Ungeklärte Morde in Aschaffenburg
04.03.2024 um 11:50Gibt es etwas Neues im Fall Christiane J.?
pouwinger1980 schrieb am 04.03.2024:Gibt es etwas Neues im Fall Christiane J.?Meiner Meinung nach kann es in dem Fall nichts Neues mehr geben. Ein Tatverdächtiger wurde rechtskräftig freigesprochen, er muss also als unschuldig gelten. Selbst wenn es neue Indizien gegen ihn gäbe (das wäre ja denkbar, z. B. wenn die verschlampte Box mit Asservaten wieder auftaucht oder es neue Analysemethoden geben würde, z. B. bei der DNA), er könnte nicht erneut für die selbe Sache angeklagt werden. Aus meiner Sicht gibt es zahlreiche Indizien, die für ihn als Täter sprechen, aber er hatte Glück, dass so viele Fehler bei der Ermittlungsarbeit gemacht wurden. Dem Gericht wurde es spätestens mit dem fehlerhaften Gebissgutachten zu bunt, was auch irgendwo verständlich ist.
swinedog schrieb:Selbst wenn es neue Indizien gegen ihn gäbe (das wäre ja denkbar, z. B. wenn die verschlampte Box mit Asservaten wieder auftaucht oder es neue Analysemethoden geben würde, z. B. bei der DNA), er könnte nicht erneut für die selbe Sache angeklagt werden.Im geschilderten Fall nicht, aber grundsätzlich ist auch eine erneute Anklage eines rechtskräftig verurteilten in engen Grenzen möglich, siehe bspw. Wiederaufnahme zuungunsten des Verurteilten (§ 362 StPO) bei Wikipedia:
Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist gem. § 362 Nr. 1–4 StPO zulässig,
1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
2. wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zugunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
3. wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat;
4. wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der Straftat abgelegt wird.
TatsachenTreue schrieb:Im geschilderten Fall nicht,Du schreibst es selbst, ich habe gar keine allgemeine Aussage dazu gemacht, sondern mich speziell auf den Fall Christiane J. bezogen. Verstehe den Sinn deines Beitrags deswegen nicht. (OT)
swinedog schrieb:Du schreibst es selbst, ich habe gar keine allgemeine Aussage dazu gemacht, sondern mich speziell auf den Fall Christiane J. bezogen. Verstehe den Sinn deines Beitrags deswegen nicht. (OT)Mit im geschilderten Fall meinte ich neue Indizien im Fall Christiane J... Ungenau formuliert von mir.
swinedog schrieb:Meiner Meinung nach kann es in dem Fall nichts Neues mehr geben. Ein Tatverdächtiger wurde rechtskräftig freigesprochen, er muss also als unschuldig gelten. .................. Aus meiner Sicht gibt es zahlreiche Indizien, die für ihn als Täter sprechen, aber er hatte Glück, dass so viele Fehler bei der Ermittlungsarbeit gemacht wurden. Dem Gericht wurde es spätestens mit dem fehlerhaften Gebissgutachten zu bunt, was auch irgendwo verständlich ist.Grundsätzlich kann der Fall noch gelöst werden. Das Gericht hatte damals in der Urteilsverkündung gesagt, dass der Angeklagte wahrscheinlich nicht der Täter sei. Dies war auch nachvollziehbar, da das Zeitfenster viel zu klein war und man einen relativ weltfremden Konstrukt behaupten musste, ihn noch als Täter anzunehmen.
Lento schrieb:was man Beiträgen hier auch entnehmen kannEs gab so viele Indizien gegen ihn, dass ich wenig Hoffnung habe, es könnte ein großer Unbekannter gewesen sein. Wäre bei dem Gutachten nicht so geschlampt worden, säße heute vielleicht ein Unschuldiger im Knast? Ich sehe es in dem Fall so: Lieber 10 Schuldige fälschlicherweise freisprechen, als einen einzigen Unschuldigen fälschlicherweise zu verurteilen. Bei mir persönlich bleiben aber trotzdem Zweifel ob seiner Unschuld.
swinedog schrieb:Bei mir persönlich bleiben aber trotzdem Zweifel ob seiner Unschuld.Ich sagte ja, der Angeklagte dürfte durch diese Schlamperei insgesamt schweres Unrecht passiert sein, er ist auch stigmatisiert. Kaum jemand hat das Verfahren aufmerksam genug verfolgt. Die Gerüchte eines geplatzten Alibis werden auch Heute immer noch behauptet.
RedRalph schrieb:In einem Fall der Entführung eines Mädchens, das morgens zur Schulbushaltestelle ging und verschwand, stellte sich die Frage, ob sie in den Bus eingestiegen war. Der Busfahrer meldete sich ein paar Tage später und hätte schwören können, dass sie an diesem Tag in den Bus eingestiegen ist.Kann mich spontan nicht an einen solchen Fall erinnern. Hast Du mehr Informationen dazu bzw. einen Beleg/Quelle?
