Stromberg
(ein Nachtstück)
Noch raget Stromberg aus den finstern Fichten
Die Felsenburg, es wölbt sich klar und kühn
Der sternenvolle Himmel drüber hin,
Er weiß sie nicht die weinenden Geschichten.
O stille Nacht! Du ewig sanftes Licht
Des Mondes du erlischest nicht,
Wenn Lieb, Verzweiflung, Tod und heiße Trauer
Als Geister stiegen aus geborstner Mauer,
Dich anzuwimmern schmerzlich laut
– Du strahlest weiter, ohne daß dir graut.
Ist Frevel selbst so nichtig hohl so todt
Schon durch Vollbringen, daß doch lieblich Roth
Des Ostens Wange mag verklärend schmücken?
Als lauerten allwegs nicht bleiche Tücken,
Als wäre Friede nie gebrochen worden,
Als wäre Blutschuld nur das blutge Morden!
War Dagoberts Vertrauen werthlos so,
Daß Kunos Busen nicht die Freude floh?
Unbändig Jauchzen, freche Lust und Toben
Ist das bei Schmerz und Wahnsinn nicht zerstoben?
Wo Freunde stumm, erbleichten Angesichts,
Hinwandeln, fühlt, empfindet Kuno Nichts,
Wo ihre Schönheit edle Fraun vergessen
Wo Kinder denken, Knechte sittsam werden,
Blödsinnige Greise feurig sich geberden,
Wo Thoren scheu entsagen ihren Spässen
Ist Kuno prahlend beim Gelag gesessen!
Zwei Brüder waren, also ungefähr
Hub oft schon an manch schlimme dunkle Mähr,
Zwei Brüder waren, ihres Stamms die letzten;
Herangeblüht bei ritterlicher Lust,
Der Jugend froh, des kühnen Arms bewußt,
Beschirmer der Gekränkten und Gehetzten.
Gefürchtet und geliebt, weil stark und gut,
Weil unverzagt, bereit, und wohlgemuth.
Und anders nicht erschienen sie der Welt,
Eh Leidenschaft getrennt, was treugesellt,
Eh Neid die gute Art in Kunos Brust getrübt,
Eh Dagobert gelitten und geliebt.
Des Jünglings Seele ist ein edler Wein,
Ein kühler Hauch – und er wird Essig sein,
Des Jünglings Herz ist eine keusche Frucht,
Sie fault, hat sie der Wurm besucht.
Auf Salecks Söller stand im Wind
Gunild die schöne, Bodos Kind,
Auf ihrem süßen Antlitz lag
Die Schönheit wie ein Maientag ...
Der Schleier und die Locke wallt
Um ihre festliche Gestalt,
Sie schauet ernst und bang hinaus
Ins offne Land vom steilen Haus,
Sie winkt und weint, sie jubelt auf,
Als durch die staubge Wolke fern
Gewaffnet blitzt ein Männerhauf –
Wie durch den Nebel Stern an Stern.
Die Brüder sinds, es fliegt voran
Sieghaftes Banner, da sie nahn,
Das Freudenlied erschallt wild laut,
Held Dagobert holt seine Braut!
Draus auf der Haide stirbt im Blut
Graf Gregor, deß gestrenger Hut,
Aus Einsamkeit und Kümmernissen
Die holde Mündel jetzt entrissen.
Das Bild ergriff der Männerherz,
Gunild im Arme Dagoberts!
Weß Auge flammte da nicht kühn,
Wenn ihm solch edel Bild erschien?
Das Herz, in schönem Traum verloren,
Hat Lieb und Treue neu beschworen.
Nun durch verwaister Erbin Hand
Gebieter über Burg und Land,
Wünscht Dagobert den süßen Bund
Geweiht durch priesterlichen Mund,
Begehrt, von Minnedurst entflammt,
Des Bischof Burkhard heilig Amt.
Der spricht: Mein Sohn, die Kirche flucht,
Wenn frecher Frevel Segen sucht.
Dem Räuber wehrt sie den Altar,
Sie zürnt so lange Gott gekränkt,
Sie heischet Sühne durch Gefahr,
Bevor sie Schutz und Friede schenkt.
Zieh aus mit der bekreuzten Schaar,
Die früher nicht an Rückkehr denkt,
Als Gottes Grab der Feinde baar;
Zieh hin! und so im dritten Jahr
Der Himmel deine Schritte lenkt
Zur Heimath wieder wunderbar,
Sei neue Buße dir geschenkt,
Dann bring Gunilden zum Altar!
Der Bischof Burkhard rächte seinen Neffen ...
Der Bischof weiß zu tödten und zu treffen.
Des Neffen Hoffnung losch mit Gregor aus,
Der Bischof Burkhard rächt sein edles Haus –
Rächt hoffnungslos, denn Jener auch ist todt,
Ihn schlug der Zorn nach wilder Herzensnoth,
Da man ihm redet von der Brüder Sieg,
Fraß Fieber ihn, bis all sein Leiden schwieg.
Des Bischofs Harm gebiert des Hasses Witz;
Des Hasses Opfer trifft der Rache Blitz;
Es wirkt der Bann. Gunild, die schöne Braut
Dem Bruder Kuno wird sie anvertraut,
Behüten soll er sie bis Dagobert
Vom Bann entsühnt, geläutert wiederkehrt.
Doch wie wird Schönheit er bewachen?
