Ein sehr interessanter Artikel:
http://m.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/news/tid-25445/maedchenmord-in-emden-kann-ein-18-jaehriger-schon-paedophil-sein_aid_732861.htmlDer Beschuldigte im Mordfall Lena ist selbst erst 18 Jahre alt. Kann ein so junger Mensch überhaupt pädophil sein? „Die Sexualstruktur ist mit dem Ende der Pubertät, also mit etwa 15 bis 16 Jahren determiniert“, sagt Boris Schiffer vom Institut für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen. „Falls der 18-Jährige pädophil ist, dann ist dieses Präferenzmuster auf jeden Fall selbst in seinem jungen Alter schon festgelegt und unveränderbar.“
Auch junge Menschen können pädophil sein
Wichtig für die Differenzierung insbesondere bei sehr jungen Tätern sei, dass das Opfer mindestens fünf Jahre jünger sein muss, damit eine pädophile Störung überhaupt in Betracht gezogen werden kann, sagt der Psychologe.
Der 18-jährige Verdächtige im Emder Mädchenmord hatte sich im vergangenen Jahr bei der Polizei gemeldet. Er zeigte sich selbst wegen des Besitzes von Kinderpornos an. Der Verdächtige gab an, Fotos von einem unbekleideten Kind aufgenommen und kinderpornografisches Material gesammelt zu haben.
Ob der Verdächtige aus Emden tatsächlich unter der psychischen Störung Pädophilie leidet, ist laut Schiffer jedoch nicht sicher. „Nicht jeder, der ein Kind missbraucht, ist automatisch ein Pädophiler“, sagt Schiffer. Für manche Triebtäter seien Kinder schlicht die leichteren Opfer. „Der klassische Vergewaltiger ist ein dissozialer Typ, der seine sexuellen Phantasien oder seine Machtphantasien impulsiv auslebt und für den das Alter des Opfers – manchmal sogar dessen Geschlecht – oft nebensächlich ist“, sagt Schiffer. „Pädophile Täter dagegen wollen meist an der kindlichen Welt teilnehmen und stellen vor dem Missbrauch über längere Zeit eine Beziehung zu ihrem Opfer her. Sie treten in der Regel auch erst in einem späteren Lebensalter zum ersten Mal strafrechtlich in Erscheinung.“
Kinderpornographie ist nur ein Indiz
„Auch der Konsum von kinderpornographischem Material ist kein Beweis, nur ein Indiz in Richtung Pädophilie.“ Kinderpornographie-Konsum sei außerdem nicht automatisch ein Prädiktor für Kindesmissbrauch. Zwar seien viele Täter im Besitz von Kinderpornos, aber der Konsum selbst erhöhe nicht die Wahrscheinlichkeit, ein Missbrauchsdelikt zu begehen, sagt der Psychologe. Wenn sich jedoch bewahrheiten sollte, dass er versucht hat, eine 27-jährige Frau zu vergewaltigen, könne man wohl kaum auf eine fixierte pädophile Präferenz schließen. „Dann wäre eher davon auszugehen, dass es sich bei dem Missbrauch um die Ersatztat eines nicht primär auf Kinder fixierten Täters gehandelt hat.“
Der 18-Jährige hatte bereits im November 2011 zu Protokoll gegeben, dass er aktiv gegen seine Neigung vorgehen wolle und sich in fachlicher Betreuung befinde. „Für einen eher dissozialen und nicht-pädophilen Ersatztäter wäre es im Gegensatz zu einem Pädophilen, der fürchtet seine Neigungen in Handlungen umsetzen zu können, eher untypisch sich aktiv Hilfe zu suchen“, sagt Schiffer. Möglicherweise habe hierbei jedoch eine Rolle gespielt, dass bereits sein Stiefvater Anzeige erstattet hatte. Deswegen sei der junge Mann in Zugzwang geraten und habe auf diese Weise versucht, das Strafmaß zu mildern.
Gesicherte Daten zur Häufigkeit pädophiler Präferenzen liegen nicht vor. Schiffer geht davon aus, dass etwa jeder 200. Mann in Deutschland pädophile Präferenzen hat. Die Hochrechnungen und Schätzungen von Experten schwanken zwischen 0,23 und 3,8 Prozent der männlichen Bevölkerung. „Die Anzahl derer, die darunter leidet und eine der Ambulanzen aufsucht, ist dagegen gering.“
Pädophilie gilt als psychische Störung und beschreibt eine sexuelle Präferenz, die auf Kinder gerichtet ist. Pädophilie gilt nach neuen Diagnosekriterien als Oberbegriff für zwei unterschiedliche sexuelle Präferenzen. „Wir unterscheiden zwischen Menschen, die sich ausschließlich auf präpubertäre Kinder fixieren und denen, die eine Präferenz für pubertierende Mädchen und Jungen aufweisen. Dieser sogenannte hebephile Typ ist viel häufiger“, sagt Schiffer.
Pädophilie gilt als nicht heilbar. Therapien zielen darauf ab, die Impulskontrolle der Betroffenen zu verbessern und so zu verhindern, dass sie sich an Kindern vergreifen und straffällig werden. „Dazu gehört auch, dass Menschen mit pädophilen Präfenzen bestimmte Situationen meiden und sich nicht in der Nähe von Spielplätzen oder Schulen aufhalten“, sagt Schiffer.