RedRalph schrieb:Nichts kann einem besser täuschen als das eigene Gedächtnis...wenn der Polizist einen solchen Aktenvermerk mit einem gewissen zeitlichen Verzug gemacht hat, schließt es nicht aus, dass er sich zumindest bei der Uhrzeit dennoch geirrt haben könnte. Wenn er den Vermerk (es kann ja bei Bagatellsachen sein, dass man ein paar Tage später diese in einem Aufwasch erledigt, weil die Polizisten ja eben nicht die ganze Zeit am Schreibtisch im Revier hocken), erscheint sogar der Irrtum bzgl. des Tages nicht auszuschließen.Wie ich schon schrieb, er hatte es aus den Einsatzzeiten rekonstruiert. Sprich er hat ihn im Zusammenhang mit einem Einwurf einer Fensterscheibe vor Ort gesehen. Ich vermute, dass der Polizist den Freigesprochen als Verursacher des Scheibeneinwurfes in Verdacht hatte, denn normalerweise prägt man sich kaum die Umstehenden ein. Da die Einsatzzeiten in den Akten vermerkt werden, ist diese Zeit sicherer als jede andere Urzeitangebe von Zeugen. Wie gesagt, nachdem der Zeuge das so geschildert hatte, wird das Gericht stutzig geworden sein und das Gutachten nun endlich auf Herz und Nieren untersucht haben und dann so die schweren Fehler erkannt hatte. Denn vor der Zeugenaussge hatte das Gericht den Antrag auf ein Zweitgutachten abgelehnt. Ich denke, dem Gericht war die Bedeutung dieser Zeugenaussge klar und war sich relativ sicher, dass irgendetwas nicht stimmen konnte.
TatsachenTreue schrieb:Kann mich spontan nicht an einen solchen Fall erinnern. Hast Du mehr Informationen dazu bzw. einen Beleg/Quelle?Die Info habe ich aus dem Podcast "Verbrechen von nebenan" Folge #106 "Ein Mädchen verschwindet."
Lento schrieb:Wie ich schon schrieb, er hatte es aus den Einsatzzeiten rekonstruiert.Aber so eine Schicht dauert halt auch mehrere Stunden. Wenn man das dann ein paar Tage später rekonstruiert, kann einem das Gedächtnis einen Strich spielen. Und eine Stunde oder zwei Stunden früher oder später können halt einen Unterschied machen.
Lento schrieb:Aber ich sage ja, man will ihn hier gerne weiter ihn als wahrscheinlichen Täter sehen, was das Gericht sagt, interessiert nicht. Da zeigt, wie der Mensch tickt und wie wichtig es ist, schon im Vorfeld vernünftig zu ermitteln, was hier eben nicht erfolgte.Ich habe keine Meinung darüber, ob er der Täter ist oder nicht. Auch wenn er gar kein Alibi gehabt hätte, dann wäre er kaum verurteilt worden. Aber wenn die Polizei damals vielleicht gründlicher ermittelt hätte und mehr berücksichtigt hätte, dass auch ein Polizist sich nach ein paar Tagen irren kann und sich nicht allein auf die eine Aussage verlassen, dann hätte die Polizei gründlicher alles überprüfen können. Entweder mehr Leute hätten das Alibi bestätigt, es war ja eine Situation, bei der mehrere Personen zugegen waren, dann wäre das Thema für immer durch gewesen oder falls nicht, dann hätten sie damals gründlicher nach anderen Beweisstücken suchen können und hätten vielleicht Spuren bekommen, mit denen später besser DNA hätten extrahiert werden können.
RedRalph schrieb:Aber so eine Schicht dauert halt auch mehrere Stunden. Wenn man das dann ein paar Tage später rekonstruiert, kann einem das Gedächtnis einen Strich spielen. Und eine Stunde oder zwei Stunden früher oder später können halt einen Unterschied machen.Bei so einem Einsatz werden an sehr vielen Stellen Daten erfasst. Schon der Anruf bei der Polizei wird genau registriert. Natürlich wird das zeitnah der Einsatz protokolliert, nicht am Ende einer Schicht.