Wird während also banger Hut
Ihr hoher Liebreiz nicht entfachen
In Kunos Busen böse Gluth?
Wird Kunos Herz der Lockung widerstehn,
Wird Dagobert die Braut einst wiedersehn?
Wird Mißgunst, Zwietracht nicht entbrennen,
Den Bruder von dem Bruder trennen?
Hat Bischof Burkhards Haß auch dies bedacht,
Als er sie hingab in des Jünglings Macht?
O hinterlistig, feig und schnöd Geschick!
Zertreten durch den Sieg, verarmt durch Glück!
Am Ziel vernichtet stehn, mit rauhen Worten
Hinabgedonnert sein an Himmelspforten;
Von Angst gejagt, im Ohr des Fluches Schall,
Zurück dem lautlos leeren, tauben All
Zu fallen in den nebelweiten Schoos!
O welch ein bitter, welch ein starres Loos!
Und seine Braut sah Dagobert nicht mehr.
Der strenge Spruch raubt ihm ein letzt Gehör,
Weigert Umarmung, Kuß, und heißer Treu
Gelübd in liebe Hand zu legen,
Versagt, daß Lieb den heilgen Bund erneu,
Versaget Abschied auf der Trennung Wegen.
In stille Zelle schwankt der Ritter fort,
Des schlichten Klausners mildes Wort
Zu suchen, das ihn oft erbaut,
Weil mit Natur und Menschenherz vertraut.
Dort in der Wälder Gottesfrieden
Wohnt Weisheit, von der Welt geschieden,
Dort ist die Würde nicht, die straft und flucht,
Dort lebt die Liebe, die nach Herzen sucht.
Er tritt hinein – der Vater doch, der Freund
Liegt heut entseelt – nur karge Lampe scheint
Aufs Antlitz ihm – wein und verweil!
Hier starb der Trost, verwest das Heil.
Rings öde Nacht – ein Todesschweigen.
Da flackert vor dem müden Aug
Ein Endchen Docht und will sich neigen,
Es glimmt nur noch und kämpft mit Rauch.
Umsonst, daß ich es mir verhehle,
Wie rings um mich es werden will –
O müder Geist, o müde Seele –
Verdüstert, nächtig, grabesstill.
Die Freuden dieses Lebens starben!
Dem Schmerze hingeopfert sein!
Ich kann nicht darben lernen, darben!
Ein Fünkchen Hoffnung ist nur mein.
Ihr Stürme fanget an zu rasen
Draus in der mondenlosen Nacht!
O hört ich eure Pfeifen blasen –
Musik, die jetzt mich munter macht!
Dem Bruder nur, dem theuren, er vertraut;
Er rettete, er schirmet nun die Braut!
Auf! wappne dich mit Stahl und frohem Muth,
Der Bruder ist kein Schelm, stets war er gut.
Ist er geprüft –? wozu, er ist wie ich;
Mit ihm wie oft verwechselten sie mich!
O Dagobert, du selbst so rein und klar,
Wie brächte Argwohn deinem Muth Gefahr?
Ein edler Sinn – ob unklug – hat doch Recht,
Auch Kuno fühlte so, und sein Gefühl war ächt.
Wer ahnt nach heitrer Tage Schein
Die Athmosphäre nimmer rein,
So lange doch kein Wölkchen steigt,
Die Ferne sich nur klarer zeigt,
Und tiefer nur des Himmels treues Blau,
Allmälig wandelt sichs in Grau.
Ein Windhauch, unbekannt woher,
Kaum fühlbar traf der Dünste Meer,
Das noch zuvor, durchsichtig ganz,
Der Sonne lieh nur reichern Glanz.
Jetzt wogt in Nebelwolken schwer
Der weite Himmel ringsumher.
Wie schwand der schöne Tag dahin?
Das treue Blau, das ewig schien?
Vorbei das Alles – über Berg und Thurm
Gesammelt schwebt der Wettersturm.
Zwei Sommer schon begrub Gunildens Gram,
Gunildens Hoffnung in Vergessenheit;
Der dritte Lenz bringt ihr den Bräutigam,
Das ist ja Trost in allem Leid.
Wie schön, in allem Leid, sie blieb!
Welch Feuer süßer Sehnsucht Trieb
Stets über Blick und Miene groß,
Dann ihren edeln Geist erschloß,
Und wie Gesang die Rede floß;
Wenn sie dahinschritt hehr und leicht,
Und lächelte, die Wimper feucht,
Wenn das holdselge Schwesterpaar
Schwermuth und Anmuth den Altar
Auf ihrer Stirne weihte, war
Kunos berauschte Phanthasie
Der Zügel und Beherrschung baar,
Und der Gefühle Aufruhr lieh
Ihr neue Flügel Jahr um Jahr;
Der Sturm in seines Busens Höhle,
Der das Gewissen überschrie,
Treibt an den Abgrund seine Seele.
Maßlose Mißgunst taucht empor –
Verfallen der Dämonen Chor
Ist, wer sein bessres Selbst verlor.
Scham, Würde, Schonung, Ritterpflicht
Kennt Kuno, der Bestrickte, nicht:
»Sei mein, auf Monden nur sei mein,«
Stöhnt, bittet, droht, rast seine Pein.
