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Gedichte: Tragik

2.709 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Gedichte, Lyrik, Poesie ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Gedichte: Tragik

13.11.2012 um 17:15

Sehnsucht

Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht. -

Joseph von Eichendorff




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Gedichte: Tragik

13.11.2012 um 17:17

Trostlos rieselndes Tropfen

Draußen die Düne.

Einsam das Haus, eintönig,
ans Fenster,
der Regen.

Hinter mir,
ticktack,
eine Uhr,
meine Stirn
gegen die Scheibe.

Nichts.

Alles vorbei.

Grau der Himmel,
grau die See
und grau
das Herz.

Arno Holz




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Gedichte: Tragik

13.11.2012 um 21:08
Traurige Gedichte...


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Gedichte: Tragik

14.11.2012 um 19:30

Ein ganz kleiner Mann

Es war einmal ein ganz kleiner Mann
Nicht heute, nein, so irgendwann
Der saß allein in seinem Haus
Und schaute hier zum Fenster raus.
Überlegte, was zu tun wohl sei
Zwischendurch und nebenbei
Während auf dem Herde eine Suppe stand
Mit einer einzigen Kartoffel, die sich darin wandt

Die Suppe köchelte so vor sich hin
Der ganz kleine Mann schaute ab und zu mal zum
Topfe, war die Kartoffel noch darin
Das kleine Haus hatte nur einen Raum
Den kleinen Mann störte dies aber kaum
Er mochte es, wenn es nicht zu groß
Die Weite, das Unbekannte sah aus, wie im Hals ein
Kloss
Die Einsamkeit, so hieß der Frosch im Schlund
Somit war’s im Hause fad und auch nicht sonderlich
bunt
Inmitten von diesem grau in grau
Saß auf einem kleinen Regal sein Freund – ein
Plastikhund
Wenn er ihn drückte machte dieser leise “wau”
Und dessen Augen funkelten rund und blau

Auf dem Regal stand sonst nichts mehr
Doch auch dies störte den kleinen Mann nicht sehr
Fenster im Haus, da gab es zwei
Im Sturm vor Jahren brach eines dabei

Ein Riss, der kam mit leisem “knack”
Der ganz kleine Mann klebte diesen dann ab
Im Raum selbst, da stand der Herd
Schon alt, aber nicht von Wert

Ein Bett und ein alter Schrank an der nächsten Wand
Verdunkelte das Zimmer wie mit einem schwarzem
Band
Ein kleines Schränkchen neben dem Bett
Wirkt bieder, alt und auch nicht nett




Die Tür, im kleinen Rahmen
Passt dort genau hinein
Besuche, wenn sie kamen
Mussten sich hier bücken, nicht so wie daheim

Beim Auf- und Zumachen quietscht sie leise
Ein Klagelied auf ihre Weise
Frohe Tage gab es die letzten Jahre kaum
Um dies Haus herum, ein kleiner alter Zaun

Vorne am Haus , eine rostige kleine Glocke
Über dem einzigen Stuhl im Innern, eine alte Socke
Auf dem Tisch nur ein Teller steht
Der Garten ums Haus – vom Winde verweht

So sitzt der ganz kleine Mann hier drin und schaut zum Fenster raus
Die Einsamkeit – sie nagt mit Graus


Aber sicher, eine Liebste hatte er
Doch das ist schon Jahre her
Das Leben – viel zu kurz war es zu zweit
Es geschah so schnell – keiner war jemals bereit

Der Schnitt kam unverhofft und viel zu schnell
Was übrig blieb war des Plastikhundes Gebell

Wegen des Tieres kam es eines Abends zu einem Streit
Man sprach nicht mehr miteinander – die Seelen
entzweit
An diesem Abend ging man sogar getrennt ins Bett
Die Verstimmung so tief – gar nicht nett

Es gab zur Nacht auch keinen Kuss
Im Grunde war an diesem Abend Schluss
Eine Versöhnung verlief im Sand
Jeder blieb dort, wo er gerade stand

Der Mann ging raus, die Tür fiel laut ins Schloss
Auf einmal war er da, im Hals, der Kloss


Der ganz kleine Mann lief im Garten rund ums Haus
Seine Liebste schaute nicht mal mehr zum Fenster raus

Auf dem Weg zum Bette rutschte sie aus
Mit Ungeschick
Brach ihr zartes kleines Genick
Und hauchte leis so ihr kurzes Leben aus

Der kleine Mann ging im Garten rund
Im Arm den kleinen Plastikhund
Der Mann zeigte auf eine Blume und sagte: “Schau”
Der Hund wurde gedrückt und dieser machte leise
“wau”
Dabei vergaß der ganz kleine Mann den Streit
Und machte sich zu einem neuen Versuch bereit
Den Streit zu schlichten, ja das war sein Begehr
Mit Wut im Bauch ins Bett, das störte ihn sehr

Er ging zur Tür und machte diese auf
Eine Diskussion, ein Wiederwort, das nahm er ihn Kauf
Nun mit Mut hinein und die Sache gerade biegen
Sah er auf dem Boden seine Liebste liegen

