Tajna schrieb:Du schreibst einen ziemlich langen Post, nimmst aber zu den eigentlich wichtigen Punkten nur so kurz Stellung:
Ich habe in meinem Beitrag ein paar Kernpunkte exemplarisch für eine kurze Stellungnahme meinerseits zur Verdeutlichung herangezogen, da es in diesem Fall eine riesige Reihe an Indizien gibt. Bitte sehe es mir nach, aber der Post wurde so schon mehr als lang genug.
Tajna schrieb:Und das, obwohl nicht einmal ein Motiv gefunden wurde, warum Darlie Routier ihre Kinder getötet haben soll?
Zu diesem Punkt habe ich mich ziemlich zu Anfang in meinem Beitrag geäußert. Ich möchte vlt. noch folgendes ergänzen, damit es deutlicher wird: Es gibt in diesem Fall womöglich nicht das "EINE" Motiv. Wenn es z.B. heißt, die finanzielle Situation kann es nicht gewesen sein, da der Tod der Kinder keine finanziellen Vorteile für den Täter erbrachte, ist das oberflächlich betrachtet natürlich richtig. Doch das ist eben nur die Oberfläche. Die finanzielle Schieflage der Familie war meiner persönlichen Meinung nach möglicherweise nämlich sehrwohl
Teil des Motivs. Mrs. Routier äußerte sich mehrfach gegenüber Zeugen darüber, mit den Kindern zeitweise überfordert gewesen zu sein. In einem sichergestellten Schriftstück von ihr wird deutlich, dass sie sich ihr "altes" Leben ohne Kinder, ohne Haushalt, finanziell sorgenfrei und von jegendlicher Freiheit zurückwünschte. Sie war zweifellos von depressiven Episoden geplagt. Ihr Mann überraschte sie z.B. dabei, als sie einen Abschiedsbrief schrieb. Die Tabletten für einen Suizid hatte sie auch schon besorgt. Dann kam hinzu, dass ihr Geschäft nicht gut lief, der Jaguar des Mannes ständig in der Werkstatt stand, dass Boot Probleme machte und natürlich diverse Rechnungen nicht bezahlt werden konnten. Eine Belastung, die auch zu Streit zwischen den Ehepartner führte. Schließlich wurde kurz vor der Tat noch ein Kredit abgelehnt.
Wenn ich also spekulativ zugrunde lege, Mrs. Routier war zur Tatzeit eher depressiv, fühlte sich durch Kinder und Haushalt belastet, wollte ihr altes Leben ohne Kinder zurück und hatte Eheprobleme, so hat vlt. die akute finanzielle Krise sprichwörtlich das Fass zum überlaufen gebracht. Psychologisch gesehen, ging es also bei der Kindstötung nicht um einen direkten finanziellen Vorteil. Es ging möglicherweise darum, die Situation zu beenden, die sie nicht mehr ertrug, Belastungen aus der Welt und Tatsachen zu schaffen. Vlt. war sogar die Bestrafung des Ehemannes für dessen Verantwortung in diesem psychologischen Komplex eine bewusste/unbewusste Komponente dabei. Sie könnte theoretisch auch zunächst ihr eigenes Ableben mit eingeplant haben, wollte die Kinder jedoch dann doch nicht zurücklassen. Erst als sie bei ihrer Selbstverletzung merkte, dass sie sich selbst doch nicht auf diese Weise töten kann, kam dann der fiktive Täter ins Spiel und ein Tatort wurde insziniert.
Es gibt da viele Möglichkeiten. Ohne eine Aussage von Mrs. Routier (natürlich nicht zu erwarten) bleibt jedoch alles spekulativ. Die Anklage unterstellte ihr demzufolge das Naheliegendste. Ein normaler Vorgang, der aufgrund der vorhandenen Indizien und Verhaltensweisen der Angeklagten mMn definitiv nicht aus der Luft gegriffen war.