Standhaftigkeit erschüttert ihn,
Macht wilder ihn, erbittert ihn,
Zorn, Haß, Verachtung, Abscheu jetzt
Strömt Kälte in die Brust zuletzt,
Die ehmals leicht bewegte Welt
Der Seele ist erstorben schnell,
Ein Stoß, sie starrt, sie wird zu Eis,
Spröd, hart und fühllos – Niemand weiß
Wie plötzlich das – so unbewußt
Reift Rauheit in des Jünglings Brust,
Verdruß besiegt den siechen Mann,
Er ahnt es kaum, und ist – Tyrann.
In Syriens Wüste irrt das Christenheer,
Der Mönch von Clairvaux eiferte nicht mehr.
Vom herrlichen Damaskus weggeschreckt,
Wird neue Streitglut nimmer ihm geweckt,
Geschlagen und zerstreut, von Gott verlassen,
Verwildern die bestürmten Völkermassen;
Nur Kaiser Konrad wankt nicht in der Noth,
Des Heeres Helden sammelt sein Gebot,
Zur Heimfahrt rüstet sich sein großes Herz,
Ein hoher Geist verwaiset nicht durch Schmerz.
Es schmachtet fern das Reich nach seiner Kraft,
Die bald Verrath und Abfall niederrafft,
Die nun als Leuchte leitet in der Nacht,
Und tapfern Mann zum übermüthgen macht.
So reiten sie durchs unwirthbare Land
Auf müden Rossen, Schwerter in der Hand.
Auch Dagobert weiß seinen Muth beseelt,
Den tiefre Wund als die durch Schwerter quält;
Sein wildes Elend blutet in der Stille,
Doch hält im Sattel ihn der trotzge Wille!
Gerüttelt ist ihm der Entbehrung Maß,
Daß traun vor Leid er Mangel längst vergaß.
Ihn jagt geheime Angst des Herzens, ihn
Spornt über Land und Meer ein Stachel hin,
Der üppig wächst und wühlt, genährt vom Born
Der Sehnsucht – ach, der Liebe Rosendorn!
Voraus dem Schwarm der Besten und Getreun,
Mag weder Reiz ihn noch Gefahr zerstreun.
Lockt nicht Achajas blaue Wasserflur,
Des wälschen Himmels seelentief Azur?
Ihn drückt, beklemmt der schöne Himmel nur.
Normännisch Ritterspiel es fesselt nicht?
Die Ehre nicht, der Männer Schmuck und Pflicht?
Verdorret auch sein thränenreicher Harm
Nicht an Siziliens glühenden Frauenblicken,
Und Romas Wunder will ihn nicht berücken,
Ist denn die Welt an Zaubermacht so arm?
Am Rheine dort, daß er nicht rasten mag!
Kein Kirchenfest, kein hoher Fürstentag,
Kein Hader der Parteien, kein brüderlich Gelag
Hält ihn zurück, der unaufhaltsam eilt,
Dahin, wo die Geliebte weilt,
Dahin, wo Hast und Harm des Herzens heilt.
Nach heißer Wandrung steht am Ziel,
In seiner Heimath Dagobert,
Noch lebt im Wald das alte Spiel
Der muntern Sänger, einst so werth,
Noch grünt so frisch der Wiesengrund,
Noch lacht die Flur, der Anger bunt,
Der Tannen Ernst, der Felsen Majestät
Faßt die gerührte Seele, weht
Friedreiche Stimmung ins Gemüth,
Bis ihm die Zähr im Auge glüht.
Werd ich die Braut auch wiedersehn?
Dich Stern in Wirrfal, klar und schön?
Dem ich wie der Pilot im Meer
Vertraute, voll der Wiederkehr,
Dich einzgen Trost dem wunden Mann,
Dich Führerin durch Nacht und Bann;
Geliebte Braut, werd ich dich schaun,
Huldreicher Ruhm und Preis der Fraun!
Soll, Stern, verkümmert dir dein Licht,
Sollst du erloschen sein, ich trüg es nicht.
Soll all der Kampf, die Gluth, die Pein
Umsonst, ziellos gewesen sein?
Ich trüg es nicht. Jetzt fern der Noth,
Erloschen du – dies nur mein Tod!
Als über des Gebirges Kamm
Der Sonne Feuerball nun schwamm,
Und abentheuerliche Züge
Um flüchtge Wolken wundersam
Der Abend schrieb mit goldner Schrift
– Ein Sinnbild gleißnerischer Lüge –
Als tiefe Schatten auf die Trift
Sich senkten, schritt zum Schloß hinan
Der Held, ein Pilger angethan.
Lauttosend und geräuschvoll schallen
Die Tritte durch die weiten Hallen,
Graunhafte Stille birgt der Ort,
Kein Gruß, kein gastlich Menschenwort,
Wohl rostet in den Gängen hin
Gewaltger Waffen manche dort,
Manch gute Rüstung, dran Gespenster
Um Mitternacht vorüberziehn,
Sprüht durch die farbgen Bogenfenster
Unheimlich Feur in Mondenhelle,
Sich scheu bewegend von der Stelle.
Horch! hastge Männerschritte nahn,
Klirrt Kettenklang nicht leis heran?
Umringt von Knechten sieht der Herr
Sich plötzlich, in der Väter Hallen,
Gefesselt, ein Gefangener,
Von stummen Häschern überfallen.
Hinweggeschleppt in Kerkernacht
Durch welche Tücke, welche Macht?
Herrscht Kuno hier, der Bruder, wie?
Nein, frevle nicht, bestürzte Phantasie!
