@Aggie Aggie schrieb:In welche Richtung hat dieser Lokalreporter (Wolfgang Kaes) versucht zu recherchieren?
Trudel Ulmen: Journalist löst Mordfall
Es ist echter Krimi-Stoff: Eine Frau verschwindet spurlos vor 16 Jahren. Durchgebrannt mit ihrem Liebhaber, so die Erklärung. Die bis heute gelten würde, wenn nicht jemand noch einmal hartnäckig nachgeforscht hätte. Dieser Jemand aber ist kein Kommissar, sondern ein Journalist.
.Ein Film von Boris Rosenkranz.
Private Aufnahmen einer lebenslustigen Frau. Trudel Ulmen, Ehefrau, Familienmensch. Doch vor 16 Jahren verschwindet sie plötzlich aus diesem Idyll. Ihre Verwandten sind ratlos - bis vor Kurzem.
Der Chefreporter "General-Anzeiger", Wolfgang Keas, erinnert sich : "Ich habe fünf Monate, fast fünf Monate recherchiert. Das ist irgendwann dann auch eine Last, weil ich der, ja, der letzte Hoffnungsschimmer war plötzlich, der Strohhalm, an den sich die Familie geklammert hat und manchmal habe ich mich vor den Tagen gefürchtet, dass mich die Familie anruft und fragt: 'Herr Kaes, haben sie was Neues?'"
Ende 2011 liest er eine Anzeige des Amtsgerichts. Trudel Ulmen werde für tot erklärt, falls sie sich nicht bei der Behörde melde. Statt in der Anzeigenabteilung landete der Aufruf erst zufällig in der Redaktion des "General-Anzeiger".
"Ich stutze, weil ich diesen Fall nicht kannte, diesen Vermisstenfall. Obwohl ich mich an so etwas ganz gut erinnern kann. Und unser elektronisches Archiv kannte diesen Fall auch nicht.", so Kaes, "Ich hatte plötzlich einfach ein eigenes Interesse zu klären, was ist da damals passiert? Weil ich denke, das darf nicht sein, dass so etwas ungeklärt bleibt."
Die Polizei glaubt der Aussage des Ehemannes
Kaes nimmt Kontakt zur Familie auf, spricht mit Freunden und sucht nach früheren Arbeitskollegen. Die Recherchen führen Kaes in seine Heimatstadt Mayen, einen kleinen Ort in der Eifel. Hier ist auch Trudel Ulmen geboren. Seine Ortskenntnis hilft Kaes bei der Suche: "Ich hatte zufällig zunächst den zehn Jahre jüngeren Bruder kontaktiert, und der war sofort bereit, sich mit mir zu treffen. Ich hatte das Gefühl, dass er immer noch nicht aufgegeben hatte und daran interessiert war, Öffentlichkeit zu schaffen. Daran interessiert war, dass sich vielleicht noch klärt, was mit seiner Schwester passiert ist."
Kaes fragt auch bei der Polizei nach. Die ist erst mal reserviert. Die Akte im Fall Ulmen: längst vernichtet. Trudel Ulmens Mann hatte sie 1996 vermisst gemeldet. Und die Anzeige ein paar Tage später wieder zurückgezogen. Seine Frau habe sich gemeldet, sei im Ausland, mit ihrem Liebhaber. In Ulmens Umfeld wird damals getuschelt. Gerüchte kursieren. Viele glauben an die Geschichte von der abtrünnigen Ehefrau. Bis auf die Familie. Auch Kaes zweifelt. Er hat ein Gespür für dubiose Geschichten, schreibt nebenbei Krimis. Nach dem Abitur wollte er eigentlich zur Kripo, wurde aber Polizeireporter. Und blieb Journalist.
Kaes bleibt hartnäckig
Anfang Januar schreibt er das erste Mal im General-Anzeiger über die Verschollene. ("Vermisst. Verschollen. Und beinahe vergessen." General-Anzeiger, 09.01.2012). "Ich hab mir ein Bild gemacht von dieser Frau, alle Puzzleteile zusammengefügt." erzählt Kaes, "Und irgendwann gab es für mich das Bild: Nein, das kann nicht sein. Diese Frau ist nicht der Typ, die freiwillig ihr geordnetes bürgerliches Leben von heute auf Morgen aufgibt."
Ulmens Ehemann will darüber nicht mit dem Lokalreporter sprechen. Ein Grund mehr für ihn, dranzubleiben, weiter zu schreiben. Nun endlich beginnt auch die Polizei zu ermitteln. Und stößt auf einen anderen alten Fall: 1996, drei Monate nach Ulmens Verschwinden, wird in der Eifel eine ermordete Frau gefunden.
"Es geht um eine unbekannte Tote, die der Kriminalpolizei Bonn seit fast einem Jahr Kopfzerbrechen bereitet. Sogar das FBI wurde inzwischen in die Ermittlungen eingeschaltet." heißt es in "Aktenzeichen XY" (ZDF, 06.06.1997). Doch weder das FBI noch Aktenzeichen XY tragen dazu bei, den Fall zu lösen. Die Polizei fragt damals auch Ulmens Mann, ob die Kleider zu seiner Frau passen. Er streitet ab. Die Polizei glaubt ihm. Jetzt erst bringt ein DNA-Abgleich Gewissheit: Die Ermordete ist Trudel Ulmen. Und die Polizei gibt bekannt: Der mutmaßliche Täter ist gefasst. Hat gestanden, Trudel Ulmen mit einem Kissen erstickt zu haben. Es ist ihr Ehemann.
Keas: "Ich habe nach der dritten großen Veröffentlichung nicht mehr daran geglaubt, dass dieser Fall geklärt wird. Mir ging auch die Luft aus. Ich hab mit 62, ich hab’s mal durchgezählt, mit 62 Menschen gesprochen in dieser Recherche." Mit dieser Hartnäckigkeit, mit Neugier und Misstrauen: So konnte Wolfgang Kaes als Journalist etwas bewegen. Trudel Ulmens Familie ist ihm dafür mehr als dankbar.
Kaes ist erleichtert: "Also, das geht mir schon nahe. Dass ich auch sozusagen diesen Menschen helfen konnte, endlich trauern zu können. Die konnten 16 Jahre lang nicht trauern."