Ein ganz kleiner Mann
Es war einmal ein ganz kleiner Mann
Nicht heute, nein, so irgendwann
Der saß allein in seinem Haus
Und schaute hier zum Fenster raus.
Überlegte, was zu tun wohl sei
Zwischendurch und nebenbei
Während auf dem Herde eine Suppe stand
Mit einer einzigen Kartoffel, die sich darin wandt
Die Suppe köchelte so vor sich hin
Der ganz kleine Mann schaute ab und zu mal zum
Topfe, war die Kartoffel noch darin
Das kleine Haus hatte nur einen Raum
Den kleinen Mann störte dies aber kaum
Er mochte es, wenn es nicht zu groß
Die Weite, das Unbekannte sah aus, wie im Hals ein
Kloss
Die Einsamkeit, so hieß der Frosch im Schlund
Somit war’s im Hause fad und auch nicht sonderlich
bunt
Inmitten von diesem grau in grau
Saß auf einem kleinen Regal sein Freund – ein
Plastikhund
Wenn er ihn drückte machte dieser leise “wau”
Und dessen Augen funkelten rund und blau
Auf dem Regal stand sonst nichts mehr
Doch auch dies störte den kleinen Mann nicht sehr
Fenster im Haus, da gab es zwei
Im Sturm vor Jahren brach eines dabei
Ein Riss, der kam mit leisem “knack”
Der ganz kleine Mann klebte diesen dann ab
Im Raum selbst, da stand der Herd
Schon alt, aber nicht von Wert
Ein Bett und ein alter Schrank an der nächsten Wand
Verdunkelte das Zimmer wie mit einem schwarzem
Band
Ein kleines Schränkchen neben dem Bett
Wirkt bieder, alt und auch nicht nett
Die Tür, im kleinen Rahmen
Passt dort genau hinein
Besuche, wenn sie kamen
Mussten sich hier bücken, nicht so wie daheim
Beim Auf- und Zumachen quietscht sie leise
Ein Klagelied auf ihre Weise
Frohe Tage gab es die letzten Jahre kaum
Um dies Haus herum, ein kleiner alter Zaun
Vorne am Haus , eine rostige kleine Glocke
Über dem einzigen Stuhl im Innern, eine alte Socke
Auf dem Tisch nur ein Teller steht
Der Garten ums Haus – vom Winde verweht
So sitzt der ganz kleine Mann hier drin und schaut zum Fenster raus
Die Einsamkeit – sie nagt mit Graus
Aber sicher, eine Liebste hatte er
Doch das ist schon Jahre her
Das Leben – viel zu kurz war es zu zweit
Es geschah so schnell – keiner war jemals bereit
Der Schnitt kam unverhofft und viel zu schnell
Was übrig blieb war des Plastikhundes Gebell
Wegen des Tieres kam es eines Abends zu einem Streit
Man sprach nicht mehr miteinander – die Seelen
entzweit
An diesem Abend ging man sogar getrennt ins Bett
Die Verstimmung so tief – gar nicht nett
Es gab zur Nacht auch keinen Kuss
Im Grunde war an diesem Abend Schluss
Eine Versöhnung verlief im Sand
Jeder blieb dort, wo er gerade stand
Der Mann ging raus, die Tür fiel laut ins Schloss
Auf einmal war er da, im Hals, der Kloss
Der ganz kleine Mann lief im Garten rund ums Haus
Seine Liebste schaute nicht mal mehr zum Fenster raus
Auf dem Weg zum Bette rutschte sie aus
Mit Ungeschick
Brach ihr zartes kleines Genick
Und hauchte leis so ihr kurzes Leben aus
Der kleine Mann ging im Garten rund
Im Arm den kleinen Plastikhund
Der Mann zeigte auf eine Blume und sagte: “Schau”
Der Hund wurde gedrückt und dieser machte leise
“wau”
Dabei vergaß der ganz kleine Mann den Streit