Wenn Ingrimm über Arglist schäumt,
Wird schlaflos wohl die Nacht durchträumt.
Die Nacht, die Schlummer einst gebracht,
In Qual und Brüten jetzt durchwacht,
Die Nacht war um, doch Frühlicht schien
Nur spärlich auf das Gitter hin,
Wie Rosen nicht, die Freuden künden,
So quälend düster war die Gluth,
Und leuchtet doch – tagscheu Empfinden
Weckt sie wie frischvergossen Blut!
Vergebens dann winkt auch der Tag mit Licht,
In seine Seele trägt er Klarheit nicht;
Der sonst Geduld und Sanftmuth leihen mag,
Ihm gibt Verzweiflung nur der junge Tag:
Das Mißtraun wuchert, Unruh reift
Zur Wuth, bis Hohn das Herz ergreift,
Und bittres Lachen wild erschallt,
Vom hämschen Echo nachgelallt;
Die Wände knirscht er an, es schleicht
Entsetzen her, bis dies auch weicht,
Bis Schmerz und Trübsal ihn läßt stumm –
In ihm Verödung und ringsum.
Wohl ausgeklügelt war der Plan,
Und sein Gelingen nun kein Wahn.
Verbrecherischen Anschlags voll
Die schnöde Seele Kunos schwoll,
Seit jener Stunde, da Gunild
Sich wehrte mit des Spottes Schild,
Ohnmächtig doch, zu fliehn die Schmach,
Sich fern im einsamen Gemach
Des Hüters Aug verborgen hielt,
Der auf Gewaltthat schon im Stillen
Gesonnen, die entschlossne Maid
Zu unterwerfen seinem Willen,
Zu rächen sich an Weibergrillen
Für diese Zeit und alle Zeit.
Da wars, daß aus der Wächter Troß,
Die täglich spürten um das Schloß,
Ihm unerwartet Kunde schallt,
Es irre Dagobert im Wald,
Als rauher Pilger angethan –
Doch Häscher kennen ihren Mann.
Wie? lähmt der Schreck des Schlauen Hirn,
Ist Etwas, ihn auch zu verwirrn?
Der Vorbereitete erblaßt,
Dem, ohne Ruhm, Gefahr verhaßt,
Der einst ein ritterlicher Held
Muthlos in eigner Schlinge fällt;
Ein finster Thun, voll Schadenlust,
Sät still in sorgenschwere Brust
Der Furcht geheimen Samen aus,
Deß wird sich Kuno heut bewußt,
Und dies Gefühl ist Seelengraus.
Der Bruder hier? das Wort betäubt
Den Teufel – der doch Teufel bleibt.
Es war ein Donner in den Ohren,
Gleichviel, er hat die Kraft verloren.
Die Rachgier siegt, Besinnung sucht
Sein Stolz vor des Momentes Wucht,
Der bald, von bangem Wahn geheilt,
Sich jähe Bahn zu brechen eilt.
»In meine Hand sind sie gegeben,
Für den Geliebten soll sie beben!
Der Lohn ist ausgesucht, er trifft
Den Starrsinn, er ist Schmerzengift.
Die Hölle schenkt mir den Gedanken,
An keiner Reue soll er kranken!«
Das Alles hat nun kommen müssen –
Doch der Verrathne solls nicht wissen.
War noch ein Funke der Natur
Im Bruderherzen, war es nur
Mehr Grausamkeit, mehr Hohn den Beiden?
Ich will es nimmermehr entscheiden.
So Viel hat Kuno schon gewagt,
Gelitten und blieb unverzagt.
Der klug und fest bis heute war,
Soll er zurück in der Gefahr?
Er gibt Befehl, für Nacht und Tag,
Für Alles, wie es kommen mag –
So schmiedete, der sich entehrt,
Dein Loos in Ketten, Dagobert!
Und vor die hehre Dulderin
Tritt ohn Erröthen Kuno hin;
Vergeudet der Verführung Ton,
Wo er schon wagte Schmach zu drohn.
Auf seiner finstern Braue sitzt
Verrath und Wollust, roh verschmitzt,
Die Geister, voll verruchter Launen,
Die, was er spricht, ins Ohr ihm raunen:
»Gunilde, Wittwe tugendsam,
Braut ohne Freud und Bräutigam,
Bangst unter der Entbehrung Joch,
Und harrst und hoffst, Gunilde, noch!
Wohl Sünde ist, sein Pfund vergraben;
Dein Pfund ist Schönheit, du verscharrst
Der süßen Reize Gottesgaben,
Da du in Thorheit hoffst und harrst.
Schon ist der dritte Lenz entflohn,
Und doppelt ward die Kunde schon
Vom Untergang der Glaubenshelden.
Wer soll die frohe Botschaft melden?
Und, lebt er auch, der nie war scheu,
Wer ist die Bürge seiner Treu?
Des Schattens Schatten jagst du nach,
Spinnst kranke Träume, werde frei,
In meinen Armen werde wach!
Auch ich bin Dagobert, sein Blut
Ist meines und ich bin dir gut.
Wer sagt, daß ich dem Bruder wich?
Dein Retter war, dein Freier ich;
Ich zürnte dir im blinden Wahn –
Vergiß daß ich dir weh gethan!«
Sie hörte nimmer. Abscheu brach
Der Seele Spannkraft, doch sie sprach:
Gib mir den Tod! dann sank sie nieder.