Ihr zartes Gesicht vom Schmerz verzerrt
Ein Stuhlbein hatte das Unglück beschert
Gestolpert war sie mit Unbedacht
Der kleine Bettpfosten hatte den Rest gemacht


Das war schon lange her
Seitdem sprach der kleine Mann nicht mehr
Er saß und sitzt nur auf dem einzigen Stuhl im Raum
Die Zeit allein – es gleicht eines Alpes Traum

Sitzt da und überlegt
Ab und an die Lippen zu einem Wort bewegt
Doch bleibt er stumm
Und sitzt nur hier herum

Freude gibt es in diesem Haus nicht mehr
Und dieses stört den ganz kleinen Mann doch sehr


Die Blätter vom Baume im Winde sich wiegen
Sich im Wechsel der Natur sich an dem Aste schmiegen
Der Baum, der hat schon viel gesehn
Blätter im Geäst, sie kommen und geh’n
Aus einem Ast war das besagte Stuhlbein gemacht
Und was hat’s gebracht
Der kleine Mann hatte diesen Stuhl gebaut
Und erbarmungslos den Trank zum Tode gebraut

Die Liebste selbst schenkte ihm den Hund
Als sie lebte, war sein Fell noch bunt
Doch wie das Leben aus ihr gewichen
Die Farbe aus dem Fell geblichen

Nun ist der Hund aus Plastik grau
Das einzige, was er noch macht, wenn man ihn drückt
ist “wau”
Doch hier im Haus wird nichts gedrückt und berührt
Die Suppe auf dem kleinen Herd ist das einzige, was
sich jetzt noch rührt
Am besagten Abend brachen das Glas und sein Herz
entzwei
Dem Baum war’s eher einerlei

Der ganz kleine Mann dachte ab und an
Den Baum zu fällen, den sein Holz war schuld daran
Aber er brachte dieses nicht uebers Herz
Zu groß war dieser Seelenschmerz

So ließ er ihn stehen
Sah die Zeiten vom Fenster aus im Baum vorübergehen

Der Frust über die Nichtversöhnung saß so tief
Am besagten Abend ging aber auch alles schief

Der Mann mit der Sense kam am Abend an
Und zerschnitt schroff den Lebensfaden der Liebsten
dann
Wobei sich der Rest dann zugetragen hat
Die Liebste fiel wie die Dame beim Schach “matt”

Nur der leise “knack” war im Raum zu hören
Die Natur draußen ließ sich gar nicht stören

Nun saß der ganz kleine Mann am Fenster hier
Schaute zum Herd und dann auf den Tisch – dort lag
ein Papier
Es war eine Zeitung, diese war von heut
Gelesen von ihm und anderen Leut’

In die Zeitung hatte er was setzen lassen
Die Worte fein gewählt – ja, das würde passen

“Habe einen kleinen Plastikhund – der war mal bunt”
“Ich brauche ihn nun nicht mehr – komm vorbei und
schau”
Er denkt sich “Ich vermisse meine Liebste” – Der Hund
macht “wau”

Der kleine Mann steht auf, geht zur Suppe und tut sich
auf
Der Hund geht umsonst weg, er nimmt’s in Kauf

Der Hund aus Plastik war der Anfang vom Ende
Mit dem Verschenken, denkt er, kommt die Wende

Eine Stunde später, jemand kam, den Hund gibt’s nicht
mehr
Das Regal – nun komplett grau und leer
Dem ganz kleinen Mann wird klar, er ist nun ganz allein
im Haus
Der Frosch im Hals, er wächst, es ist ein Graus

Es verstärkt sich jäh der Frust
Bleibt sie aus, die erdachte Lust

Und in den Garten zu gehen
Zwischen den Blumen zu stehen

Im Grase liegen
Den Blumen zuzuschauen, wie sie sich wiegen

Diese Freude will und will nicht kommen
Ihm schwindelt, er taumelt wie benommen

Plötzlich klopft es an der Türen
Der kleine Mann geht nicht hin – gefesselt von
unausgesprochenen Schwüren
Das Klopfen, es geht weiter
Die Schwüre wurden leiser
Er steht, geht zur Tür und macht sie auf
Er bemerkt das Quietschen in seinem Ohr
Ein noch kleineres Mädchen steht davor
In der Hand eine klitzekleine Vase mit einer roten
Minirose
In der anderen Hand eine mit Pralinen gefüllte Dose
“Ich habe den Hund bekommen, dafür bedanke ich
mich sehr”
Dem kleinen Mann entflieht ein Lächeln. Dies freut ihn
noch mehr

Ihm gefallen die Vase und die Rose
Besser noch als die mit Pralinen gefüllte Dose
Welche Frisch
Doch letzteres stellt er auf den kleinen Tisch
Und ohne ein weiteres Wort
Die Vase mit der Rose stellt er auf das zuvor graue und
leere Board
Dann geht er stumm zum Bett
Ein kleines Schränkchen, welches ja daneben steht
Öffnet es und holt ein Bild, mit der Liebsten drauf
heraus
Der Abend kommt in seinen Sinn zurück – oh Graus
Doch die Liebste lächelt auf dem Bild
So wie Mona Lisa – eigentlich ganz mild