Drehen wir den Spieß einmal um: Was für ein Motiv hätte eine dritte Person gehabt ? Auch hier gibt es kein offensichtliches Motiv. Ich habe nirgendwo Hinweise finden können, dass die Familie "Feinde" hatte, jemand sie bedrohte und/oder durch aggressives Verhalten der Familie gegenüber auffällig geworden wäre. Niemand außerhalb der Familie profitierte vom Tod der Kinder. Es bleibt also nur ein Psychopath übrig, der einfach irgendwo einbrach um Menschen zu töten. Das gab und gibt es leider. Doch das angebliche Verhalten des Täters passt mMn nicht dazu. Es war nicht nachvollziehbar, so wie es Mrs. Routier beschrieben hat. Warum sollte der Täter bei den Kindern mahrfach mit voller Kraft tödliche Stiche in den Torso vollziehen, dann bei der Mutter jedoch von dieser brutalen Vorgehensweise abweichen und nur noch -im Verhältnis- mit "halber Kraft" ausgeführte, nicht letale Schnittverletzungen zufügen ? Sie lag genauso wehrlos und schlafend da, wie es die getöteten Kinder taten. Warum rannte er vor der verletzten Mutter davon, als diese wach wurde ? Warum ließ er seine Waffe fallen und riskierte durch sein Verhalten eine bewaffnete Zeugin, die ihn beschreiben konnte ? Warum wählte er einen Fluchtweg, bei dem er klettern mußte und rannte nicht durch irgendeine von innen problemlos zu öffnende Tür ins freie ? Warum hinterließ der Täter keinerlei Spuren ?
Am Ende kamen auch Widersprüche und durch die Angeklagte und deren Verteidigung nicht beantwortete Merkwürdigkeiten ans Licht. Da war z.B. die Geschichte mit der unterlassenen Hilfe für die sterbenden Kinder, die entfernten Blutspuren am Spühlstein in der Küche, dass zerbrochene Weinglas, dass
auf die Blutspuren der Mutter fiel und zerbrach, dessen Scherben jedoch die barfüßige Mrs. Routier trotz Panik und -nach ihrer Aussage- mehrfachen Überlaufen bei ihrem angeblichen Pendeln durch Küche und Wohnraum (auch im dunkeln) nicht verletzten. Der Staubsauger, welcher auf die Blutspuren der Mrs. Routier gestellt und hindurchbewegt wurde... Usw... usf... Eine ganze Liste an Unstimmigkeiten gibt es da.
Tajna schrieb:Man kann auch nicht ausschließen, dass Darlie in der Tatnacht unter Medikamenten oder Drogen stand (anscheinend war sie auch noch depressiv) und dass das etwas mit ihrer eingeschränkten Reaktionsfähigkeit und ihrer gestörten Erinnerungsfähigkeit zu tun hatte.
Im Prozess wurde nichts dergleichen durch die Angekagte oder deren Verteidigung erwähnt. Bis heute spielt eine möglicherweise eingetrübte Wahrnehmung zum Tatzeitpunkt keine Rolle. Korrigiere mich, wenn ich falsch liegen sollte. Aber ich sehe dafür keinen belastbaren Anhaltspunkt.
Dann sind da noch die Blutergüsse: Nun, warum sollten Ärzte und Schwestern diese Dinge nicht korrekt erfassen ? Konspiration ? Nein, bei der vorhandenen Spuren/Indizienlage war das nicht nötig. Mrs. Routier hat nie all ihre Verletzungen zum Thema gemacht. Sie hat alles immer ihrem Wissensstand über die Ermittlungen angepasst. Als z.B. anhand der Blutspuren im haus widerlegt werden konnte, dass sie dem Täter nachgerannt und wieder zum Lichtschalter zurückgerannt sei, änderte sie die Aussage von Laufen/rennen in "gehen" ab. Warum könnte sie nicht auch bei ihren Verletzungen ähnlich verfahren sein ? Die punktuellen Verletzungen an ihrer linken Schulter zum Beispiel, können nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit dem Angriff des Täters zugeordnet werden. Denn mehrfach(!) nur das T-Shirt zu penetrieren, ohne dabei tief in den direkt darunter befindlichen Körper einzudringen, ist von außen bei einem Angriff kaum möglich. Folglich verschwieg sie diese. Bis heute wird dazu keine Stellung bezogen.
Bis heute hat die Verteidung keine klaren Indizien oder gar Beweise vorgebracht, die bloß die Anwesenheit einer dritten Person nahelegen würden. Auch die bisherigen Widersprüche und Unstimmigkeiten konnte nie erklärt/widerlegt werden.