Der tragische Tod von Tanja Gräff
01.06.2015 um 18:42Drei Wochen nachdem die sterblichen Überreste von Tanja Gräff gefunden sind, beschäftigt die Bevölkerung die eine Frage: Warum wurde die Leiche der vermissten Studentin nicht früher gefunden, vielleicht sogar unmittelbar nach ihrem Verschwinden?http://www.wort.lu/de/lokales/offene-fragen-im-fall-tanja-graeff-vier-mal-gesucht-und-nichts-gefunden-556b2b740c88b46a8ce5a44b
Um diese Frage zu beantworten, muss man sich die Ereignisse in der Nacht zum 7. Juni 2007 noch einmal in Erinnerung rufen.
Die 21-jährige Tanja Gräff trifft gegen 23.30 Uhr mit dem Bus am Gelände der Fachhochschule Trier ein, wo 14 000 junge Leute das Sommerfest feiern. Sie hat einige Tage vorher einen jungen Mann kennengelernt, mit dessen Clique sie nun feiert. Als ihr Schwarm Andreas* von der Fachhochschule aus zurück in die Innenstadt fährt, bleibt Tanja Gräff auf dem Festgelände. Sie begegnet mehreren Schulfreunden und Studienkollegen aus ihrem Jahrgang. Auch ein langjähriger Bekannter ist dabei. Als dieser um 3.55 Uhr Tanja Gräff an einem Bierstand trifft, ist sie in Begleitung eines unbekannten Mannes. Der Bekannte bietet Tanja an, mit ihr in die Stadt zu fahren. Der Begleiter reagiert aggressiv: „Hey, lass Tanja in Ruhe.“ Da Tanja den Mann zu kennen scheint, zieht sich der Bekannte zurück. Um 4.01 Uhr telefoniert Tanja mit Andreas, der sich noch im Stadtzentrum befindet. Währenddessen kommen drei alte Freunde auf sie zu. Hinter Tanja ein Begleiter, der von den Zeugen als mollig beschrieben wird. Er trägt einen Spitzbart. Ein zweiter Mann steht dabei, aber die drei Zeugen können ihn später nicht beschreiben.
Um 4.13 Uhr ruft Tanja zum letzten Mal Andreas an. Um diese Zeit machen zwei Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes eine Beobachtung. Sie sehen eine rotblonde, sehr schlanke junge Frau in Begleitung von zwei Männern. Sie telefoniert und wirkt sehr verärgert.
Danach verliert sich Tanjas Spur.
Erst acht Jahre später wird ihr Skelett unterhalb einer Felswand gefunden, keine 500 Meter von dem Festgelände entfernt. Vier Mal hat die Polizei allein den Bereich unterhalb des „roten Felsens“ abgesucht, gefunden haben die Einsatzkräfte nichts.
Hätte die Polizei Tanja Gräff nicht schon kurz nach dem verhängnisvollen Sturz finden können? Nach der massiven Berichterstattung im Juni 2007 mehrten sich die Hinweise von Anwohnern.
Direkt aus der Nacht zum 7. Juni stammt der Bericht eines anonymen Zeugen, der am anderen Moselufer wohnt. Er teilte der Polizei mit, er habe in der betreffenden Nacht in seinem Zimmer bei geöffneten Fenster geschlafen. Um 4.30 Uhr sei er aus dem Bett aufgeschreckt, weil er „angstvolle Schreie einer Frau“ gehört habe. Er gibt an, die Schreie stammten aus Richtung des Moselufers, kann aber nicht sagen, von welcher Seite. Um 4.45 Uhr verstummten die Schreie, es wurde langsam hell. Diese Zeugenaussage hätte die Polizei zu Tanja Gräff führen können, doch sie kam zu spät. Der Trierer Oberstaatsanwalt Peter Fritzen erklärt gegenüber dem Luxemburger Wort: „Es trifft zu, dass es einen Hinweis auf einen weiblichen Schrei gab. Der Hinweis wurde allerdings nicht bereits in der Nacht des Geschehens, sondern erst mehrere Wochen später mitgeteilt.“
Anwohner melden Schreie
Am 13. Juni meldeten sich mehrere Anwohner aus der Straße unterhalb der Felswand, die Hilfeschreie und das schreckliche Wimmern einer Frau gehört haben wollen. Die Polizei durchsucht 17 Häuser im Stadtteil Pallien, jedoch nicht das Apartmenthaus, neben dem Tanja Gräffs Leiche gefunden wurde. Die Beamten befragen eine ganze Reihe von Anwohnern. Einer von ihnen vermutet, die Schreie hätten auch von einer Mutter kommen können, die mit ihrem Kind schimpft. Obwohl diese Mutter mit Kind nie ermittelt wurde, gilt dies bis heute als offizielle Version der Polizei. Dazu Oberstaatsanwalt Fritzen: „Die Herkunft der Schreie konnte nicht eindeutig geklärt werden. Ein Zusammenhang mit dem Verschwinden von Tanja Gräff ließ sich nicht feststellen.“
An dieser Stelle wurden die Überreste von Tanja Gräff gefunden - 20 Meter vom Garten des Apartmenthauses (Bildmitte) entfernt.
An dieser Stelle wurden die Überreste von Tanja Gräff gefunden - 20 Meter vom Garten des Apartmenthauses (Bildmitte) entfernt.
Foto: Pierre Matgé
Jetzt knüpft die Polizei an die Befragungen von 2007 an. 50 frühere oder heutige Bewohner des Apartmenthauses hat die Polizei bisher erneut vernommen, wie sie am Freitag mitteilte. Bei der Pressekonferenz vor drei Wochen war das Erstaunen der versammelten Journalisten groß: Tanja Gräffs skelettierte Leiche wurde unterhalb der Felswand gefunden, also in einem Bereich, in dem groß angelegte Suchaktionen mit Spürhunden stattfanden und ausgebildete Retter mit Klettergerät jeden einzelnen Winkel absuchten.
Der Felsvorsprung, wo Waldarbeiter die Leiche fanden, war zwar mit Bäumen und dichtem Gestrüpp bewachsen. Aber dennoch: Er liegt nur 20 Meter vom Garten des Apartmenthauses entfernt. Auf die wiederholten Fragen der Presse hat die Kriminalpolizei nur eine Antwort: Der Felsvorsprung sei schwer zugänglich gewesen. Dies hätten auch die Waldarbeiter bestätigt.