Gedichte: Tragik
18.04.2006 um 02:29
Das Engelskind Anna
Es war wieder einmal Weihnachten auf der Erde.
DerWeihnachtsmann lud alle Geschenke für die Menschenkinder auf seinen
großenSchlitten. Der Schlitten sah sehr prächtig aus und er wurde von 7
Rentieren gezogen.
Neben den Geschenkpaketen saßen 7 Engel, die dem Weihnachtsmann helfen
sollten,die Geschenke zu verteilen. Im Himmel gab es ja ganze Scharen von
Engeln, aber nur 7Engel wurden für diese Heilige Nacht ausgewählt. In
diesem Jahr war nun also dieWahl auch auf das Engelskind Anna gefallen.
Schon tagelang vorher war sie aufgeregtund sie träumte jede Nacht von der
Fahrt mit dem herrlichen Rentierschlitten. Dannam Heiligen Abend war es
endlich soweit.
Die Rentiere hatten vor lauterAufregung rote Nasen, und die Engel hatten
ihre goldenen Flügel solange geputzt, daßsie jetzt im Sternenlicht wunderbar
funkelten und blinkten.
Hey, was machte dasfür einen großen Spaß mit dem Geschenkeschlitten
durch den Himmel zu fliegen!
Der Weihnachtsmann drehte sich zu seinen Engeln um, lächelte Anna
freundlich anund blinzelte dabei mit den Augen, als ob er ihr etwas sagen
wollte.
Im nächstenMoment ging ein Ruck durch den Schlitten: eines der Rentiere
hatte einen Schluckaufbekommen.
Ein Rentier mit Schluckauf? Der Weihnachtsmann fing laut zu lachen an, und
auch die Engel stimmten in das Lachen ein; das klang dann so, als würden
Glockenklingen.
Da aber passierte es: eines der Pakete geriet in's Rutschen und als Anna
danach greifen wollte, fiel auch sie vom Schlitten herunter.
Schnell bewegte sieihre Flügel, und sie schaffte es auch noch, das Paket
aufzufangen.
Als sie sichdann umschaute war der Schlitten schon weit davongefahren.
Unter sich sah Anna aberschon die Häuser der Menschen.
Und so landete sie erst einmal ganz sanft und leiseauf der Erde.
Sie stand ganz verloren zwischen den Menschen. Das Paket in ihrenHänden
drückte sie fest an sich, so als könnte sie sich daran festhalten.
Aberwarum blieben die Menschen stehen?
Manche schauten sie verwundert an, als könnten sienicht glauben,
was sie dort sahen.
Wieder andere lachten Anna einfach nur aus!
Warum nur? Anna sah doch genauso aus wie ein Menschenkind.
Bis auf die goldenenFlügel; so etwas hatten die Menschen noch nie gesehen!
Anna schaute verlegen auf denBoden und wünschte sich ganz fest, daß ihre
Flügel unsichtbar wären.
Und miteinem mal gingen die Menschen achtlos an ihr vorbei, denn ihr
Wunsch war inErfüllung gegangen.
Der Schlitten mit dem Weihnachtsmann würde erst in einem Jahrwieder zur
Erde kommen. Solange mußte Anna erst einmal bei den Menschen leben. Es
fiel ihr nicht leicht, aber es gab sehr nette Menschen, die ihr halfen. Sie lernte
aber auch, daß es Kriege zwischen den Menschen gab; und auch Haß, Neid,
Hungerund Kälte.
Ganz schlimm war es, wenn Anna traurige Menschen sah. Dann wurde auch
sie traurig. Zuhause bei den anderen Engeln gab es so etwas nicht. Alle Engel
waren immer freundlich und nett, und es gab niemals Streit.
Engel kennen deshalbauch keine Tränen, aber weil Anna bei den Menschen
lebte, und sie manchmal sehrtraurig war, geschah es eines Tages :
Anna weinte!
Ein junger Mann sah ihreTränen und er nahm Anna in seine Arme.
Er gab ihr soviel Wärme und Geborgenheit, daßdie Tränen bald trockneten,
und nach einer kleinen Weile schenkte Anna ihm einhimmlisches Lächeln
als Dank.
Da wurde auch der junge Mann glücklich und froh.
Sie wurden Mann und Frau, und lebten glücklich miteinander.
Es war aber fast einJahr vergangen und die Weihnachtszeit kam wieder
heran.
Der Weihnachtsmann würdemit seinem Schlitten zur Erde kommen und
Anna würde wieder zu den anderen Engeln inden Himmel zurückkehren.
Sie hatte aber ihren Mann sehr lieb gewonnen und wollte ihnnicht verlassen.
So schrieb sie eines Tages wie die anderen Menschenkinder einenBrief
an den Weihnachtsmann.
" Lieber Weihnachtsmann!
Das Leben hier auf derErde ist nicht immer so schön
wie bei deinen Engeln im Himmel.
Aber ich habeeinen lieben Mann und Freunde, die alle traurig wären,
wenn ich von hier fort müßte.
Es gibt auch noch so viele traurige Augen,
in die ich ein Lächeln zaubernmöchte,
so viele traurige Herzen, die ich fröhlich machen möchte...
Ich kann hiereinfach nicht weggehen, kannst Du das verstehen?
Dein Engelskind Anna
DieAntwort ließ nicht lange auf sich warten:
" Mein lieber Engel Anna!
Seit langer,langer Zeit schon komme ich mit meinem Schlitten zur
Weihnachtszeit zu den Menschenauf die Erde.
Und jedesmal ist ein kleiner Engel vom Schlitten gefallen...
DieMenschen brauchen diese Engel.
Ohne sie wäre das Leben auf der Welt noch ein bißchenkälter,
noch ein bißchen trauriger.
Bleib' bei den Menschen, Anna, sie brauchenDich!
Wie lange Du noch bleiben kannst, kann auch ich Dir nicht sagen.
Irgendwannwirst auch Du gehen müssen, wie alle anderen Menschen auch.
Aber ich verspreche Dir,daß ich dann einen anderen Engel
zur Erde schicken werde,
damit Dein Mann undDeine Freunde nicht allzu traurig werden.
Und denke immer daran: vielleicht ist einMensch, der Dir begegnet,
auch ein Engel.
Ein Engel mit unsichtbaren Flügeln.
Dein Weihnachtsmann
;)