
Công thức riêng không pha trộn

Nguyễn Hữu Hồng Minh
(Vietnam)


Lied des Blutes

Dunkelheit erfüllt den Körper
Das Blut besingt das schwarze Meer
Ruhelose Strömung

Pulst um das Herz des Brückenkopfs
Überflutet die fünf Kontinente
Verstreute Knochenteile
Die Hauptachsen der Alleen

Das Antlitz des Mondes ist das Herz
Unter dem glühenden Sonnengesicht
Einsames Pochen

Friedlich schlafen die Verse
Im Blutschatten
Erheben dereinst ihre Stimmen
Einzigartig, unverdorben

Unter dem Geheimnis des Blutes
Verbergen sich die Verse
Erheben dereinst ihre Stimmen
Einzigartig, unverdorben

Nguyễn Hữu Hồng Minh
(Vietnam)




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Gedichte aus aller Welt

26.12.2012 um 10:49

NHÀ BUÔN VÀ NHÀ THƠ

Tôi gặp ông trưa nay lạng lách trên phố
Ông đi như một tên buôn người
Cả đời ông không có thứ gì không buôn
Dân tộc, chính trị, văn hóa

Ông buôn nước bọt mơ làm đại sứ Nghệ thuật
Lời lẽ đầy máu cá
Kẻ còn chút lương tri lợm giọng

Ông buôn thời gian như đầu cơ vé số
Người trúng độc đắc là ông
Khi bao kẻ khác đã chết

Ông chui vào Văn Miếu
Cắt máu mài đá
Lén đục tên mình

Ông buôn danh tiếng
Như bí mật xác ướp trong mộ cổ
Hồn ma dựng trên giấy thơm

Giờ ông bắn đi như mũi tên lạng lách phố xá Sàigòn
Tiếp tục ghim vào kẻ xấu số nào sứ mệnh máu cá
Tôi hoảng hốt tránh ông
trước khi đạn ngôn từ
nổ văng miểng

Mẹ kiếp tốt nhất là nên gửi ông cho thơ
Ðể thơ buôn ông

Nguyễn Hữu Hồng Minh
(Vietnam)


Händler und Poet

Ich traf ihn heut Mittag auf der Strasse
Er geht wie ein Menschenhändler
Zeitlebens hat er noch alles verhökert
Volk, Politik, Kultur

Er handelt mit Speichel, träumt sich als Botschafter der Kunst
Worte, mit Fischblut durchweicht
Wer noch Gewissen hat, den schüttelts

Er handelt mit der Zeit, als wuchere er mit Lotto-Losen
Ist selbst der Hauptgewinner
während andre krepiern

Er schleicht in den Tempel der Literatur
Wetzt bis aufs Blut die Steine blank
Und meißelt heimlich seinen Namen ein

Er bietet Ruhm und Ehre feil
Wie die Geheimnisse der Mumien in alten Gräbern
Gespenster auf erlesenem Papier

Jetzt saust er los wie ein Pfeil, schlängelt sich durch die Strassen Saigons
Trifft in seiner klebrigen Mission wieder so einen Pechvogel
Ich weiche ihm panisch aus
bevor das Wortgeschoss
splitternd explodiert

Verdammt, am besten überließe man ihn der Poesie
Soll die doch mit ihm handeln


Nguyễn Hữu Hồng Minh
(Vietnam)




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Gedichte aus aller Welt

26.12.2012 um 11:24
Ars Poetica

Wie jetzt noch ein Gedicht schreiben,
warum nicht endgültig schweigen
und uns viel nützlicheren Dingen widmen?
Warum die Zweifel vergrößern,
alte Konflikte, unverhoffte Zärtlichkeiten
neu durchleben;
dieses Quentchen Lärm
einer Welt hinzufügen
die mehr ist, die es doch nur zunichte macht?
Wird irgendwas klarer durch solch ein Knäuel?
Niemand braucht es,
Relikt vergangener Herrlichkeiten,
wem hilft es, welche Wunden heilt es?

Juan Gustavo Cobo-Borda
(geb. 1948 in Bogotá)



Aus dem Spanischen:

¿Cómo escribir ahora poesía,
por qué no callarnos definitivamente
y dedicarnos a cosas mucho más útiles?
¿Para qué aumentar las dudas,
revivir antiguos conflictos,
imprevistas ternuras;
ese poco de ruido
que lo sobrepasa y anula?
¿Se aclara algo con semejante ovillo?
Nadie la necesita.
Residuo de viejas glorias,
¿a quién acompaña, qué heridas cura?


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Gedichte aus aller Welt

26.12.2012 um 20:24
Die Grenadiere

Nach Frankreich zogen zwei Grenadier,
Die waren in Russland gefangen.
Und als sie kamen ins deutsche Quartier,
Sie liessen die Köpfe hängen.

Da hörten sie beide die traurige Mär:
Dass Frankreich verloren gegangen,
Besiegt und zerschlagen das grosse Heer -
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.

Da weinten zusammen die Grenadier
Wohl ob der klägliche Kunde.
Der eine sprach: Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde!

