Teil 1:
SpoilerEinElch schrieb:Ich saß so da, in meinem Kämmerlein, ganz für mich, und fast allein.
Da begriff mich ein Gefühl im Nacken glatt, die Atmung wurde schwer, die Augen matt.
Das Gefühl, das kannt' ich schon, wars meine altbekannte Depression.
Kein Augenblick zu früh, so kam sie angekrochen, aus dem Deckenbalken gebrochen,
kippt sich aus 100 Liter Fässern laut und krachend, auf den Boden, hämisch lachend,
schwappt an die Kanten der Fassaden, schwappt an die Ränder der Myriaden
aus Jahren, die sie schon mit mir geht, überall wo meiner träger Körper steht.
Und aus dem Pech, dem Teer, der vom Himmel rann, zog ein Schimmern mich in seinen Bann.
Die schwarze Galle, sie zieht und brodelt und zischt,
als ob das wilde Meer mit heißem Feuer sich mischt,
bildet Formen, Quadrate, Muster und Grimassen,
bis dann endlich, die Augen eine Gestalt umfassen.
Aus dem Meer mitten aus schwarzer Tinte, erst ein, dann ein zweites Auge glimmte,
Ein Grinsen, schief unter krummer Nase, mit zitternden Nüstern in wahnhafter Ekstase,
Hände, klein, mit Fingern lang und dürren Klauen, die in Teufelseifer auf den Boden hauen.
Die Spitzen Ohren sind eng angelegt, die schmalen Augen springen angeregt
über den Boden, die Wände, seine Füße und die Hände.
Dreikäsehoch steht er vor mir, mein persönlicher kleiner Homunculi.
"Sieh da, so trifft man sich,
nicht nur im hirnigem Zwiegestreit,
sondern von Angesicht zu Angesicht!
Ich mach mich jetzt in echt mal breit
denn auch Dämonen sind es leid,
immer nur im Dunkeln sitzen,
ich bin nicht dumm,
das macht Nas und Rücken krumm!
Du selber bist ohenhin nicht ganz gescheit, ich bin dass elende streiten leid,
und so: J'accuse! - Was ist aus dir geworden?
J'accuse! - Wann hat dich das Leben je umworben?
J'accuse! - Wen erdrücken die inneren Horden?
J'accuse! - Es soll wohl doch so sein, für immer du und ich, hier allein!
J'accuse! - Denn wenns nicht so wär, wie wär es dann? Du wärst mehr - du wärst ein Mann!
J'accuse! - und was soll das für ein Mann sein? Der jeden zweiten Tag nicht hebt das Bein
auch nur einen Schritt weit vor die Tür, als wäre das besondere Kür,
sich nur aufzuraffen und sich wohlzutun, sich nicht gerieren als wäre man der Gottessohn,
der die Sünden und die Last zu schultern wusste, die der Herrgott auf ihn abwälzen musste,
zum Wohle alle anderer, denn die Geschichte nur darüber lacht - das hat bis heute keinem was gebracht.
Und so bringts auch dir nicht, unglückseeliger Menschensohn, manche sind zerschmettert, das ist heuer deren Lohn.
Und mancher Lohn ist bitter, und dieser noch viel bitterer:
J'accuse! - Du bist selber Schuld, du elender Geschichtsklitterer."
So starrte ich hinab auf das ölige Wesen, dass gerade noch eine Metapher gewesen,
jetzt schon leibhaftig vor mir stand, als wäre ich Atreju, und dies ein Wunderland.
Fast rechne ich damit, dass ein Glücksdrache mich zum Himmelsritt
entführt aus der surrealen Welt, die mich gerade im festen Griffe hält.
Und so ring ich mit den Worten und trotz all der Bücher, allerorten,
schaff ich nur einen einziges Wort in einem einzigen Satz
"Was?"
Teil 2:
SpoilerEinElch schrieb:Teil 2:
"Wie, 'was?'; Ja 'was'!
Ich sage dir 'was' und zwar das:
Nein, das ist kein Sockenschuss
und auch die Iris sich nicht täuscht,
Es ist ein waschechter Homunculus,
um dessen Ecken Licht sich bäuscht;
Die Erkenntnis folgt ihm auf dem Fuss.
Deine Netzhaut ungläubig, so munkelt sie
angesichts der Dinge, die sie kaum glaubt,
zum Hirn hinauf verwirrt: 'Ist es ein Homunculi?
Mit dürren Beinen und kaum Haar am Haupt?'
Sowas, nein Sowas sah dein Aug' noch nie!
