Mord in Wolfsburg
31.10.2014 um 03:37
Mir erscheint das alles ein wenig zu kompliziert gedacht. In den meisten Fällen erweist sich am Ende, dass die einfachste Theorie, gegen die es keine Handfesten Argumente gab, die richtige war. Ich glaube, dass durch die Aussage, dass es sich um einen "Auftragsmord" handeln kann, die gesamte Perspektive verschoben worden ist.
Schauen wir uns diese Merkmale noch einmal an: was spricht für einen Auftragsmord und welches Gegenargument ist leicht zu finden:
1) Es wurde nichts gestohlen - ein Einbrecher kann entweder durch das Opfer selbst überrascht worden sein, oder nach der Tat durch die Möbelpacker, so dass er keine Zeit hatte, im Haus herumzuwühlen bzw. etwas mitgehen zu lassen. Leider gibt es durchaus brutale Einbrecher, denen ein Menschenleben nicht viel Wert ist.
2) Die Ausführung der Tat spricht für eine gewisse "Erfahrung" des Täters. - Das stimmt wohl, ein oder zwei Genickschüsse sind nicht gerade ein typisches Bild bei Tötungsdelikten, doch muss es sich nicht gleich um einen "beruflichen" Mörder handeln. Mal abgesehen davon, dass man ja nur hier lesen muss, um das theoretische Handwerkszeug zu bekommen, kann es sich auch um eine Person mit entsprechendem Vorwissen handeln, um einen ehemaligen Angehörigen einer Armee-Spezialeinheit etc.
3) Der Täter hat sorgfältig alle Spuren beseitigt, die sich schnell beseitigen liessen, vor allem die Patronenhülsen etc. - Abgesehen davon, dass die Abwesenheit von Hülsen schon dann eintritt, wenn man einen Revolver benutzt, sollte jeder halbwegs gebildete Krimileser wissen, dass es von Vorteil ist, diese Dinge zu beseitigen. Wenn man nicht unter starkem Zeitdruck ist, und in einem überschaubaren Gelände wie einer sauberen Küche, kostet es nicht viel Zeit, diese Spuren zu beseitigen
4) Der Täter kann einen Schalldämpfer benutzt haben - Sicherlich sind diese nicht in jedem Nachttisch zufinden, aber so ungewöhnlich nun auch wieder nicht. Dass der Täter einen solchen besessen hat, was m.W. nicht klar nachgewiesen ist, heisst nicht sofort, dass er ein "Profikiller" ist.
Nehmen wir jetzt einmal an, dass es sich bei dem Täter nicht um einen "Auftragsmörder" handelt, sondern lediglich um eine Person, die die entsprechende Waffe besass oder besorgen konnte, die eine gewisse Kaltblütigkeit besitzt, sowohl die Tat so durchzuführen wie sie durchgeführt wurde, als auch offensichtliche Spuren zu beseitigen, dann fragen wir zuerst nach dem Motiv:
1) Komplett ausschliessen kann man den brutalen Einbrecher bzw. jemanden, der die Gelegenheit wahrgenommen hat, einen Raubüberfall zu begehen nicht. Aber auch ich halte das nicht für die Wahrscheinlichste Theorie.
2) Die allermeisten Tötungsdelikte sind Beziehungstaten. Täter und Opfer kennen sich und haben eine emotionale Beziehung zueinander, die durch irgendeinen Vorfall ("Stressor") auf einmal gestört wurde, so dass es zu dieser extremen Tat kam. Dabei gibt es zweierlei, entweder die typische Affekttat, die sich binnen Minuten entwickeln kann, und die durchaus vorbereitete und geplante Tat, die jedoch auch unter dem Druck eines oder mehrerer Stressoren stattfindet. Meiner Ansicht nach ist das immer noch die wahrscheinlichste Theorie.
Dann muss man also weiter überlegen. Diese Tat sieht nicht nach einer totalen Affekttat aus, also dass das Opfer sich mit dem Täter plötzlich gestritten hat und nichts auf diese Tat hindeutete. Es scheint eher, als ob der Täter vorbereitet war. Was bringt einen Täter dazu, welcher Stressor muss vorliegen? Mord ist eine extreme Tat. Mord an einer Person, zu welcher man eine Beziehung hat, um so mehr. Es muss entweder eine unbändige Wut auf das Opfer vorliegen, deren Ursache man herausfinden müsste, oder der Täter muss existenzielle Angst vor dem Opfer gehabt haben.
Taten, die durch Wut hervorgerufen wurden, zeichnen sich oft durch "overkill" aus, also dass der Täter sich an der Tat abreagiert. 15 oder mehr Schüsse auf das Opfer würden z.B. auf so eine Wut hinweisen. Dafür gibt es hier eigentlich keine Anzeichen.
Bleibt die Angst. Diese muss schon sehr existentiell sein, um die notwendige Kaltblütigkeit zu haben. Das hängt natürlich jetzt sehr von der Psyche des Täters ab, was für den einen niemals ein Grund sein könnte jemanden zu töten, kann für den anderen sehr wohl Grund genug sein. Der eine hat viel zu viel Angst davor, erwischt zu werden, der andere hat sie nicht.