Es stellt das Bild zur Vase mit der Rose – nur daneben

(Seine Lippen bewegen sich zu einem Wort)
Zulange stumm war es an diesem Ort
Und sagt ganz leise: “ Du hast doch nichts dagegen”
“Jetzt habe ich einen guten Grund, um in den Garten
zu gehn”
“Um dir täglich nach frischen Rosen zu sehn”
“Nun bist du wieder hier, siehst und hörst mir zu und
das ist nett”
“So muss ich heut Abend nicht allein ins Bett”

Die Rose in der Vase zieht den Blick auf sich
“Meine Liebste – ich liebe dich”
“Du bist mein Sonnenschein”
“Bescheine meine kleine Rose, ich lass dich morgen
auch gleich rein”

“Ich kann es kaum ertragen”
“Doch will ich es noch einmal wagen dich zu fragen”
“An diesem Abend, wir waren eins dann zwei”
Mein Herz wurde traurig – es brach dabei”
“Ist es vermessen dich um Verzeihung zu fragen?”
“Und unsere Herzen wieder zusammen zu tragen?”

So steht der ganz kleine Mann vor dem Bild im Glas
Welches steht neben der Rose in der Vas’
Die Liebste, sie lächelt mild
Er fühlt – die Freude kommt – und das schönste ist –
sie bleibt
Der kleine Mann sich seine Hände reibt
Ihm ist zum Tanzen wild zumute doch lässt er dieses
lieber sein
Denn im Raum steht noch ein Stuhl mit tückischem Gebein

Er freut sich innerlich und folgt dem Schein der Sonne
Dieser fällt in jedem Morgen nun auf die Rose mit
frischer Wonne
Und Jagt aus diesem kleinen Haus
Den Frosch aus dem Halse heraus

Dies war die Geschichte vom ganz kleinen Mann
Der ab und an aus dem Fenster schaute
Und dann
Wenn der Morgen graute
In seinem Garten ging und eine Rose nahm
So blieb sein Herze wieder wohlig und warm

Und in dem Haus, Welch frohe Kund
Man vernahm, es ward wieder bunt


©Michael Kugler




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Gedichte: Tragik

14.11.2012 um 19:32

Was ist der Tod

Du bist gegangen, nicht gerade sanft,
aber kurz entschlossen und bestimmt,
hast Dich für Werner entschieden,
Deinen allerliebsten,
das kann ich verstehen,
auch wenn es mir manchmal schwer fällt,
damit umzugehen,
heute ist Allerheiligen,
das Gedenken der Toten,
Du bist noch nicht einmal beerdigt,
und doch denke ich an Dich – jeden Tag
Dein Körper ruht noch auf dieser Welt,
friedlich und grau,
als ein Haufen Asche,
den wir übermorgen verabschieden,
der heiligen Erde übergeben,
es wird meine erste Beerdigung
in meinem Leben sein,
ich weiß nicht, wie das sein wird,
weiß nur, ich habe keine Angst,
vielleicht freue ich mich,
so viele liebe Menschen wieder zu treffen,
Menschen, denen Du wichtig warst,
denen Du etwas bedeutet hast,
vielleicht werde ich tief traurig sein
und heulen wie ein Schlosshund,
ich weiß es nicht,
werde neugierig auf mich selber sein
und erleben, wie es sein wird,
Deinen Körper zu verabschieden,
Deine Hülle zu Grabe zu tragen,
Dich zu beerdigen,
Erde zu Erde,
Asche zu Asche,
Staub zu Staub,
Du gehst zurück –
in die Natur,
dieser Gedanke hat etwas Tröstliches für mich,
zumal Du die Natur so geliebt hast,
die Natur und das Leben –
manchmal auch.
Zurzeit ertappe ich mich immer wieder dabei,
wie ich mich frage:
Was ist das Leben?
Was ist der Tod?
Was ist der Unterschied?
Ist nicht alles dasselbe?
Der Tod… der Tod…
Der Tod ist nichts ohne das Leben,
er hängt quasi am Leben,
ohne das Leben gäbe es keinen Tod
und umgekehrt!
Keiner hat eine Bedeutung ohne den anderen,
sie gehören zusammen,
ja, bedingen einander:
ein riesiger, endloser Kreislauf der Materie,
und irgendwie ist es gut zu wissen,
dass wir ein Teil davon sind,
ein Teil aller Materie in der Unendlichkeit.
Und so unendlich alle Materie scheint,
so unendlich der Kosmos und auch die Zeit sich geben,
so endlich ist das Leben auf diesem Planeten.
Die Körperlichkeit endet mit dem Tod,
doch die Seele lebt weiter,
zumindest in meiner Vorstellung,
und diese Vorstellung ist etwas sehr Schönes,
hat etwas Wertvolles,
Beruhigendes, Tröstendes,
die Seele lebt fort,
wandert nach einiger Zeit des Ausruhens
in einen anderen Körper,
um einem anderen Menschen Leben einzuhauchen,
ihn zu beseelen.
Angesichts dieser Vorstellung
verliert der Tod für mich an Bedeutung, an Gewicht:
Die Zellen und Moleküle Deines Körpers
werden zu neuer Lebensenergie
und erwachen vielleicht eines Tages
in einer Rose, einer Margerite
oder einem Gänseblümchen,
oder aber in einem Marienkäfer,
und wir können uns von neuem
an Dir und Deiner lebendigen Seele erfreuen…