Und auch Verstand nur schwer kanns fassen
und das Bild in die Welt hinaus entlassen,
beinahe nur ein blinder, dunkler Fleck
mit Pech, mit Glück ist's Fliegendreck!
Bleib nun länger mit dir erhalten,
Kann den Wahnsinn dir verwalten,
der Tag um Tag aus jeder Pore quillt,
emsig suchend, immer todgewillt,
in die Ruinen der Vergangenheit,
in alte Räume der Befangenheit
in denen dein "Ich" tatsächlich sitzt,
im aufgeregten Traum ein Blick nach außen blitzt.
Dort aus ähnlichen Gefilden,
aus ganz ähnlichen Gebilden,
so krumm und schief und quer
dass zu richten man schafft nicht mehr,
kam ich zu dir geflossen,
von dir selber ausgegossen,
von dir selber herbeschworen
von dir selber, selbst! auserkoren."
"Das heißt, du kleiner Teufelskerl
kamst aus meinem Herzen her?
Welch Unsinn, welche Lüge!
Kamst doch weder durch die Türe,
Durch die Nase, durch die Ohren,
auch nicht vom Darm vergoren -
vom Himmel tropftest du soeben
warst bis eben nie am Leben!
Ein Hirngespinst im eigenen Wahn,
meine Fantasie hats schlicht vertan!"
So sprach ich und schloss die Augen
Und ballte Fäuste in den Taschen;
verlor nach Augenaufschlag jeden Glauben:
Saß der Wicht noch dort, fast war mir nach lachen.
"Übermüdet muss ich sein, so erklärt es sich!
Müde erkennt man überall ein Gesicht!
Denn Schlaf, den hab ich wenig,
und den ich hab ist schwierig -
Eine gute Mütze voll nächtlicher Ruh
mit allen Läden und den Fenstern zu,
sollt den Verstand mir wiederherstellen
und sich nicht fortgesetzt querstellen.
Du bist sicher kein Homunculus!
Bestenfalls mein Runzelfuß,
ein Streich der blanken Nerven
des erlahmten Ichs ohne Reserven,
den ich in fieberhafter Torheit
Nicht ignoriert bekomme - Kleinigkeit!
In den nächsten Stunden schon bist du verschwunden!
Vom Angesicht der Erde wirst du fallen, wenn ich schlafen werde!"
"Du denkst, du wirst mich so fix los?
Ich entspringe Phantasias Schoß?
Das tu ich nicht,
Du Milchgesicht!
Meine Gegenwart ist jetzt dein Los!
Ich stehe jetzt länger hier
Und gerne spiel ich dir
- ich irre,
du kirre -
Ein Lieblingslied von mir!
Denn der irre Fiedler in deinem Kopf
der bin ich, du bemitleidenswerter Tropf!"
"Ich erkenne die Stimme
der ich nie entrinne!"
"War das die Erkenntnis, auf die ich hoff?"
"Als ob ich wüsste, was du dir erhoffst,
ich würde raten, so ich müsste, dass du meiner Ratio trotzt,
per fiesem Taschenspielertrick einen Fuß gesetzt in meine Tür,
festgebunden deinen Rettungsstrick - ich weiß nur nicht wofür?
So glaub ich denn, dass du sehr wohl existierst,
aber auch nur wenn, du mich hirnlos retardierst.
Denn keinem Lumpen, auch nicht mir,
und seis betrunken, erschien je so ein Tier.
Genug der Selbstgespräche", schließe ich mit Nachdruck
entschlossen, nicht zuzuhören, und morgen, so ich nachguck
sind alle Geister wieder in der Lampe
ein neuer Tag im Leben von der Resterampe!
So lieg ich, schläfrig, und wart noch auf den Sand,
der mich entführt, in mein Wunderland.
Mit Wundern voller Zaubern
und Wolllust ohne Zaudern
mit Spiel und Tanz und buntem Licht
für jeden dort, nur für mich nicht.
Denn kaum bin ich hinfortgeronnen,
im dunklen Limbus angekommen,
wie der Regenwurm vor den Wassern flieht,
die er vom Grund der Erde nach oben strömen sieht,
bohr ich meinen Kopf aus feuchtem Dreck,
schwimm auf einem alten Kahn,
mitten in den malmenden Orkan.
Die Wand des Bootes, sie schlägt Leck
und die Meere tun sich auf purpurrot
und hinab gen gelbe Zähne stürzt mein Ruderboot.
Im freien Fall, dem Kern entgegen
jeder Funken Hoffnung weggenesen.