RedRalph schrieb:Auch wenn er gar kein Alibi gehabt hätte, dann wäre er kaum verurteilt worden.Er wäre wahrscheinlich verurteilt worden. Denn ich vermute, dass erst durch diese Zeugenaussage das Gericht stutzig bzgl. des Gutachtens geworden war. Denn erst nach dieser Zeugenaussage hatte das Gericht das Gutachten wirklich überprüft. Genau bis zum nächsten Verhandlungstag hatte das Gericht sich die Arbeit gemacht sämtliche Behandlungsunterlagen des Angeklagten Dokumentation für Dokumentation durchzuschauen und hatte erst dadurch erkannt, dass die Gutachterin sich nicht mal diese Arbeit gemacht hatte, diese durchzugehen, was u.a. zu dem fehlerhaften Gutachten geführt hatte. Das Gericht selber hatte klar gesagt, es hätte Gutachteraufgaben geleistet, also Aufgaben, die das Gericht normalerweise nicht durchführt. Es war vorher von der Richtigkeit des Gutachtens ausgegangen und hat auch ein Antrag auf ein Zweitgutachten wegen angeblich hoher Kompetenz der Gutachterin und Darstellung bei der Befragung abgelehnt. Das Gutachten war zu dem Zeitpunkt eigentlich schon längst abgehandelt.
Lento schrieb:Bei so einem Einsatz werden an sehr vielen Stellen Daten erfasst. Schon der Anruf bei der Polizei wird genau registriert. Natürlich wird das zeitnah der Einsatz protokolliert, nicht am Ende einer Schicht.Warst Du dabei? Du stellst Mutmaßungen an, die nicht belegt sind. Mutmaßungen, die sich auf eine Zeit beziehen, als die technischen Möglichkeiten nicht ansatzweise das konnten, was heute selbstverständlich ist. Und was heißt "zeitnah"? Schon einen Tag später können Dinge mal im Gedächtnis durcheinander kommen, vor allem, wenn man es zu diesem Zeitpunkt noch eher für eine "Bagatelle" handelt und viel los war.
Lento schrieb:Er wäre wahrscheinlich verurteilt worden. Denn ich vermute, dass erst durch diese Zeugenaussage das Gericht stutzig bzgl. des Gutachtens geworden war.Auch das sind Vermutungen ins Blaue hinein, insbesondere ob die Zeugenaussage der Trigger war, das Gebissgutachten noch einmal zu überprüfen. Gelesen habe ich das nirgendwo.
RedRalph schrieb:Warst Du dabei? Du stellst Mutmaßungen an, die nicht belegt sind. Mutmaßungen, die sich auf eine Zeit beziehen, als die technischen Möglichkeiten nicht ansatzweise das konnten, was heute selbstverständlich ist.Wir mutmaßen doch in Wirklichkeit alle, auch Du.
RedRalph schrieb:Auch das sind Vermutungen ins Blaue hinein, insbesondere ob die Zeugenaussage der Trigger war, das Gebissgutachten noch einmal zu überprüfen. Gelesen habe ich das nirgendwo.Nun, eine Vermutung ins Blaue hinein ist es ganz und gar nicht. Ich habe die Gründe für diese These schon offen dargelegt. Ob Du die Theorie woanders nicht gelesen hast, spielt keine Rolle, denn das Gericht hat die Hintergründe nicht aufgeklärt, daher kannst Du darüber auch nichts gelesen haben. Wenn man die Umstände jedoch berücksichtigt, ist es sehr naheliegend. Hinzu kommt noch die Beobachtung des Bruders bzgl. dem Verhältnis der StA und dem Gericht. Nachdem die Sache mit dem Gutachten aufgeflogen war, war das Verhältnis zwischen Gericht und StA gespannt (so nahm er es jedenfalkls wahr). Warum denn? Das die Gutachterin grob fahrlässig gehandelt hat, ist nicht durch die StA verursacht. Auch als das Gericht die Gutachterin befragt hatte, war es von der Richtigkeit überzeugt, genau wie die StA, daher konnten die nicht erkannten Fehler des Gutachtens für die Verstimmung nicht der Grund sein. Aber die Bewertung der Alibi-Zeugenaussage, das war definitiv ein Fehler der StA, der Schluss, dass der Zeuge sich bei der Aufnahme der Anzeige in der Urzeit geirrt hatte, dass er sich genauso bei dem Alibi vertan haben muss, ist in Wirklichkeit eine Mutmaßung, die nicht belegt war. Dazu hätte es erst eine genaue Befragung des Polizisten erfordert, wie er zu diesen genauen Zeiten überhaupt gekommen war.
RedRalph schrieb:Umstrittene Schuldsprüche gibt es natürlich auch in anderen Bundesländern...Babenhausen ist nur wenige km weg von Aschaffenburg, liegt aber schon in Hessen...Ja, die Kritik ist in einer gewissen Weise nachvollziehbar, aus meiner Sicht hat sich das Gericht viel zu häufig unnötig auf Glatteis begeben und Dinge ohne Not festgestellt, wo der Schluss nicht überzeugt. Aber die wirklich tragenden Teile des Urteils sind überzeugend und daher ist aus meiner Sicht mit hoher Wahrscheinlichkeit die Entscheidung richtig. Aber dieses Zuviel, ist für die Zweifler dann ein gefundenes Fressen, es wird dann gern Rosinenpickerei betrieben. Aber das ist hier OT.