@allZum Zündkerzenwechsel: Wie von anderen schon angesprochen ist so ein Zündkerzenwechsel zwar prinzipiell vorstellbar, aber dieser wurde
1. soweit ich die Berichte in Erinnerung habe nicht von der StA vorgetragen,
2. auch nicht von der StA nachgewiesen.
Auf pure Spekulation kann man sich als Richter in seiner Urteilsbegründung nicht stützen.
@sensibellaHS hatte nur angegeben Richtung Leer unterwegs gewesen zu sein, wobei ich das als zielloses Herumfahren interpretiert habe. Ich gehe davon aus, dass - vorausgesetzt HS war tatsächlich mit Selbstmordabsichten unterwegs - sie irgendwo, eventuell in Flussnähe oder an einer anderen geeigneten Stelle - angehalten hat und lange über ihre Situation nachgedacht hat. Insgesamt ist die Strecke Haren - Leer ca. 65 km lang, wobei Richtung Leer für mich impliziert, dass sie Leer nie erreicht hat. Ob das also noch unter längere Fahrt fällt, die ein solch nachweisbares charakteristisches Benzin-Öl-Gemisch verursacht hätte, weiß ich nicht. Jedenfalls aber ist es nicht mit einer Strecke von gut 700 km vergleichbar.
@armleuchterZum Alibi: Wie
@jungler es schon richtig erfasst hatte, konnte sie mE bei gegebener frühest möglicher Abfahrt in Haren nicht vor 22.30 Uhr in Koblenz gewesen sein. Damit wäre eine Tatbegehung vor diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht durch sie möglich. Da eine Tatbegehung vor diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen ist - Eingrenzung: letzte Mahlzeit Do. abend, beide in Schlafkleidung, WS bereits (oder noch) im Bett, Rolläden unten, also frühest mgl. Tatzeitpunkt ca. 20.00 Uhr bis 21.00 Uhr, hatte HS für diesen frühest mgl. Tatzeitpunkt ein Alibi, ebenso wie sie eines für den spätest mgl. Tatzeitpunkt (Fr. frühe Morgenstunden) hatte.
Zu den Selbstmordabsichten: Meiner Erfahrung mit selbstmordgefährdeten Menschen nach merkt man das diesen oft nicht an. Ich bin zwar kein Psychologe, stelle hier also nur Mutmaßungem auf Basis von angelesenem Wissen und Erfahrungen mit psychologischen Sachverständigengutachten an, aber ich habe das Gefühl, dass HS an Hypochondrie und psychosomatischen Schmerzen gelitten hat. Dazu passt mE auch ein gewisser Narzismus und die Ich-Bezogenheit. Den Telefonaten meine ich durchaus entnehmen zu können, dass HS das Gefühl hatte, allein für das Wohl der Familie verantwortlich zu sein und insofern ist es nachvollziehbar, dass ein Mensch schließlich das Gefühl bekommt, dass ihm das alles zu viel wird. Es ist ein Gefühl, des Alleingelassenseins mit all den Problemen und Schwierigkeiten, mit denen die Familie zu kämpfen hat. Dazu kommt dann die Hypchondrie, der eben auch latente Depressionen zugrunde liegen können. Das zusammen genommen kann durchaus in realistischer Weise zu Selbstmordgedanken führen. Daher kann ich diese Möglichkeit nicht ausschließen. Eventuell wird es dazu ja noch eine Aussage von Dr. Buchholz geben, die das weiter erhellt.
@regenwetter1
Zu dem oben genannten passt auch der schnelle Schluss, dass die Polizei einen verdächtigt, wobei dies auch schon ganz nüchtern betrachtet völlig logisch ist: HS weiß, dass sie kein Alibi für Do.-nacht hat. Und sie weiß auch, dass sie ein schlechtes Verhältnis zur Schwiegermutter hatte und darüber hinaus Geld braucht, ergo ein Motiv. Schließlich wird sie sich auch an die schlechten Scherze auf Kosten der Schwiegermutter erinnert haben. Da muss man eigentlich nur 1 und 1 zusammenzählen, um zu wissen, dass man in das Visier der Ermittler geraten wird. Wenn dann auch noch ein gewisses Maß an genereller Ich-Bezogenheit, Hypochondrie, Paranoia dazu kommt, ist diese Reaktion völlig nachvollziehbar. Entsprechend lege ich den Äußerungen von HS, die sie nach Entdeckung der Tat getan hat, keinen Wert bei. Ich konnte auch keiner ihrer Äußerungen - soweit sie hier veröffentlicht wurde - ausschließliches Täterwissen entnehmen.
@armleuchterBzgl. Motiv: Der Frage, ob es noch andere denkbare Motive und/oder Täter gibt, messe ich in dem Prozess eine vergleichsweise marginale Bedeutung zu. Wenn die StA bereits aufgrund anderweitiger Indizien einen starken Fall für sich aufbauen konnte, ist das sicherlich ein weiteres stützendes Argument im Plädoyer. Der Richter wird sich in der Urteilsbegründung aber darauf kaum stützen können. Nur weil kein anderes denkbares Motiv/Täter ermittelt wurde, heißt das ja nicht, dass der Angeklagte schuldig ist. Sonst müsste ja jeder verurteilt werden, der angeklagt wird, da man doch davon ausgehen sollte, dass die Ermittler in jede alternative Richtung ermittelt haben. Entscheidend ist hier wieder der Grundsatz im Strafprozess zu beachten: Die StA muss konkret HS die Tatbegehung nachweisen. Das funktioniert nicht im Wege des Ausschlussverfahrens: Sie hatte ein Motiv, kein Alibi und uns fällt kein anderer als Täter ein, ist eine völlig unbrauchbare Argumentation.
