Albert Camus - Der Mensch in der RevolteIn diesem 1951 erschienenen philosophischen Werk schreibt sich Camus von seiner kommunistischen Vergangenheit frei und versucht ausgehend von seinen damals geschätzten 70 Millionen Opfern des Faschismus und Kommunismus philosophisch sich totalitären Ideologien zu nähern.
Dabei ist ihm kein Anliegen, faschistische, nationalsozialistische oder kommunistische Ideologien aus sich selbst zu erklären bzw. zu widersprechen, sondern er geht von der Dichotomie Revolte versus Revolution aus.
Revolte war für ihn Prometheus gegen Zeus, Spartacus gegen die römische Sklavenhaltergesellschaft: das Ich will sich in seiner Würde rehabilitieren.
Revolutionen definiert Camus weitergehend. Es geht nicht um die Wiederherstellung der Würde, sondern um den Sturz von Göttern, um den Sturz von Prinzipien, um die grenzenlose Freiheit, und dies extrapoliert Camus anhand von vier Beispielen (drei historische, ein literarisches): de Sades, der Jakobinerherrschaft, des Nationalsozialismus, des Kommunismus.
Die Revolution in den Romanen de Sades engt sich in Katakomben von Burgen und Schlössern ein, die totale Freiheit äußert sich in der Tortur von Versklavten. Dies ist für Camus die Blaupause für die drei Höllen auf Erden, die alle sich wie de Sade einigelten und die Menschen versklavten: die Jakobiner in Frankreich mit dem Tugendterror - "Beweist eure Tugend oder geht in die Gefängnisse" ist der totalitäre Slogan, der Gefängnisse schließlich durch Gouillotinen ersetzt und die totalitären Herrschaftsformen des 20. Jahrhunderts vorwegnimmt.
Die Revolution hat schließlich nichts mehr mit der Revolte zu tun, welche die Würde des Menschen wieder herstellen möchte.
Lenin verschiebt den Verfall des Staats auf den Zeitpunkt, an dem die Menschen "nach ihren Bedürfnissen" versorgt werden können - also auf den Sankt-Nimmerleinstag, bis dahin regiert die Partei im Namen der Geschichte und besitzt die absolute Freiheit über ein versklavtes Volk.
Für Hitler ist die Geschichte die tausendjährige Herrschaft des deutschen Volks, welches - wie auch die Partei Lenins - ihn und seine Partei ermächtigt zu töten und vernichten, wie es beliebt.
Kernpunkt in Camus' Analyse ist die Vernichtung von göttlichen und moralischen Prinzipien. Dies führt zu einer nihilistischen Absolutsetzung einer historischen Mission, welche es notwendig macht zu vernichten, was diesem Ziel entgegensteht. Dies ist die philosophische und ideologische Klammer der totalitären Herrschaft der Jakobiner, der Kommunisten, der Nationalsozialisten.
Eigentlich ist das Buch eine Sammlung von Essays, doch wegen der Klammer der Analyse von totalitärer Macht, erkennt man dies nur an manchen Redundanzen bzw. an Analysen, die das Thema sehr weit fassen: der französischen Philosophie der Aufklärung, der romantischen Kunstbewegung, dem Individualismus Stirners sowie dem Nihilismus Nietzsches sind große Räume gewidmet.
Wer immer sich mit totalitären Herrschaften näher beschäftigen möchte: dieses Buch von Camus ist unumgänglich, wenn wegen der hohen Komplexität auch nicht unbedingt als erste Lektüre.