© Lothar Schwalm




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Gedichte: Tragik

15.11.2012 um 17:58

Die zwei Raben

Ich ging über's Heidemoor allein,
Da hört ich zwei Raben kreischen und schrein;
Der eine rief dem andern zu:
»Wo machen wir Mittag, ich und du?«

»Im Walde drüben liegt unbewacht
Ein erschlagener Ritter seit heute Nacht,
Und niemand sah ihn im Waldesgrund,
Als sein Lieb und sein Falke und sein Hund.

Sein Hund auf neue Fährte geht,
Sein Falk auf frische Beute späht,
Sein Lieb ist mit ihrem Buhlen fort, –
Wir können in Ruhe speisen dort.«

»Du setzest auf seinen Nacken dich,
Seine blauen Augen, die sind für mich,
Eine goldene Locke aus seinem Haar
Soll wärmen das Nest uns nächstes Jahr.«

»Manch einer wird sprechen: Ich hatt' ihn lieb!
Doch keiner wird wissen, wo er blieb,
Und hingehn über sein bleich Gebein
Wird Wind und Regen und Sonnenschein.«

Theodor Fontane




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Gedichte: Tragik

15.11.2012 um 17:59

Der Knabe im Moor

O schaurig ist's, übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
O schaurig ist's, übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind —
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnlenor',
Die den Haspel dreht im Geröhre!

Voran, voran! nur immer im Lauf,
Voran, als woll es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen
Wie eine gespenstige Melodei;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!

Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
"Ho, ho, meine arme Seele!"
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
Wär nicht Schutzengel in seiner Näh,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwele.

Da, mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre war's fürchterlich,
O schaurig war's in der Heide!

Annette von Droste-Hülshoff




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Gedichte: Tragik

16.11.2012 um 17:58

Das Trauererbe

Der Tod ist in erster Linie bloß ein Wort.
In unserer Sprache bedeutet er allzu oft,
ein Leben, ein Mensch ging von uns hin fort,
wie sehr man auch dagegen hofft.

Er bedeutet ein Versagen von Atmung und Herz,
er bringt nichts hinzu nur Kummer und Schmerz.
Er kümmert sich nicht darum, dass er uns quält,
wenn er einen von uns geliebten Menschen erwählt.

Er reißt aus unsrer Mitte,
trotz Flehen und Bitte,
den Vater, die Mutter, das Kind,
Menschen die uns wichtig sind.

Die Frau die man liebt,
der Mann, dem sie liebe gibt,
die Freundin, die dich versteht,
der Freund, der an deiner Seite geht.

Umso fester man die Bande bindet,
umso näher man dem Menschen steht,
desto mehr fehlt dieser, wenn er schwindet,
desto größer die Leere, wenn er geht.

Was kann man tun, was kann man sagen?
Unheilbar scheint die Wunde, welche aufgerissen.
Wie soll man bloß die Trauer tragen?
Was tröstet schmerzliches Vermissen?

Beruhigt mich der Glaube an eine bessere Welt,
in die sich der Gläubige nach dem Diesseits gesellt?
Vertraue ich auf des Verstorbenen Zuversicht,
darauf, dass zumindest er diesbezüglich sicher war?
Nein, der Gedanke nimmt mir die Trauer nicht,
der geliebte Mensch ging und nur die Trauer, die bleibt da.

Was auch immer das Ende für uns alle bereitet,
ob Wiedergeburt, Himmelreich oder nur die Dunkelheit,
Kein Lebender weiß es, da nur der Tote diesen Weg beschreitet,
Stets verhüllt verbleibt für unser Auge jene Zeit.

Nur eins scheint denkbar, trotz aller Ferne für die, die leben,
Denn wenn das Diesseits geprägt ist von weltlichem Bestreben,
welche erst durch Freude oder Leid von uns Beachtung sich erringen,
so scheint es schlüssig, dass der Tod ganz frei ist von solchen Dingen.



Im Tode fällt, ganz ungeachtet aller anderen Fragen,
eins mit Sicherheit von unseren Schultern ab,
Jede Sorge und jeder Kummer um das Leben,
welche wir stets mit uns tragen,
denn dies sind Nöte die ich nur im Leben hab.

Der Tod ist, wenn man es so sehen will,
das Ende aller Mühen, er ist nicht rastlos, er ist still.
So kann man meinen Friede, in gewisser Weise,
steht am Ende einer jeden Lebensreise.

Doch was nützt der Friede des Toten denen, die im Leben stehn,
sein Weg mag beendet sein, doch sie müssen den ihren weitergehn.
Jenen bleibt ein Fluch von Trauer und Leid,
kein Friede in der Stille, keine Stille in der Endlichkeit.