Die Tatausführung weist meiner Meinung nach auf jemanden mit recht grossem Selbstvertrauen. Die Tat scheint recht kaltblütig durchgeführt, der Täter hatte offensichtlich die Mittel und Wege, sich eine Waffe zu besorgen, und hat vermutlich auch fest daran geglaubt, dass er die Tat durchführen kann, ohne erwischt zu werden. Das alles spricht dann auch dafür, dass es sich bei dem Grund für die Tat schon um einen aus seiner Sicht existentiellen handeln musste. Dieser Täter ist willig sehr viel zu riskieren, aber vermutlich nur, wenn sehr viel auf dem Spiel steht. Dann aber ist er selbstbewusst genug, das auch durchzuziehen. Ich denke, er ist im sonstigen Leben auch jemand, der es gewohnt ist, sich durchzusetzen, wobei er durchaus selbst anpackt, um etwas zu erreichen.
Ich vermute der Täter ist intelligent, eher wohlhabend und in einer beruflichen Stellung, in der er relativ viel Macht ausübt. Er besitzt eine Waffe, eventuell legal, eventuell illegal. Vielleicht hat er sie sich einmal besorgt, da er gewohnt ist, mit größeren Geldsummen zu tun zu haben. Vermutlich passt es auch zu seiner Persönlichkeit, sich "mächtig" zu fühlen. Selbst in Deutschland ist es nicht sonderlich schwer, eine Waffe zu besitzen, sogar illegal.
So, nun zum Grund. Warum bringt dieser Täter das Opfer um? Das Opfer muss ihn in gewisser Weise bedroht haben. Ich meine damit nicht, mit Gewalt bedroht, sondern muss ihn in Gefahr gebracht haben, etwas sehr existentielles zu verlieren: zum Beispiel seine Position, sein Geld, seine gesamten bisherigen Lebensumstände, seine gut aufgebaute Persönlichkeit. All das, was er vermutlich aus seiner eigenen Sicht, sich hart erarbeitet hat, sieht er gefährdet durch das Opfer. Er muss auch beschlossen haben, dass es keinen anderen Ausweg gibt, was für mich darauf hinweist, dass er eventuell mit dem Opfer darüber schon einige Auseinandersetzungen hatte.
Nun, um es Kurz zu machen, ich habe das Gefühl, dass hier durchaus eine Affäre, die das Opfer hatte, zu Grunde liegen kann. Das Opfer schreibt von einem "Riesenfehler" den sie gemacht hat. Sie schreibt an den EM. Die Ehe war sicherlich in der Vergangenheit holprig, aber es gibt auch Merkmale, dass sie daran interessiert war, wieder alles ins Reine zu bringen. Dazu kommen dann die merkwürdigen Taxifahrten, und die deprimierte Verfassung des Opfers.
Meine Theorie: Das Opfer hatte eine länger andauernde Affäre mit einem verheirateten Mann in gehobener Position. Beide Seiten genossen das durchaus eine Zeit lang, aber beiden war klar, dass das niemals an die öffentlichkeit kommen soll. Der andere Partner lebt nach aussen ein wohlgeordnetes Familienleben vor, geniesst seine berufliche Position usw. Würde die Affäre bekannt, würde er dies alles vermutlich verlieren: eine Ehescheidung würde ihn finanziell sehr hart treffen, seine gesellschaftliche Position wäre im Eimer, alles, was er sich aufgebaut hat, würde zerstört.
Das Opfer hingegen hat schon seit längerem darüber nachgedacht, die Situation zu beenden. Sie empfindet inzwischen die ganze Sache als Riesenfehler. Die Geheimniskrämerei, die nervliche Belastung, all das ist ihr zuviel geworden und überwiegt nun weit das Positive in dieser Beziehung. Schliesslich entschliesst sie sich, reinen Tisch zu machen, obwohl ihr durchaus klar ist, dass sie dadurch viel Porzellan zerstören wird. Deshalb fühlt sie sich auch so deprimiert. Sie gibt sich die Schuld an der Misere, aber will trotzdem nicht davon ablassen.
Sie kündigt an, die Sache auffliegen zu lassen. Der betroffene Liebhaber versucht sie davon abzuhalten, rechnet ihr vor, was ihn das kosten würde, was sie das kosten würde, usw. aber es gelingt ihm am Ende nicht, sie davon abzuhalten. Dieses hin und her kann durchaus einige Tage oder gar Wochen andauern. Aber am Ende ist klar: sie wird die Sache offenbaren. Und da fasst er den Entschluss, sie daran zu hindern. Für ihn steht zuviel auf dem Spiel.
Woher wusste er, dass das Opfer an diesem Morgen zu Hause ist? Das Opfer wird es ihm selbst gesagt haben. Er hat vielleicht gesagt: lass uns noch einmal in Ruhe darüber reden. Am Donnerstag (dem typischen freien Tag des Opfers). Sie sagt: nein, diese Woche nehme ich Dienstag frei, ich bekomme Möbel geliefert... Irgendwie so. Er wartet auf sie vor ihrem Haus, vielleicht treffen die beiden sich gar schon in der Stadt (es gibt ja keinen Beweis, dass der Täter nicht schon mit ihr im PKW kam und ungesehen von den Nachbarn mit ihr ins Haus kam).
Soweit meine Theorie.