Der andere sprach: Das Lied ist aus,
Auch ich möcht mit dir sterben,
Doch hab ich Weib und Kind zu Haus,
Die ohne mich verderben.

Was schert mich Weib, was schert mich Kind,
Ich trage weit bessres Verlangen;
Lass sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind -
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!

Gewähr mir, Bruder, eine Bitt:
Wenn ich jetzt sterben werde,
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab mich in Frankreichs Erde.

Das Ehrenkreuz am roten Band
Sollst du aufs Herz mir legen;
Die Flinte gib mir in die Hand,
Und gürt mir um den Degen.

So will ich liegen und horchen still,
Wie eine Schildwach, im Grabe,
Bis einst ich höre Kanonengebrüll
Und wiehernder Rosse Getrabe.

Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab -
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.

Von Heinrich Heine


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Gedichte aus aller Welt

26.12.2012 um 20:28
Resignation.

Auch ich war in Arkadien geboren,
Auch mir hat die Natur
An meiner Wiege Freude zugeschworen;
Auch ich war in Arkadien geboren,
Doch Tränen gab der kurze Lenz mir nur.

Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder;
Mir hat er abgeblüht.
Der stille Gott - o weinet, meine Brüder -
Der stille Gott taucht meine Fackel nieder,
Und die Erscheinung flieht.

Da steh ich schon auf deiner finstern Brücke,
Furchtbare Ewigkeit.
Empfange meinen Vollmachtbrief zum Glücke!
Ich bring ihn unerbrochen dir zurücke,
Ich weiß nichts von Glückseligkeit.

Vor deinem Thron erheb ich meine Klage,
Verhüllte Richterin.
Auf jenem Stern ging eine frohe Sage,
Du thronest hier mit des Gerichtes Wage
Und nennest dich Vergelterin.

Hier, spricht man, warten Schrecken auf den Bösen
Und Freuden auf den Redlichen.
Des Herzens Krümmen werdest du entblößen,
Der Vorsicht Rätsel werdest du mir lösen
Und Rechnung halten mit dem Leidenden.

Hier öffne sich die Heimat dem Verbannten,
Hier endige des Dulders Dornenbahn.
Ein Götterkind, das sie mir Wahrheit nannten,
Die Meisten flohen, Wenige nur kannten,
Hielt meines Lebens raschen Zügel an.

»Ich zahle dir in einem andern Leben,
Gib deine Jugend mir!
Nichts kann ich dir als diese Weisung geben.« -
Ich nahm die Weisung auf das andre Leben,
Und meiner Jugend Freuden gab ich ihr.

»Gib mir das Weib, so teuer deinem Herzen,
Gib deine Laura mir!
Jenseits der Gräber wuchern deine Schmerzen.« -
Ich riß sie blutend aus dem wunden Herzen
Und weinte laut und gab sie ihr.

»Die Schuldverschreibung lautet an die Toten,«
Hohnlächelte die Welt;
»Die Lügnerin, gedungen von Despoten,
Hat für die Wahrheit Schatten dir geboten,
Du bist nicht mehr, wenn dieser Schein verfällt.«

Frech witzelte das Schlangenheer der Spötter:
»Vor einem Wahn, den nur Verjährung weiht,
Erzitterst du? Was sollen deine Götter,
Des kranken Weltplans schlau erdachte Retter,
Die Menschenwitz des Menschen Notdurft leiht?

Was heißt die Zukunft, die uns Gräber decken,
Die Ewigkeit, mit der du eitel prangst?
Ehrwürdig nur, weil Hüllen sie verstecken,
Der Riesenschatten unsrer eignen Schrecken
Im hohlen Spiegel der Gewissensangst.

Ein Lügenbild lebendiger Gestalten,
Die Mumie der Zeit,
Vom Balsamgeist der Hoffnung in den kalten
Behausungen des Grabes hingehalten,
Das nennt dein Fieberwahn Unsterblichkeit?

Für Hoffnungen - Verwesung straft sie Lügen -
Gabst du gewisse Güter hin?
Sechstausend Jahre hat der Tod geschwiegen,
Kam je ein Leichnam aus der Gruft gestiegen,
Der Meldung tat von der Vergelterin?« -

Ich sah die Zeit nach deinen Uhren fliegen,
Die blühende Natur
Blieb hinter ihr, ein welker Leichnam, liegen,
Kein Toter kam aus seiner Gruft gestiegen,
Und fest vertraut ich auf den Götterschwur.

All meine Freuden hab ich dir geschlachtet,
Jetzt werf ich mich vor deinen Richterthron.
Der Menge Spott hab ich beherzt verachtet,
Nur deine Güte hab ich groß geachtet,
Vergelterin, ich fordre meinen Lohn.

»Mit gleicher Liebe lieb ich meine Kinder!«
Rief unsichtbar ein Genius.
»Zwei Blumen,« rief er, »hört es, Menschenkinder,
Zwei Blumen blühen für den weisen Finder,
Sie heißen Hoffnung und Genuß.