Nun mag da mancher klug bemerken,
erst durch Trauer zeigt sich Treue,
und die Trauer wird mich stärken,
so dass ich mich nach ihr umso mehr noch freue.

Keiner kann bestreiten, dass Trost ohne Trauer recht sinnlos wirkt,
Da erst die Trauer eine Leere birgt,
Durch welche jedwedes Gefühl und alle Gedanken,
worum sie sich auch drehen und ranken,
sobald sie zu nah die Trauer passieren,
Sich ganz im Dunkel dieser Leere verlieren.
Unwiederbringlich und nicht mehr zu finden,
in der Leere der Trauer vollends verschwinden.

Doch jeder der diesen Abgrund kennt,
der unendlich und übermächtig an einem zehrt,
egal wie man sich zerstreut und somit wehrt,
wütet dem der es „notwendig“ nennt,
dass alle Freude schwindet und die Hoffnung brennt.

Nein, auch die Aussicht auf bessere Zeiten,
werden mir keinen Trost bereiten.
Was ich fühle, fühle ich im Jetzt und Hier,
wie sehr ich auch auf mein Glück in der Zukunft stier.

Während man den Trost erhofft,
vergisst man dabei allzu oft,
dass wenn man sich nach Rettung sehnt,
weil man sich in Nöten wähnt,
verbleibt man solange wie man sich sehnt, mit Haut und Haar,
Weiterhin in jener drohenden Gefahr.

Es kommt keine Heilung durch bloßes Erwarten.
Ebenso wenig wie Blumen blühn,
in einem ungepflügten Garten,
muss man sich schon selber mühn.
Wodurch unterscheidet sich das Leid eines Unbekannten,
von dem Leid derer, die wir Freunde nannten?
Die einen, wie auch die Deinen,
haben Menschen die um sie weinen.
Durch Gemeinsamkeiten im Empfinden und Erleben,
ein gegenseitiges Helfen und einander geben,
durch das Teilen im Verweilen und Teilen im Streben.

Erst wenn das Zusammensein den Geist berührt,
weil man von dem andern inspiriert,
sich nun ganz klar vor Augen führt,
das ohne den andern jener Moment an Wert verliert.
sodass Verbundenheit unser Sein bestimmt,
sodann man erst ehrlich Anteil nimmt.

Wer wäre ich, ob im Handeln und Denken,
im Fühlen und im Finden,
ohne die, die mir Freundschaft schenken,
und die, die mich mit Liebe binden.

Der Freund wird somit willens oder unbedacht,
Einfluss dessen was mich selbst ausmacht.
Alles was wir nun schmerzlich missen und tief bedauern,
ist das Versiegen neuer Zweisamkeit mit dem Menschen, um den wir trauern.

Nur warum nagt gerade dieser Umstand an meiner Seele,
wenn ich, wie erwähnt, eben das Vergangene zu den Momenten zähle,
welche die Menschen in mein Herz einschließen,
und mittels derer, Freundschaft und Liebe in mir sprießen.

Liebe scheint somit, gemäß dem wie sie entsteht,
zu wachsen dank ihrer eignen Art, welche ein andrer in uns sät.
Wenn nicht nur, so zumindest als Aspekt,
ist es Dankbarkeit, die in unser aller Liebe steckt.
Doch wenn es Liebe ist, die liebe weckt,
verbleibt der ersten Liebe Ursprung weiterhin verdeckt.

Im Dialog der Liebe, denn genau das ist ihr Gewand,
erkennt man sie oft später als sie eigentlich entstand.
Zu Anfang war es vielleicht nur Höflichkeit,
die aufgrund offensichtlicher Gemeinsamkeit,
mehr und mehr über das Maß, welches anerzogen,
den einen oder gar beide dazu bewogen,
die Zeit in der man zusammen weilte,
zu versüßen, indem man teilte.

Es entwickelt sich allmählich, in gänzlicher Natürlichkeit,
Interesse, Sympathie hin zu einem Zustand von Verbundenheit,
der zum Schmeicheln und zum Loben, keine Gründe mehr bedingt,
und die stumme Bitte des gegenüber, wie der eigne Wunsch erklingt.
Von nun an teilt man nicht nur Freude, auch der Schmerz gehört nun beiden.
Denn lieben heißt nicht nur sich freuen, sonder auch gemeinsam leiden.
Der Tod, der dem Toten der Möglichkeit beraubt,
den Abschied von den seinen,
durch Tränen zu beweinen,
und es somit nur den Lebenden erlaubt,
nimmt uns selbst rein nichts, außer der Gelegenheit,
dass unsre Liebe man erwidert, aus bloßer Dankbarkeit.

Da jedoch, wie man wohl erkennt,
man Liebe nicht nur als Dank benennt.
Sondern eben so, wie just beschrieben,
wir auch ohne Grund den andern Lieben,
man ohne Gegenleistung oder Preis,
den andern als Geliebten weiß.