Und schwieg, niemals zu reden wieder.
»Ha, Falsche, du betrügst mich nicht!
Nun schmettre Wahrheit ihr Gewicht
In meine Schale, dein Gesicht
Wird schaudernd sehn, was dich wird stimmen
Nach Kunos Sinn, dem heut erst schlimmen!
Auf, folge mir! und dieses Tuch
Für deine Zunge, schwer von Fluch!«
Der Arge winkt, die Schergen stehn
Bereit zu knebeln und zu binden
Die Jungfrau, deren stummes Flehn
Dem Himmel gilt, den Trost zu finden.
Sie zittert, doch kein Klagelaut
Kein bittend Wort entweiht die Braut,
Des Todes Braut, denn was nun komme,
Das Herz wird brechen, weiß die Fromme;
Sie fühlt es tief, vor höchster Noth
Vertheidigt sie ein Freund, der Tod.
Man führt sie durch des Hauses Flur,
Sie wehrt nicht ab, sie betet nur;
Man hält, ein eisern Fenster knarrt
Und fällt zurück – Gunilde starrt,
Es taucht ihr Blick in nächtgen Raum,
Er schwindelt, unterscheidet kaum,
Doch langsam dämmert Stein an Stein
Des Kerkers auf zu mattem Schein,
Und aus dem Düster zeichnet bald
Sich eine lebende Gestalt
Graunhaft hervor, weh! brichst du Herz?
Das sind die Züge Dagoberts!
Der Freude Schrei, des Schreckens Schrei
Ist ihr versagt – o Himmel steh ihr bei.
Freu dich des Wiedersehns, mein Kind!
Grinst Kuno, der Verderben sinnt,
Sich an dem Schmerz des Weibes weidet,
Und doch die bittre Wonne neidet.
Wie? das zermalmende Gefühl
Wirft sie nicht hin, sie steht und schaut
Hinunter auf den harten Pfühl,
Drauf der Geliebte hingegossen
Den Sinn der Außenwelt verschlossen –
So nah, so fern der theuern Braut!
Grausame Lust, das Glück mit Martern geben,
In Einem geben und auch nehmen Leben.
War Tyrannei vom grauen Ninus her
Erfinderischer, boshaft, schamlos mehr?
Verbissner Aerger schlürft in gierigen Zügen
Solch schnöden Kelch, solch schmähliches Vergnügen.
Scheußlichen Scharfsinns feige Ausgeburt
Ist diese That – nein, That der Ehrenname
Ziert Treiben nicht, wo selbst der Schurke murrt,
Und nimmer faßt, der ganz empfindungslahme.
Das ist nicht Haß mehr, wildes Spottgelüst,
Das ist ein Streich, der ohne Namen ist.
Empört dich nicht dein Athem, o Tyrann,
Nicht deine Hand, dein Hirn, das Solches sann,
Dein Auge ärgert es dich nicht,
Daß es verdammet, anzuschaun,
Was du begehst im reinen Himmelslicht,
Bist du so elend, daß dir nicht wird graun?
O er ist kein Tyrann – denn Zorn und Rachgefühl
Und Leidenschaft und Hohn ist doch Gefühl,
Ist Regung in der Menschenbrust und Leben,
Zeigt Menschensinn und wird von Gott vergeben.
Jedoch ruchlose Oede der Natur
Noch mehr denn Stein, o, Schlacke nur,
Verachtet wird sie sein, verflucht, verspeit,
Verworfen wird sie sein in Ewigkeit.
Kuno ist nicht empört, und sieht Gunilde weinen,
Gunilde weint, ein Engel weint aus ihr!
O Thau des Himmels, diese Thränen scheinen
Im eignen Licht, das ist nicht irdsche Zier.
So milder Glanz, so rührend blickt dies Funkeln,
Gib Schächer Acht, es leuchtet fern im Dunkeln!
Dies Leuchten spricht, beredtren Jammer nie
Sog Menschenohr, sann Liebesphantasie.
Ha! Dagobert merkt auf, zum Innern dringt
Es ihm wie Blick und Ton, der ganz ihn zwingt,
Wehmüthger Schmerz durchschüttert, schauert
Das Mark des Seins und jede Fiber
In willenlosem Eifer lauert,
Wies im Gemüth ihm trüber wird und trüber,
– So tief hat seine Seele nie getrauert.
Als wie vom Blitz gerührt zerschmolz
Die ehrne Säule – Mannesstolz;
Die Fassung dämmert ein, es überzieht
Des Geistes holde Freiheit sich mit Schleiern,
Des Leibes Luft, der Lebensmuth, entflieht,
Und selbst die Sinne feiern.
Dann schwärzre Nacht und Hoffnungslosigkeit
Dünkt ihm zu nahn, noch bittrer Leid
Unsäglich bittrer Leid, und nur für das
Bleibt Kraft des Grübelns ihm, Traumlüsternheit:
Ihm ist, im Grab zu sein, es wächst das Gras
So langsam leise über all sein Leid,
Er lauschet dem, fühlt über sich die Nähe
Der Freunde, der Geliebten und ihr Wehe.
So klar, so einzeln jeglich neue Welle
Des Grames spült durch seines Blutes Quelle,
Sein todmüd Herz.
Und unerbittlich reifen die Gedanken
Dem Ziele zu in seinem Geist dem kranken.