Und machte sich zu einem neuen Versuch bereit
Den Streit zu schlichten, ja das war sein Begehr
Mit Wut im Bauch ins Bett, das störte ihn sehr
Er ging zur Tür und machte diese auf
Eine Diskussion, ein Wiederwort, das nahm er ihn Kauf
Nun mit Mut hinein und die Sache gerade biegen
Sah er auf dem Boden seine Liebste liegen
Ihr zartes Gesicht vom Schmerz verzerrt
Ein Stuhlbein hatte das Unglück beschert
Gestolpert war sie mit Unbedacht
Der kleine Bettpfosten hatte den Rest gemacht
Das war schon lange her
Seitdem sprach der kleine Mann nicht mehr
Er saß und sitzt nur auf dem einzigen Stuhl im Raum
Die Zeit allein – es gleicht eines Alpes Traum
Sitzt da und überlegt
Ab und an die Lippen zu einem Wort bewegt
Doch bleibt er stumm
Und sitzt nur hier herum
Freude gibt es in diesem Haus nicht mehr
Und dieses stört den ganz kleinen Mann doch sehr
Die Blätter vom Baume im Winde sich wiegen
Sich im Wechsel der Natur sich an dem Aste schmiegen
Der Baum, der hat schon viel gesehn
Blätter im Geäst, sie kommen und geh’n
Aus einem Ast war das besagte Stuhlbein gemacht
Und was hat’s gebracht
Der kleine Mann hatte diesen Stuhl gebaut
Und erbarmungslos den Trank zum Tode gebraut
Die Liebste selbst schenkte ihm den Hund
Als sie lebte, war sein Fell noch bunt
Doch wie das Leben aus ihr gewichen
Die Farbe aus dem Fell geblichen
Nun ist der Hund aus Plastik grau
Das einzige, was er noch macht, wenn man ihn drückt
ist “wau”
Doch hier im Haus wird nichts gedrückt und berührt
Die Suppe auf dem kleinen Herd ist das einzige, was
sich jetzt noch rührt
Am besagten Abend brachen das Glas und sein Herz
entzwei
Dem Baum war’s eher einerlei
Der ganz kleine Mann dachte ab und an
Den Baum zu fällen, den sein Holz war schuld daran
Aber er brachte dieses nicht uebers Herz
Zu groß war dieser Seelenschmerz
So ließ er ihn stehen
Sah die Zeiten vom Fenster aus im Baum vorübergehen
Der Frust über die Nichtversöhnung saß so tief
Am besagten Abend ging aber auch alles schief
Der Mann mit der Sense kam am Abend an
Und zerschnitt schroff den Lebensfaden der Liebsten
dann
Wobei sich der Rest dann zugetragen hat
Die Liebste fiel wie die Dame beim Schach “matt”
Nur der leise “knack” war im Raum zu hören
Die Natur draußen ließ sich gar nicht stören
Nun saß der ganz kleine Mann am Fenster hier
Schaute zum Herd und dann auf den Tisch – dort lag
ein Papier
Es war eine Zeitung, diese war von heut
Gelesen von ihm und anderen Leut’
In die Zeitung hatte er was setzen lassen
Die Worte fein gewählt – ja, das würde passen
“Habe einen kleinen Plastikhund – der war mal bunt”
“Ich brauche ihn nun nicht mehr – komm vorbei und
schau”
Er denkt sich “Ich vermisse meine Liebste” – Der Hund
macht “wau”
Der kleine Mann steht auf, geht zur Suppe und tut sich
auf
Der Hund geht umsonst weg, er nimmt’s in Kauf
Der Hund aus Plastik war der Anfang vom Ende
Mit dem Verschenken, denkt er, kommt die Wende
Eine Stunde später, jemand kam, den Hund gibt’s nicht
mehr
Das Regal – nun komplett grau und leer
Dem ganz kleinen Mann wird klar, er ist nun ganz allein