Letztlich finde ich den Trost, der den Kummer lindert,
auch wenn der Tod neue Zweisamkeit verhindert,
besitze ich längst was durch sie zum Ziele wird,
und man selbst durch den Tod niemals verliert.

Nachdem die Trauer des Geliebten, welcher in den Tod gegangen,
weggewischt aus den Augen und getrocknet auf den Wangen,
besinne ich mich auf das was bleibt und was ich erbe,
und liebe weiter, bis auch ich einst sterbe.

Michael B.




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Gedichte: Tragik

17.11.2012 um 22:21

Trost

Bald denki, 's isch e bösi Zit,
und weger's End isch nümme wit;
bald denki wider: loß es goh,
wenn's gnueg isch, wird's scho anderst cho.
Doch wenni näumen ane gang
und 's tönt mer Lied und Vogelsang,
so meini fast, i hör e Stimm:
»Bis zfriede! 's isch jo nit so schlimm.«



Trost

Bald denke ich, welch böse Zeit,
das Ende wahrlich ist nicht weit;
Bald denke ich: Laß es geschehn,
ist es genug, wird's besser gehn.
Doch mach ich einen frohen Gang,
tönt wie ein Lied der Vögel Sang,
vernehm ich in mir eine Stimm':
»Getrost, es ist ja nicht so schlimm!«

Johann Peter Hebel




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Gedichte: Tragik

17.11.2012 um 22:24

Faust Monolog

Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh' ich nun, ich armer Tor,
Und bin so klug als wie zuvor!
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr'
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum -
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel -
Dafür ist mir auch alle Freud' entrissen,
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab' ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr' und Herrlichkeit der Welt;
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab' ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimnis würde kund;
Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau' alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu' nicht mehr in Worten kramen.

Johann Wolfgang von Goethe




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Gedichte: Tragik

17.11.2012 um 23:03

Lied vom Börgermoor

1. Wohin auch das Auge blickt.
Moor und Heide nur ringsum.
Vogelsang uns nicht erquickt,
Eichen stehn kahl und krumm.
Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor!

2. Hier in dieser öden Heide
ist das Lager aufgebaut,
wo wir fern von jeder Freude
hinter Stacheldraht verstaut.
Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor!

3. Morgens ziehen die Kolonnen
in das Moor zur Arbeit hin,
graben bei dem Brand der Sonne,
doch zur Heimat steht der Sinn.
Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor!

4. Heimwärts, heimwärts! Jeder sehnet
sich nach Eltern, Weib und Kind.
Manche Brust ein Seufzer dehnet,
weil wir hier gefangen sind.
Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor!

5. Auf und nieder geh´n die Posten,
keiner, keiner kann hindurch,
Flucht wird nur das Leben kosten,
vierfach ist umzäunt die Burg.
Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit dem Spaten ins Moor!

6. Doch für uns gibt es kein Klagen,
ewig kann´s nicht Winter sein.
Einmal werden froh wir sagen: Heimat,
Du bist wieder mein!
Dann ziehn die Moorsoldaten nicht mehr mit dem Spaten in´s Moor!
Dann ziehn die Moorsoldaten nicht mehr mit dem Spaten in´s Moor!

Wolfgang Langhoff




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Gedichte: Tragik

18.11.2012 um 16:01

Die Schnitterin


War einst ein Knecht, einer Witwe Sohn,
Der hatte sich schwer vergangen.
Da sprach sein Herr: "Du bekommst deinen Lohn,
Morgen musst du hangen."

Als das seiner Mutter kundgetan,
Auf die Erde fiel sie mit Schreien:
"O, lieber Herr Graf, und hört mich an,
Er ist der letzte von dreien.

Den ersten schluckte die schwarze See,
Seinen Vater schon musste sie haben,
Den andern haben in Schonens Schnee
Eure schwedischen Feinde begraben.

Und lasst Ihr mir den letzten nicht,
Und hat er sich vergangen,
Lasst meines Alters Trost und Licht
Nicht schmählich am Galgen hangen!"

Die Sonne hell im Mittag stand,
Der Graf saß hoch zu Pferde,
Das jammernde Weib hielt sein Gewand
Und schrie vor ihm auf der Erde.

Da rief er: "Gut, eh die Sonne geht,
Kannst du drei Äcker mir schneiden,
Drei Äcker Gerste, dein Sohn besteht,
Den Tod soll er nicht leiden."

So trieb er Spott, gar hart gelaunt,
Und ist seines Weges geritten.
Am Abend aber, der Strenge staunt,
Drei Äcker waren geschnitten.

Was stolz im Halm stand über Tag,
Sank hin, er musst es schon glauben.
Und dort, was war's, was am Feldrand lag?
Sein Schimmel stieg mit Schnauben.

Drei Äcker Gerste ums Abendrot
Lagen in breiten Schwaden,
Daneben die Mutter, und die war tot.
So kam der Knecht zu Gnaden.


Gustav Falke




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Gedichte: Tragik

18.11.2012 um 19:41

Der geheimnisvolle Nachen

Gestern Nachts, als alles schlief,
Kaum der Wind mit ungewissen
Seufzern durch die Gassen lief,
Gab mir Ruhe nicht das Kissen,
Noch der Mohn, noch, was sonst tief
Schlafen macht, - ein gut Gewissen.