Er weiß, daß er noch ist, daß ewge Nacht
Liegt hinter ihm und vor ihm Tag nicht wacht,
Das ist so deutlich, ohne daß es frommt,
Er staunt, daß so der Wahnsinn kommt.
»Genug! herrscht der Barbar, schleppt sie zurück!
Kein Trotz mehr blitzt aus ihrem – sanften Blick.
Nun höre dies, mein Täubchen, und sei klug,
Willst du nicht sein, die ihren Freund erschlug.
Es ist Vernichtung über ihn verhängt,
Es ist kein Gott, der seinen Kerker sprengt,
Es ist beschlossen – und sein schönes Haupt
Dem Tod verfallen, doch dir ungeraubt;
So zur Vermählung dichs im Sterben drängt,
Das blutge sei zu küssen dir erlaubt!
Nur Eines fordr ich und begehr es kühn:
Noch soll für mich die Hochzeitsfackel glühn,
Eh neuer Morgenthau die Blumen tauft,
Warst du mein Weib, hast meine Huld erkauft:
Dann seis vergönnt, daß du ihn wiedersiehst,
Daß vor dem Sterbenden du niederkniest,
Dann sollst du freigegeben im Verscheiden
Am bleichen Antlitz deine Lippen weiden,
Den letzten Seufzer seines Mundes trinken
Und mit dem Freund in ewge Brautnacht sinken!
Nie anders auch vermeidest du Gewalt
Und Kränkung dir, statt wonnig Enden bald!
Ihm aber, wisse, reichest du ein Gift,
So schlimmen Tod, deß volle Schuld dich trifft,
Den Freund in stolzer Seelenruh
So schnöder Buhlschaft überlieferst du,
Des Hungers Furie, die nach Opfern girrt,
In deren Umgang er so häßlich wird,
Daß, wenn die Braut an solchen Gatten denkt,
Sie jede Lieb in Thränenfluth ertränkt,
Und öden Herzens, süßem Träumen fremd,
Des Lebens Flamme trostlos niederschwemmt.
Entscheide nun, ich ehre dich durch Wahl,
Die so ich gebe: sei mir heut Gemahl,
Kein äußrer Zwang, unzart Begegnen mehrt
Die Last des Unglücks dir, dem Niemand wehrt!
Verwirf mein Werben, und der Freund verdirbt,
Daß hundertfach er Tod durch dich erwirbt!«
Da hob den reinen Blick Gunild,
Und heftet ihn, durchdringend mild,
Doch so gebietend ins Gesicht
Der Schergen Einem, welcher spricht:
»O Herr, im Dienste grauser Pflicht
Und im Gehorsam ward ich grau,
So streng, so rasch verfahre nicht,
Gib kurze Frist der armen Frau,
Sie wird, laß nimmer dichs verdrießen,
Nach deinem Wunsche sich entschließen.
Er bietet Kuno scheu die Hand,
Doch war sein ganzer Sinn gewandt;
Ich rette sie, ruft laut sein Herz,
Des Sünders Gold winkt höllenwärts,
Der Unschuld stummer Schmerzensschrei
Schneidt mir die alte Seel entwei.«
Und Kuno gibt verblendet nach,
Verläßt, verschließet das Gemach,
Eilt dann, mit höllischem Behagen,
Den Rest des Tags im Forst zu jagen.
Indeß Gunild – doch wer beschriebe
Den Sturm, den Taumel des Gefühls
Beim Uebermaß so grausen Spiels
Mit einem Herzen voll der Liebe!
Die Unglückselge wirft sich hin
Am Bild der Himmelskönigin,
Umklammert es mit Armen heiß,
Und sieh – ist es der kalte Schweiß? –
Ein Diadem von Perlen drückt
Die Göttliche aufs Haupt der Dirne,
Mit heilger Martyrkrone schmückt
Sie der geliebten Tochter Stirne.
O Kuno, wähnt dein dumpfer Geist,
Gunilde sei so ganz verwaist,
Wähnst du, ihr bliebe keine Wahl
Als Dein entehrendes Gebot?
Du feiger Rechner, eine Zahl
Stürzt dein System – sie lautet Tod.
Die Liebe fände Weg und Licht
Durch Finsterniß und Schrecken nicht?
Sie träte so beweinenswerth,
Wie Du es willst vor Dagobert?
Die heldenmüthige Vernunft
Der keuschen Einfalt stumpft das Schwert
Der tölpischen Despotenzunft!
Im Staube staune der Tyrann
Zu solcher Klugheit Glanz hinan!
Verwirrt, geblendet stürz er fort,
Der Mörder bebe vor dem Mord,
Entgangen seinem Augenmerk
Was hier geschah, und doch sein Werk! –
Muß es denn sein, bringt kein Geschick
Ihr Rettung mehr und Liebesglück,
Und triumphirt der Dränger, so
Sei er des Werks doch nimmer froh!
Ihr blutger Leichnam wird ihn schrecken,
Sein schlafendes Gewissen wecken,
Hier wird das freche Laster zagen,
Den scheuen Schritt nicht weiter wagen;
Durch deren Schönheit all das kam,
Ist sie nicht mehr – entnervt ihn Scham.