Für die Verteidigung ist das etwas anderes: Gelingt es der Verteidigung nachzuweisen, dass eine andere konkrete Person als Täter in Betracht kommt, ist das ein stark entlastendes Indiz.
Bzgl. Spuren am Tatort: Auch hier gilt schon das oben gesagte. Die StA muss HS konkret die Tatbegehung nachweisen. HS muss erstmal überhaupt nichts nachweisen.
@sensibella hat das schon sehr schön zum Thema Tatwaffe in ihrer Antwort auf
@muscaria ausgeführt. Bei den Spuren am Tatort verhält es sich ähnlich. Hier kommt aber noch erschwerend hinzu, dass - sofern die StA sich in ihrer Argumentation darauf stützt, dass sich HS ihre kleine Schnittverletzung bei der Tat zugezogen haben sollte - diese Verletzung die Wahrscheinlichkeit von Spuren am Tatort drastisch erhöht hätte. Nachdem dort aber gerade keine Spuren gefunden wurden, wird HS als Täterin wesentlich unwahrscheinlicher. Hinzu kommt aber noch, dass nicht nur von HS keine Spuren am Tatort gefunden wurden, es wurden auch keine Spuren von der Tat im BMW, in Haren oder sonst an/bei HS gefunden. Auch das ist in seiner Gesamtheit schon bemerkenswert.
Zusammenfassend: Da die StA die ganze Beweislast trägt und sie konkret HS die Tatbegehung nachweisen muss, ist eben alles, was nicht konkret bewiesen ist, erstmal entlastend für HS.
@Jürgen57Ich würde nicht sagen, dass Deine Darstellung der Sicht eines durchschnittlichen Schöffen entspricht, sondern eher allein Deine Sicht der Dinge ist. Auch wenn die Schöffen Laien sind, ist ihre Wahl an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und haben sie von Gesetzes wegen bestimmte Rechte und Pflichten. Dazu gehört insbesondere, dass sie die Grundsätze der Beweiswürdigung beherrschen. Ein guter Berufsrichter wird den Schöffen klarmachen, worauf es dabei ankommt, wobei es auch ganz hervoraggende Leitfäden für Schöffen gibt. Wäre ich Herr Bock, würde ich den Schöffen gegenüber klarstellen, dass es ganz wesentlich davon abhängt, wie sie bestimmte Zeugenaussagen einschätzen. Die meisten Schöffen sind zwar grundsätzliche Rechslaien, haben aber bestimmte Grundsätze der Rechtsfindung im Strafprozess vermittelt bekommen, sind also insofern keine reine Laien mehr. Darüber hinaus gilt natürlich - und das ist auch gut so - dass die Schöffen allein aus ihrem Bauchgefühl heraus nicht verurteilen können. Denn mindestens zwei der Berufsrichter müssen der Verurteilung zustimmen. Das bedeutet auch, dass Schöffenansichten, die sich nicht mit den Grundsätzen der Beweiswürdigung in Einklag bringen lassen, auch nicht zu einer Verurteilung führen können.
@janbornDie Aufklärungsquote hinsichtlich Mord ist sehr hoch, schwankt im 90 %-Bereich, sie hier:
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/152525/umfrage/entwicklung-der-polizeilichen-aufklaerungsquote-bei-mord-seit-1995/ (Registrierungsaufforderung einfach wegklicken)
Das bedeutet um gekehrt auch, dass ein kleiner Prozentsatz der Morde nicht aufgeklärt wird. Ferner gibt es natürlich eine Dunkelziffer hinsichtlich der Fälle, die erst gar nicht als Mord erkannt werden, sondern als Selbstmord/Unfall/natürliche Todesursache/ungelöster Vermisstenfall registriert werden. All das sind Mordfälle, die man als "perfekten Mord" bezeichnen kann.
Abschließend: Ich persönlich bleibe dabei, dass der Ausgang dieses Prozesses ganz wesentlich von der Würdigung der Aussage des Motorradfahrers abhängen wird. Glaubt man dieser Aussage, halte ich eine Verurteilung für sicher. Glaubt man ihr nicht, lässt sich eine Verurteilung eventuell noch mit der Leihautioschgeschichte und den fehlenden Einbruchsspuren begründen. Aber ohne den Motorradfahrer gibt es kein Indiz mehr, dass
eindeutig HS mit dem Tatort und/oder der Tatbegehung in Verbindung bringt. Und das wird die Begründung der Verurteilung ergheblich erschweren.
Es gibt natürlich auch genug Richter, die sich insofern nicht an das Gesetz halten und aus dem Bauch raus entscheiden und anschließend die Begründung dieser Bauchentscheidung anpassen. Das ist nicht schön, aber leider häufiger so. Dass es keine zweite Tatsacheninstanz gibt, befördert natürlich derartige Entscheidungen, weil die konkrete Beweiswürdigung des Richters eben nicht durch eine zweite unabhängige Instanz überprüft werden kann, und der Richter weiß das.