Wer dieser Blumen eine brach, begehre
Die andre Schwester nicht.
Genieße, wer nicht glauben kann. Die Lehre
Ist ewig, wie die Welt. Wer glauben kann, entbehre!
Die Weltgeschichte ist das Weltgericht.

Du hast gehofft, dein Lohn ist abgetragen,
Dein Glaube war dein zugewognes Glück.
Du konntest deine Weisen fragen,
Was man von der Minute ausgeschlagen,
Gibt keine Ewigkeit zurück.«

Schiller


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Gedichte aus aller Welt

27.12.2012 um 19:09

Sassuma Arnaa

Tasama naqqaniippoq
taanna Sassuma Arnaa

assassui aa
inuaali sumippat
nujarsui ilattut
qamani uummammini
naalliuutimisut

Taanna tamaniippoq
anaanani paniinilu
anniaat nalunartoq
artornartoq
ilatsinneqartoq
nunap perujuinit mingunnit
inuuneranik
nutsutsisoq ammut
toqussaanut allaat.

Jessie Kleemann
(Grönland)



Meeresmutter

Dort unten ist sie
die Meeresmutter

mit großen Händen und abgehackten Fingern
das Haar verfilzt
von Herzflussschmerzen

sie wohnt in allen Schwestern
und Müttern
ihre unbekannten Sorgen
so schwer, so verklebt
vom schwarzen Dreck der Erde
unser Leben belastet
von ihrem Tod.

Jessie Kleemann
(Grönland)




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Gedichte aus aller Welt

27.12.2012 um 19:13

faya sista

she walks the pavements of my prayers. she smokes the holy grass of poem and prose. she rose from the loins of horizons with the sun in her palm. she the searing light of burning spears. she changes gears of my universe. she spills her oceans of flaming songs to the soil. she's the root that sprouts sparks of ancient shoots through grains of memory. she dances with history's skeletons. she tangos where no man goes.
she is a faya sista.

she opens her mouth in parables of lyrical uprisings. she speaks in tongues of unbroken eternities. her endless niles of lines flow for miles. she dwells in the troubled voice of landless spirits. she burns tattoos of questions on the skin of the land. she wants to know who buys the lies and sells the soil under conference tables. she says we sokol without our soil we are fokkol. that's why she throws petrol bombs of poems to free every grain of azania.
she is a faya sista

she's pregnant with seed of baby volcanoes. she's gives birth to bearded infernos. she's my book of rebelations. she 's pages beyond hooks of spooks. she will not marry the snake for a slice of carat cake. she moves in whirlpools of black magic. she casts rebel spells like no one else. she wrestles the arms of time. she swaps with sun with the moon. moon at noon sun at midnight. she floods her lights into the birth of a seamese nation in a crablikedance. heading sideways to landless futures. she tears away the gorgeous gear her venom wears. she cuts a scratch into history vinyl's to fetch the rhythms you want to erase she roams the rage of drum and base. she samples songs of stolen soil.
she is a faya sista

Kgafela oa Magogodi
(Südafrika)


feuerschwester

sie geht auf den pflastern meiner gebete. sie raucht das heilige gras von prosa und reim. sie entstieg den lenden des horizonts mit der sonne in der hand. sie das versengende licht der brennenden speere. sie legt die gänge meines universums um. sie schüttet ozeane flammenden gesangs über die erde. sie ist die wurzel die funken uralter triebe durch die saat der erinnerung aufkeimen lässt. sie tanzt mit den gerippen der geschichte. sie tanzt tango wo sonst niemand auch nur geht.
sie ist eine feuerschwester

sie öffnet ihren mund in parabeln lyrischer erhebung. sie redet in den zungen ununterbrochener ewigkeit. die unendlichen nile ihrer zeilen fließen meilenweit. sie verweilt bei den aufgewühlten stimmen landloser geister. sie brennt tattoos aus fragen in die haut des landes. sie will wissen wer all die lügen kauft und den boden unter konferenztischen verkauft. sie sagt wir rackern uns ab ohne unseren grund und boden sind wir kaputt. also wirft sie gedichte ab wie benzinbomben um jedes korn von azania zu befreien.
sie ist eine feuerschwester

sie ist schwanger mit dem samen von baby-vulkanen. sie gebiert bärtige höllen. sie ist mein buch der protestoffenbarungen. sie fegt um die ecken der gespenster. sie wird die schlange nicht heiraten nicht für eine scheibe karottenkuchen. sie bewegt sich in strudeln schwarzer magie. sie spricht zauberflüche aus wie niemand sonst. sie ringt mit den armen der zeit. sie tauscht die sonne mit dem mond. am mittag mond sonne zur mitternacht. sie flutet ihre lichter in die geburt einer siamesischen nation in einem krebsartigen tanz. seitwärts in eine landlose zukunft. sie zerreißt den prachtvollen anzug der ihr gift trägt. sie zerkratzt das vinyl der geschichte und holt die rhythmen hervor die ihr auslöschen wollt sie durchschweift das rasen von drum 'n bass. sie kostet die lieder vom gestohlenen boden.
sie ist eine feuerschwester

Kgafela oa Magogodi
(Südafrika)




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