Ich sehe Staub auf Fensterscheiben
und ein weites, totes Land
Ich sehe dahinter wildes Treiben,
aus schwerem, dunklen Sand
grelles Licht und einen Spiegel, der mit seinen Bildern droht,
und mein blanker Körper, balancierend zwischen Leben und Tod.
Ich sehe Menschen, die bekannt sind,
ich sehe mich doch gar als Kind,
grelle Fratzen die verspotten
um die Lichter seh ich Motten,
umkreisen blind ihr Ende.
Ich sehe tausend leere Wände,
doch nicht eine leere Hand
Ich seh mich nicht, denn ich hab mich nie gekannt.
Der Aufprall, er ist heftig,
und mit einem lauten Knall -
mein Körper, er ist schmächtig -
und zerspringt nach jenem Fall.
Ich platz auf und bin zerschmettert,
in Einzelteilen wild verstreut
wie teures Porzellan, zerdeppert.
Fühle mich kritisch beäugt
ehe sie sich aus Schatten pulen,
die Gespenster aus den Pfuhlen
im tiefsten unbewussten Selbst,
wo du eigentlich Entscheidungen fällst.
Die dich heimsuchen, dich verfluchen,
die toben und rasen, hässliche Phrasen
sich und dich jagen, ihren Hass hinaustragen,
ein ewiges Volksgericht, mit mir im Rampenlicht.
Schwarzblende, zerstoben zu Staub all die Lichter
und Geister und Gestalten und endlose Meerestrichter
reißt der Schmerz mich trügerisch
aus der Menagerie des Horrors,
denn dieser Schmerz ist physisch.
Das Kreuz, der Arm, das Genick sowohl
plagen mich, der Rücken hohl.
Umgewälzt mit Augen wie von Blei
ob Horror oder nicht, es bleibt dabei:
Besser schlafen als nicht, denn sind wir ehrlich
keiner braucht Tageslicht, denn Wach-sein ist beschwerlich.
Kaum ausgedacht, da packts mich schon
und in allertiefster Nacht, schwing ich mich zum Lohn
in die heile Zeit zurück, denn sie war ja kurz genug,
ein winzig-kleines Kunststück, in einer Welt aus Lug und Trug.
Die alten Freunde, die leichte Zeit
ach, was wäre ich leicht bereit,
20 Jahre einzutauschen für ein Jahr,
wäre ich doch nur wieder da -
als die Sorgen mich war emsig ritten
und Irrsinn und Gottkomplex im Kreise schritten
lauernd sich betrachten, sich umgarnten
und mich mit keinem Zeichen warnten.
Damals, da war die Welt noch noch so klein
und alles, das war mein, passte in einen Raum hinein.
Verantwortung, die gab es nicht,
ich lachte jeder derer ins Gesicht.
Lebte frank und frei nach meiner Nase
- war halt diese spezielle Lebensphase.
Die Quittung, die wurde mir wohl ausgestellt
und so ging wohl all mein erstes Geld
zum freikaufen aus der Schulsklaverei
und der erbärmlichen Lehrplanbarbarei
in die gierig zuckenden Hände der Stadtkasse,
eh ich endlich das Abschlusszeugnis fest umfasse.
Lotterleben, ich grüßte deine Ankunft!
Ich war und bin eine Zierde deiner Zunft!
Und so seh ich dich, und sehe mich
sehe die, die mir mal teuer waren
sehe die, die mich verlassen haben.
Und es offenbart sich mir die Wahrheit,
ja, im Traum offenbart sich plötzlich Klarheit -
alle sind sie heute fortgegangen
nur ich, ich bin hier festgehangen.
Das Lotterleben, so wie man es kennt -
ich habe Jahre, Jahre glatt verschenkt.
Zurückgezogen - zurechtgebogen.
Jede Menge Gründe aufgezogen:
elitär, zu klug, ein Feingeist eben,
zu fein, sich mit Pöbel abzugeben.
Man passt ja einfach nicht hinein,
ist ein Rindvieh unter Schweinen,
Exzentriker, Luftikus, Universalgenie,
das, noch mehr, und weniger wars nie.
Heute seh ich auf mich selbst herab
und befinde kurz und knapp:
Der Dämon wars, der in mir wohnt
der auf meinem Denken trohnt,
der mir schwarz das Bild gefärbt,
der mir nichts als Hass vererbt,
nicht ein Quäntchen Freud gewährt
und sich gegen Glückes Schimmer wehrt.
So liege ich dort und schlafe kaum
verweile eher halb als ganz im Traum.
Krall mich fest, mit Gewalt im Hirngespinst,
weil du weißt, dass du sie mit Erwachen umbringst.