@JosefK1914 Ganz zum Schluss die Schuldfähigkeit in Frage stellen, nachdem das monatelang kein Thema war?
Wann kommt sowas denn vor?
Die Schuldfähigkeit ist, wenn fraglich, ein sehr zentrales Thema. Gibt es da Zweifel bringt man die frühzeitig und baut seine Strategie entsprechend darauf.
So zur Not, wenn schon alle Stricke reissen, mögliche Entschuldigungsgründe nachzuschiessen ist tatsächlich ungewöhnlich.
Ich sehe da ein Abweichen von der eigentlich verfolgten Prozessstrategie, dem Abstreiten schon der Tatbestandsverwirklichung durch HS. Ich kann mir vorstellen, der Richter sieht es ähnlich.
Ob sie schuldig oder unschuldig ist hat damit nichts zu tun.
Der Zeitpunkt und die Motivation die man zugrunde legen kann, machen jedenfalls auf mich keinen guten Eindruck. Es ist unrund und wirkt nervös. Eventuell kommt mein Eindruck aus verkürzten Darstellungen usw., aber wie Schwenn das in sein Plädoyer einbauen hätte wollen ist mir schleierhaft.
"Die Staatanwaltschaft hat alles versucht, monatelang alle Mittel, bis an den Rand der rechtlichen Möglichkeiten, eingesetzt. Druck auf die Frau, die Familie, die Freunde und Nachbarn ausgeübt und nichts in der Hand. Was sie meinte in der Hand zu haben, hat sie sich teilweise nicht einmal getraut in den Prozess einzuführen. Sie hat nichts, nichts, ausser einem Motorrad fahrenden Gedächtniskünstler, der sich auch nicht an alles erinnern kann. Wohl aber an ein Kennzeichen, dass zuvor wochenlang in Zeitungen und im Fernsehen erwähnt wurde. usw. usf.
Meine Mandantin ist daher freizusprechen.
Falls Sie aber die Sache anders sehen, dann hat sie diese gut geplante und koordinierte Tat (die sie nicht begangen hat) aus einer depressiven Verstimmung heraus begangen und ist ersatzweise in eine psych. Klinik zu überführen."
Ich finde da keine elegante Lösung.
Mir ist auch kein Fall bekannt, in dem eine schwere Depression, depressive Störung oä. bei einer Person, die ihren Alltag, ihre beruflichen und sozialen Pflichten so bewältigt wie die HS bei einer so durchdachten und im Detail sorgsam ausgeführten Tat schuldmindernd wirkte. Es hinkt für mich mit beiden Beinen.
Ich weiss nicht einmal, was bei diesem Gutachten denn günstigstenfalls hätte heraus kommen sollen!
Man kann das natürlich anders sehen, aber ich halte es für einen Fehler.
Dass "auch ein Unschuldiger mit allem zu rechnen hat" ist mir klar, und vieles an Nachtatverhalten lässt sich damit erklären.
Ob aber die Nervosität oder Angst vor einem möglichen Fehlurteil der beste Ratgeber ist bezweifle ich sehr. Wie das zur anwaltlichen Erfahrung und Strategie von Schwenn steht erschliesst sich mir überhaupt nicht.
Wie gesagt, es kann sein dass hier eine Strategie von Schwenn dahinter steht die ich, sei es intellektuell oder aus Informationsmangel, nicht verstehe. Das werden wir übermorgen sehen.
Für mich ist der Eindruck, den die Angeklagte macht, imsgesamt nicht gut. Diese Begutachtung (von der ich mir nicht vorstellen kann, dass sie auf Schwenns Mist gewachsen ist - aber ich kann mich irren, übersehe eventuell entscheidendes) fügt sich da bei mit ein.
@Willy Da kann ich mich nur dem Greifen anschliessen:
Es hängt am Motorradfahrer.
Falls das Gericht diese Aussage glaubt wird es ausreichen.
Die Widersprüche in der Vernehmung, das Schweigen und das, was die StA in mühevoller Weise zur Charakterisierung herangezogen hat, haben grösstenteils keinen Tatbezug.
Jedoch: Man kann einem Richter nicht in den Kopf schauen, und er wird im Urteil nicht ausführlich begründen weshalb er die Aussage für wahr hält...