Und wehrt die tiefe Schuld zu geben
Dem Bruder Freiheit, Gut und Leben,
Wehrt sie der Reue frischem Quell
Aus hartem Felsenherzen hell
Und reich zu strömen, wehrt sie auch
Freudger Versöhnung Lebenshauch –
So warf Gunildens Opfermuth
Die Schranke doch vor neue Wuth,
Der Rache glühende Dämonen,
Die jetzt in Kunos Busen wohnen,
Verscheucht Gunildens rauchend Blut;
Drohende Qualen wird es wenden,
Erlösung dem Geliebten senden,
Es heißt die Kainsthat – vollenden.
In hehrer Glut der Abendhimmel brennt,
Und silbern tritt der Mond ins Firmament.
Aus Felsenbuchten über weiten Wald
Der Hörner Widerhall herüberschallt,
Zum Schloß herauf dringt heller Waidmannsruf,
Um Einlaß scharrt schnaubender Rosse Huf,
Und aus den Bügeln springt der Edlen Troß,
Nach wildem Zechen lechzt der Jagdgenoß.
Auch Kunos Sinn steht nach des Mahles Freuden,
Bis Mitternacht die Stunden zu vergeuden,
Heut aus dem Weine, süßem Rebenblut
Die rechte Stimmung holen dünkt ihm gut;
Und mit dem Becher an dem Munde laut
Lallet er Hohn auf eine treue Braut,
Läßt er die Hochjagd leben, prahlet keck
Mit Edelwild, zu der Vertrauen Schreck,
Und mit dem Becher an dem Munde laut
Vom Liebchen spricht er, heut noch angetraut.
Ein sinnverwirrend klirrendes Getöse
Braust durch den Bau ehrwürdger Heldengröße.
Auch an des ächten Wahnsinns Kerkerthor
Gebrochner Ton des Jubels sich verlor,
In Dagoberts einsame Geistesnacht
Schweifet ein Stern, der lieblich niederlacht.
Ihm däucht es festliche Musik zu sein,
Und sanfter Schlummer wiegt den Aermsten ein.
O weh, da träumet sein zerstört Gemüth
Von süßer Feier, die ihm endlich blüht.
Die Stunde wars, da fern im Thurmgemach
Ein treues Herz, das Herz Gunildens brach.
Indeß in Jagd- und toller Zecherlust
Der Zwingherr schwelgte, war der greise Knecht,
Nur von Gunildens Rettung voll die Brust,
Hinausgeeilt, zu rufen Schutz und Recht.
In nachbarlich Gebiet, volkreichre Gegend
Tritt er, die That mit Kühnheit überlegend.
Erwägend, wem er bringe solche Kunden,
Hat er den rechten Mann schon ausgefunden.
An schattger Halde hält ein schmucker Troß
Von auserlesnen Rittern, hoch zu Roß,
Und von der Heerstraß naht ein andrer Zug
Ehrfurchtvoll grüßend unter Fahnenflug,
Mit Sang und Klang, wies weiten Weg versüßt,
Der Bischof ist es, der den Kaiser grüßt.
Und unversehens vor den Fürsten stand
Der greise Wandersmann im Knechtsgewand;
Er hebt die Hände hoch zum Himmel auf,
Es hemmt sein Ruf den Hin- und Wiederlauf
Und auf der Hörer staunendes Begehr
Erzählt er laut die schlimme dunkle Mähr,
Von Dagobert, von Kuno, von Gunild,
Daß Wuth und Schmerz aus jedem Auge quillt,
Daß selbst der Bischof, Bischof Burkhard wars,
Ein Zucken spürte seines Augenpaars,
Daß ihm ein Graun die Seele überschlich,
Und daß sein Blick des Kaisers Zornblick wich.
Wohl war der Kaiser in das Land gekommen,
Gericht zu halten zu der Unschuld Frommen,
Und das Verbrechen zitterte vor ihm
– Vor Sankt Georg scheut so das Ungethüm –
Doch unverhofft war Kaiser Konrad da,
Schnell, scharf mit Aug und Schwert und immer nah.
Kein Säumen gilt, der Bischof Burkhard meint,
Dem Schicksal schuld ich Rettung für den Freund;
So wills mein Stolz, daß der nicht untergeht,
Der meiner Rache voll Genügen brachte,
Der meine Rechnung nicht zu Schanden machte,
Der vor der Welt nicht, der vor mir besteht.
Drum einen zuverläßigen Mann
Nimmt Bischof Burkhard heimlich ins Gebet,
Wie Ränkesucht sich stets ihn wünschen kann.
Den sendet er auf Stromberg flugs voraus,
Zu führen Kuno aus des Fluches Haus,
Ohn alles Zaudern, Plaudern, Warnen, Drängen
Mit dem Betroffnen aus dem Schloß zu sprengen,
Und früher nicht den Rossen Ruh zu gönnen,
Bis sie im Kloster fern sich bergen können.
Mit diesem Ring, so flüstert der Mann Gottes,
Erstickst du die Entgegnung kecken Spottes,
Wird ihn der sorglos Schwelgende gewahr,
Glaubt er mit Zittern bald an die Gefahr;
Erschlossen ward mir heut des Ritters Sinn,
Wie ich ihn kenne, däucht ihm Flucht Gewinn,
In eines Klosters undurchforschten Mauern
Entrinnt er gern des nahen Todes Schauern,
In eines Büßers härenem Gewand
Birgt er getrost sich jetzt vor Henkershand,
Und beugen ihn nicht höhere Gewalten,
Mag wälsche Pfründe einst ihn schadlos halten!