im Haus
Der Frosch im Hals, er wächst, es ist ein Graus
Es verstärkt sich jäh der Frust
Bleibt sie aus, die erdachte Lust
Und in den Garten zu gehen
Zwischen den Blumen zu stehen
Im Grase liegen
Den Blumen zuzuschauen, wie sie sich wiegen
Diese Freude will und will nicht kommen
Ihm schwindelt, er taumelt wie benommen
Plötzlich klopft es an der Türen
Der kleine Mann geht nicht hin – gefesselt von
unausgesprochenen Schwüren
Das Klopfen, es geht weiter
Die Schwüre wurden leiser
Er steht, geht zur Tür und macht sie auf
Er bemerkt das Quietschen in seinem Ohr
Ein noch kleineres Mädchen steht davor
In der Hand eine klitzekleine Vase mit einer roten
Minirose
In der anderen Hand eine mit Pralinen gefüllte Dose
“Ich habe den Hund bekommen, dafür bedanke ich
mich sehr”
Dem kleinen Mann entflieht ein Lächeln. Dies freut ihn
noch mehr
Ihm gefallen die Vase und die Rose
Besser noch als die mit Pralinen gefüllte Dose
Welche Frisch
Doch letzteres stellt er auf den kleinen Tisch
Und ohne ein weiteres Wort
Die Vase mit der Rose stellt er auf das zuvor graue und
leere Board
Dann geht er stumm zum Bett
Ein kleines Schränkchen, welches ja daneben steht
Öffnet es und holt ein Bild, mit der Liebsten drauf
heraus
Der Abend kommt in seinen Sinn zurück – oh Graus
Doch die Liebste lächelt auf dem Bild
So wie Mona Lisa – eigentlich ganz mild
Es stellt das Bild zur Vase mit der Rose – nur daneben
(Seine Lippen bewegen sich zu einem Wort)
Zulange stumm war es an diesem Ort
Und sagt ganz leise: “ Du hast doch nichts dagegen”
“Jetzt habe ich einen guten Grund, um in den Garten
zu gehn”
“Um dir täglich nach frischen Rosen zu sehn”
“Nun bist du wieder hier, siehst und hörst mir zu und
das ist nett”
“So muss ich heut Abend nicht allein ins Bett”
Die Rose in der Vase zieht den Blick auf sich
“Meine Liebste – ich liebe dich”
“Du bist mein Sonnenschein”
“Bescheine meine kleine Rose, ich lass dich morgen
auch gleich rein”
“Ich kann es kaum ertragen”
“Doch will ich es noch einmal wagen dich zu fragen”
“An diesem Abend, wir waren eins dann zwei”
Mein Herz wurde traurig – es brach dabei”
“Ist es vermessen dich um Verzeihung zu fragen?”
“Und unsere Herzen wieder zusammen zu tragen?”
So steht der ganz kleine Mann vor dem Bild im Glas
Welches steht neben der Rose in der Vas’
Die Liebste, sie lächelt mild
Er fühlt – die Freude kommt – und das schönste ist –
sie bleibt
Der kleine Mann sich seine Hände reibt
Ihm ist zum Tanzen wild zumute doch lässt er dieses
lieber sein
Denn im Raum steht noch ein Stuhl mit tückischem Gebein
Er freut sich innerlich und folgt dem Schein der Sonne
Dieser fällt in jedem Morgen nun auf die Rose mit
frischer Wonne
Und Jagt aus diesem kleinen Haus
Den Frosch aus dem Halse heraus
Dies war die Geschichte vom ganz kleinen Mann
Der ab und an aus dem Fenster schaute
Und dann
Wenn der Morgen graute
In seinem Garten ging und eine Rose nahm
So blieb sein Herze wieder wohlig und warm
Und in dem Haus, Welch frohe Kund
Man vernahm, es ward wieder bunt
von Michael Kugler