Endlich schlug ich mir den Schlaf
Aus dem Sinn und lief zum Strande.
Mondhell war's und mild, - ich traf
Mann und Kahn auf warmem Sande,
Schläfrig beide, Hirt und Schaf: -
Schläfrig stiess der Kahn vom Lande.

Eine Stunde, leicht auch zwei,
Oder war's ein Jahr? - da sanken
Plötzlich mir Sinn und Gedanken
In ein ew'ges Einerlei,
Und ein Abgrund ohne Schranken
Tat sich auf: - da war's vorbei!

- Morgen kam: auf schwarzen Tiefen
Steht ein Kahn und ruht und ruht ...
Was geschah? so rief's, so riefen
Hundert bald: was gab es? Blut? - -
Nichts geschah! Wir schliefen, schliefen
Alle - - ach, so gut! so gut!

Friedrich Nietzsche




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Gedichte: Tragik

18.11.2012 um 19:42

Komm, Trost der Welt

Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!
Wie steigst du von den Bergen sacht,
Die Lüfte alle schlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermüd,
Singt übers Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.

Die Jahre wie die Wolken gehn
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen,
Da tratst du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.

O Trost der Welt, du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt,
Lass ausruhn mich von Lust und Not,
Bis dass das ewige Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.


Joseph von Eichendorff




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Gedichte: Tragik

18.11.2012 um 22:56
Es legt sich der Schleier
über manches Gereier,
da er gierig wie'n Geier
die Kücken als Eier
fraß.
Oder besser:
trank.
Aus 'nem Glas.
Das war ein Spaß!
Bis er kotzte,
wie schon gesagt.
Das stank!
Er wurde krank.
Bis er starb.
Sein letztes Heim...
ein weicher Sarg...
gefüllt mit Daunen.


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Gedichte: Tragik

19.11.2012 um 16:50
Verlassen


Wie war ich einst so jung und reich
An Lebenslust und Hoffen;
Ich wähnte nichts an Kraft mir gleich,
Die Welt stand mir noch offen.

ich hat geliebt, ich hab gelebt,
Ich hab' die Welt durchzogen;
Doch nie erreicht, was ich erstrebt.
Ich hab und ward betrogen".

Kaiserin Elisabeth von Österreich


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Gedichte: Tragik

19.11.2012 um 16:51
An die Zukunfts-Seelen


Ich wandle einsam hin auf dieser Erde,
Der Lust, dem Leben längst schon abgewandt;
Es teilt mein Seelenleben kein Gefährte,
Die Seele gab es nie, die mich verstand.


Kaiserin Elisabeth von Österreich


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Gedichte: Tragik

19.11.2012 um 17:39

Der Taucher

"Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp,
Zu tauchen in diesen Schlund?
Einen goldnen Becher werf ich hinab,
Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.
Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
Er mag ihn behalten, er ist sein eigen."

Der König spricht es und wirft von der Höh
Der Klippe, die schroff und steil
Hinaushängt in die unendliche See,
Den Becher in der Charybde Geheul.
"Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
Zu tauchen in diese Tiefe nieder?"

Und die Ritter, die Knappen um ihn her
Vernehmen's und schweigen still,
Sehen hinab in das wilde Meer,
Und keiner den Becher gewinnen will.
Und der König zum drittenmal wieder fraget:
"Ist keiner, der sich hinunter waget?"

Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor,
Und ein Edelknecht, sanft und keck,
Tritt aus der Knappen zagendem Chor,
Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg,
Und alle die Männer umher und Frauen
Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.

Und wie er tritt an des Felsen Hang
Und blickt in den Schlund hinab,
Die Wasser, die sie hinunterschlang,
Die Charybde jetzt brüllend wiedergab,
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzen sie schäumend dem finstern Schosse.

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,
Und Flut auf Flut sich ohn Ende drängt,
Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,
Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.

Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt,
Und schwarz aus dem weissen Schaum
Klafft hinunter ein gähnender Spalt,
Grundlos, als ging's in den Höllenraum,
Und reissend sieht man die brandenden Wogen
Hinab in den strudelnden Trichter gezogen.

Jetzt schnell, eh die Brandung wiederkehrt,
Der Jüngling sich Gott befiehlt,
Und - ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört,
Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült,
Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer
Schliesst sich der Rachen, er zeigt sich nimmer.

Und stille wird's über dem Wasserschlund,
In der Tiefe nur brauset es hohl,
Und bebend hört man von Mund zu Mund:
"Hochherziger Jüngling, fahre wohl!"
Und hohler und hohler hört man's heulen,
Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen.

Und wärfst du die Krone selber hinein
Uns sprächst: Wer mir bringet die Kron,
Er soll sie tragen und König sein -
Mich gelüstete nicht nach dem teuren Lohn.
Was die heulende Tiefe da unten verhehle,
Das erzählt keine lebende glückliche Seele.

Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefasst,
Schoss jäh in die Tiefe hinab,
Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast,
Hervor aus dem alles verschlingenden Grab.-
Und heller und heller, wie Sturmes Sausen,
Hört man's näher und immer näher brausen.

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,
Und Well auf Well sich ohn Ende drängt,
Und wie mit des fernen Donners Getose
Entstürzt es brüllend dem finstern Schosse.

Und sieh! aus dem finster flutenden Schoss,
Da hebet sich's schwanenweiss,
Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloss,
Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiss,
Und er ist's, und hoch in seiner Linken
Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.

Und atmete lang und atmete tief
Und begrüsste das himmlische Licht.
Mit Frohlocken es einer dem andern rief:
"Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht!
Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle
Hat der Brave gerettet die lebende Seele."

Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar,
Zu des Königs Füssen er sinkt,
Den Becher reicht er ihm kniend dar,
Und der König der lieblichen Tochter winkt,
Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande,
Und der Jüngling sich also zum König wandte:

"Lange lebe der König! Es freue sich,
Wer da atmet im rosigen Licht!
Da unten aber ist's fürchterlich,
Und der Mensch versuche die Götter nicht
Und begehre nimmer und nimmer zu schauen,
Was sie gnädig bedeckten mit Nacht und Grauen.

Es riss mich hinunter blitzesschnell -
Da stürzt mir aus felsigtem Schacht
Wildflutend entgegen ein reissender Quell:
Mich packte des Doppelstroms wütende Macht,
Und wie einen Kreisel mit schwindendelm Drehen
Trieb mich's um, ich konnte nicht widerstehen.

Da zeigte mir Gott, zu dem ich rief
In der höchsten schrecklichen Not,
Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff,
Das erfasst ich behend und entrann dem Tod -
Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen,
Sonst wär er ins Bodenlose gefallen.

Denn unter mir lag's noch, bergetief,
In purpurner Finsternis da,
Und ob's hier dem Ohre gleich ewig schlief,
Das Auge mit Schaudern hinuntersah,
Wie's von Salamandern und Molchen und Drachen
Sich regt' in dem furchtbaren Höllenrachen.

Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch,
Zu scheusslichen Klumpen geballt,
Der stachligte Roche, der Klippenfisch,
Des Hammers greuliche Ungestalt,
Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne
Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne.

Und da hing ich und war's mit Grausen bewusst
Von der menschlichen Hilfe so weit,
Unter Larven die einzige fühlende Brust,
Allein in der grässlichen Einsamkeit,
Tief unter dem Schall der menschlichen Rede
Bei den Ungeheuern der traurigen Öde.

Und schaudernd dacht ich's, da kroch's heran,
Regte hundert Gelenke zugleich,
Will schnappen nach mir - in des Schreckens Wahn
Lass ich los der Koralle umklammerten Zweig;
Gleich fasst mich der Strudel mit rasendem Toben,
Doch es war mir zum Heil, er riss mich nach oben."

Der König darob sich verwundert schier
Und spricht: "Der Becher ist dein,
Und diesen Ring noch bestimm ich dir,
Geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein,
Versuchst du's noch einmal und bringst mir Kunde,
Was du sahst auf des Meeres tiefunterstem Grunde."

Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,
Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:
"Lasst, Vater, genug sein das grausame Spiel!
Er hat Euch bestanden, was keiner besteht,
Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen,
So mögen die Ritter den Knappen beschämen."

Drauf der König greift nach dem Becher schnell,
In den Strudel ihn schleudert hinein:
"Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell,
So sollst du der trefflichste Ritter mir sein
Und sollst sie als Ehegemahl heut noch umarmen,
Die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen."

Da ergreift's ihm die Seele mit Himmelsgewalt,
Und es blitzt aus den Augen ihm kühn,
Und er siehet erröten die schöne Gestalt
Und sieht sie erbleichen und sinken hin -
Da treibt's ihn, den köstlichen Preis zu erwerben,
Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.

Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück,
Sie verkündigt der donnernde Schall -
Da bückt sich's hinunter mit liebendem Blick:
Es kommen, es kommen die Wasser all,
Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,
Den Jüngling bringt keines wieder.


Schiller




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Gedichte: Tragik

19.11.2012 um 17:40

Zwei Körper

Zwei Körper Stirn an Stirn
sind manchmal Wellen,
und die Nacht ist Meer.

Zwei Körper Stirn an Stirn
sind manchmal zwei Steine,
und die Nacht ist Wüste.

Zwei Körper Stirn an Stirn
sind manchmal Wurzeln,
in der Nacht verschlungen.

Zwei Körper Stirn an Stirn
sind manchmal Klingen,
und Blitze die Nacht.

Zwei Körper Stirn an Stirn:
zwei Sterne, die
in einen leeren Himmel fallen.

Octavio Paz




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19.11.2012 um 19:24
wie hab ich gelebt?
was hab ich getan?
in unwissenheit mir Selbst untreu , mich selbst verraten,
durch mein törichtes tun
sind andere in ihr ruin geraten
jetz Verstrickt und verwoben
mit der schicksal anderer
hängt er fest der kosmische wanderer...


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