Schon ruchbar in Palast und Hütte
War Kunos unerhörte That,
Als in der Zecher schwüle Mitte
Auf Stromberg Burkhards Bote trat;
Verlarvt, daß Keiner ihn erkenne
Der Zeugen hier und später nenne,
Erprobt er schlau des Ringes Macht,
Davon der Schlemmer jäh erwacht,
Und, wie der Priester sah voraus,
Verzweifelnd floh von Schmaus und Haus.
Dann, weil der Wirth nicht kehrt zum Feste,
Zerstiebt der scheue Schwarm der Gäste,
Und wie gescheucht von bösen Zeichen
Die bleichen Diener auch entweichen.
Vor Mitternacht mit den Getreun
Traf noch der rasche Kaiser ein:
Vergeltung hofft er reich zu üben,
Doch was er fand, es konnt allein,
Sein glühend Herz zu Tod betrüben.
Der Bischof auch, mit frommem Blick,
Bleibt hinter Konrad nicht zurück,
Geistlichen Fluch und Sakrament
Zu spenden, wie ers dienlich fänd –
Wo Alle zürnen, trauern, schauern,
Still zu frohlocken und zu lauern.
Vergeblich wird das Schloß durchsucht
Nach Kuno, dessen wilde Flucht
Ein Räthsel bleibt.
Im schnell erbrochnen Thurmgelaß
Lag dort Gunild, die Braut so blaß,
Dort lag sie todt – ermordet nicht –
Ein sanfterloschen Himmelslicht –
Zerronnen vor dem grauen Morgen,
Ein Stern, im Himmel tief geborgen.
Wer hebt so lautes Jammern an?
Wirft sich, ein aufgegebner Mann,
Zu der Entseelten Füßen hin,
Der Knecht vor die Gebieterin?
Zu früh für seine Schuld verblich
Die Dulderin, der Keine glich.
Er rafft sich mühsam auf, er führt
Nun Fürst und Ritter, tiefgerührt,
Bei schauerlichem Fackelschein
In Dagoberts Gefängniß ein.
Weh ihm, er schlummert kranken Schlaf,
Bald fährt er auf, wenn Schreck ihn traf,
Bald spielt ein Lächeln um den Mund,
Bald seufzet er von Herzensgrund –
Er wacht; er weicht, er rast, er reißt
Das Schwert dem Kaiser von der Seite,
Aus seinem Auge glüht ein Geist
Vernichtung brütend naher Beute.
Es ist kein Irrsinn, der so blickt,
Und, der ins Innerste erschrickt,
Der Bischof, weiß, was es bedeute.
Den Einen aus der Menge kennt
Der Wahnwitz auch, den Einen brennt
Er zu vertilgen, ist doch klar,
Daß der des Leids Urheber war.
Und blind, die Schwerter rings verachtend,
Auf den Gefährlichen gezückt,
Dringt auf den Bischof unberückt
Der Tolle die Vertheidger schlachtend.
Der Ritter Ehre, Burkhards Stolz
Heischt nun zu bleiben; schon verpfändet
Ist jene, hundert Haufen Golds
Böt dieser dem, ders rühmlich endet.
Dem Muthigsten wills nicht gelingen
Den wilden Helden zu hezwingen,
Zu greifen ihn, verhütend Tod,
Wie Kaiser Konrad es gebot.
– Doch Kaiser Konrad wurmt die Noth
Der besten Männer und ihr Tod.
Und ein Gedanke leuchtet hell
In seiner Seele auf: »so schafft
Die todte Jungfrau mir zur Stell!
Der Wahnsinn nur schürt ihm die Kraft.
Geht Bischof, bringt die Leiche schnell!
Reicht mir ein Schwert indeß – das Wort
Ist unnütz hier, er rast nun fort.«
Man bringt die Bahre, und es ruht das Kämpfen,
So schmerzreich Bild mag Wuth und Wildheit dämpfen.
O seht, o seht! sein schartenvolles Schwert
Wegschleudernd stürzt zu Boden Dagobert.
Der Augenblick entschied, denn schon zugleich
Schlug ihm der Kaiser tödtlich scharfen Streich.
Nothwehr gebots. Der löwengrimmigen Wuth
Die Spanne Zeit, es rönne fürstlich Blut.
Am kalten Munde dort hing Dagobert
Der Sterbende, dem ach, Besinnung kehrt;
Der Unglückselge, der von Kaisers Hand
Gelenkt den Weg in ewige Brautnacht fand.
Er blickt empor – o Gott, mein Kaiser hier?
Wo bin ich? O lebt wohl! Vergebet mir!
Gott sei mit euch! An liebem Munde läßt
Sich süß verbluten. Rittet ihr zum Fest?
Zu meinem Hochzeitsfest? – da starb der Laut
Auf seiner Lippe überm Mund der Braut.
Es ruht die Hand in Kaiser Konrads Rechten,
Der zitternden, der nicht vom Kampf geschwächten
– Der drückt sie stumm, zur letzten Pilgerfahrt,
Und Thränen rollen in des Kaisers Bart.
Da braust es fernher wie von wirren Stimmen
Empörung und Zerstörung gierigen, grimmen.
Kommt! Fackeln vor! schon drängt die Menge draus.
Gebrochen sei die Burg! Schutt dieses Haus!
Mit wenig Tapfern, die ihm ließ der Tod,
Trat Deutschlands Herr hinaus ans Morgenroth.
Ludwig Eichrodt