Der schwarze Mann/Soko Dennis
11.01.2013 um 16:50und noch was zum prozess: das gericht sprach es aus - etwas anderes als das im geständnis zugegebene "konnte man nicht beweisen"
http://www.nordsee-zeitung.de/nachrichten/home_artikel,-Hoechststrafe-fuer-den-Maskenmann-_arid,712610.htm
szmtag
Höchststrafe für den Maskenmann
Stade. Da ist sie wieder – die Maske. Wie bei seinen nächtlichen Missbrauchstouren verbirgt Martin N. auch zu Beginn des letzten Prozesstages sein Gesicht. So lange, bis die Fotografen und Kameraleute aus dem Schwurgerichtssaal des Stader Landgerichts verschwunden sind. Dann erst fällt der Aktendeckel. Doch wirklich blicken lässt sich der Vollbartträger auch jetzt nicht. Mit gesenkten Lidern nimmt er das Urteil der Strafkammer entgegen. Von Heike Leuschner
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Dieses Porträt von Martin N. fertigte Gerichtszeichnerin Christine Böer während des Prozesses an.
Blass, teilnahmslos und müde wirkt der 41-Jährige, während er kerzengerade, mit gefalteten Händen zwischen seinen beiden Verteidigern sitzt. Soeben hat ihn das Gericht wegen dreifachen Kindsmordes und mehrfachen sexuellen Missbrauchs zu einer lebenslangen Haft bei besonderer Schwere der Schuld mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Ob ihn das härteste Urteil im deutschen Strafrechtssystem trifft, zeigt er nicht.
Der Vorsitzende Richter Berend Appelkamp lässt sich Zeit für seine Urteilsbegründung. Anderthalb Stunden lang. Er schildert den aus einfachen Verhältnissen stammenden gebürtigen Bremer als unsicher, zurückgezogen und ordnungsliebend. Nach der Trennung der Eltern – Martin N. war drei Jahre alt – lebte er mit zwei Brüdern bei seiner Mutter. Auf Sprachheilschule, Grundschule und Gymnasium folgte ein Lehramtsstudium. Das Referendariat brach er ab und arbeitete nun als Betreuer.
Auf der Suche nach Jungen
Seine sexuelle Vorliebe für Jungen zwischen acht und zwölf Jahren bemerkte Martin N. bereits in frühen Teenagerjahren. Der psychiatrische Gerichtsgutachter, Dr. Norbert Nedopil, diagnostizierte eine pädosexuelle Neigung und eine schizoide Persönlichkeitsakzentuierung bei dem Angeklagten. Er sprach von „Schicksal“, nicht von einer Krankheit.
Diese Neigung wurde dem Angeklagten zum Verhängnis: Tagsüber betreute er Kinder, erzog sogar ein Pflegekind, ohne sich an ihnen zu vergreifen. Nachts fuhr er mit seinem Auto durch die Gegend, um sein sexuelles Bedürfnis nach fremden Jungen zu stillen.
Für die Kammer gibt es keine Zweifel, dass Martin N. mindestens ein Jahrzehnt lang immer wieder nachts in Schullandheime, Zeltlager und Kinderzimmer eingedrungen ist. Dort vergriff er sich, mit einer Sturmhaube maskiert, an mehr als 40 Kindern. Nach Überzeugung der Kammer streichelte er sie im Genitalbereich und ließ sich selbst von ihnen berühren. Auf diese Weise habe er sich „Appetit geholt für seine Masturbationsfantasien“, beschreibt es Gutachter Nedopil.
Stefan Jahr (13, 1992), Dennis Rostel (8, 1995) und Dennis Klein (9, 2001) mussten aber sterben, weil der „Maskenmann“ Martin N. nichts mehr fürchtete, als dass seine Mutter von der gesellschaftlich nicht akzeptierten sexuellen Vorliebe erfuhr.
Das Geständnis des Angeklagten, so der Vorsitzende Richter, habe die Verurteilung wegen Mordes erst ermöglicht und sei bei der Strafwürdigung hoch zu bewerten. Auch hinsichtlich der Vorgehensweise folgte das Gericht den Aussagen des Angeklagten. Zu den Spekulationen der Nebenkläger über Ritualmorde oder Morde zur Befriedigung des Sexualtriebs sagt Appelkamp: „Andere als die vom Angeklagten geschilderten Abläufe lassen sich nicht beweisen.“ Strafverschärfend wertete die Kammer dagegen, dass Martin N. dreimal zur Verdeckung von Straftaten tötete, den Missbrauch an zwei weiteren Jungen nach 2001 verschwieg und das Passwort für seinen Rechner immer noch geheimhält.
Als Indiz für eine bis heute anhaltend hohe Gefährlichkeit würdigen die Richter auch die „menschenverachtend-zynischen Äußerungen“ des Martin N. in Internetforen von Pädophilen bis zu seiner Festnahme im April 2011. Obendrein gibt es noch die Morde an zwei weiteren Jungen, die die Handschrift des „Maskenmannes“ tragen. Nachweisen konnten ihm die Ermittler diese Taten bislang aber nicht.
Sicherungsverwahrung
Die höchste Strafe in Deutschland ist die lebenslange Haft und wird bei Mord zwingend verhängt. Die Reststrafe kann frühestens nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Hat das Gericht eine besondere Schwere der Schuld festgestellt, kann der Täter nur in Ausnahmefällen nach 15 Jahren freikommen. Um die Gesellschaft vor besonders gefährlichen Straftätern zu schützen, kann das Gericht nach Paragraf 66 des Strafgesetzbuches (StGB) mit dem Urteil eine anschließende Sicherungsverwahrung anordnen.l