@mirchenHast Du das Buch bzw. das entsprechende Kapitel mittlerweile gelesen? Ich schon, und ich finde es recht enttäuschend und nichtssagend. Zum einen beinhaltet es nichts Konkretes. Zunächst seitenlange Interviews mit Heikes Eltern, in denen sie von der Zeit unmittelbar vor und nach der Tat berichten sowie darstellen, wie es ihnen in ihrem Leben seit dem Mord an Heike ergangen ist und welche Fehler die Polizei und die Staatsanwaltschaft ihrer Meinung nach gemacht haben. In diese Erzählungen fließen auch Statements ein, warum sie Heikes Exfreund für den Täter halten. Natürlich sind diese ganzen Darstellungen höchst subjektiv - verständlich, kommen sie doch von den Eltern, die Einschätzungen, wonach der Täter aus Heikes unmittelbarem familiären Umfeld kommen könnte, in Bausch und Bogen von sich weisen.
An diese subjektive Darstellung schließt sich eine psychologische Betrachtung an, wonach Frauen, die ihre Partner verlassen, häufiger von diesen getötet werden als Männer, die ihre Partnerin verlassen. Das Ganze schließt dann in der platten Erkenntnis, dass es für einen Freundinnen-Mörder problemlos möglich ist, eine neue Liebe zu finden und mit dieser eine Familie zu gründen.
Ein bisschen mehr Inhalt hätte ich mir von Benecke schon erhofft. So ist das nichts Halbes und nichts Ganzes, zumal die Interviews, da sie sprachlich nicht geglättet oder mit Erläuterungen versehen wurden, oft schwammig bleiben, was Abläufe, Orte, Zeiten etc. betrifft. In einem Punkt muss das, was da geschrieben steht, auf alle Fälle falsch sein. So heißt es ganz am Anfang (die Namen sind in dem Buch verfremdet): "Derzeit sitzt ein Mann im Gefängnis, den sie kürzlich verhaftet haben. Das ist Melanies Exfreund gewesen. Mit dem war sie viereinhalb Jahre zusammen. Sie hat ihn Anfang 1994 kennengelernt, als wir umgezogen sind." Hä? Heike starb im August 1995. War sie nun mit dem Knaben eineinhalb Jahre zusammen, oder seit Anfang 1991?
Außerdem wird in den Interviews gar nicht deutlich, dass die Familie erst kürzlich in den Ort gezogen war. So liest sich folgende Passage so, als hätte die Familie dort schon ewig gewohnt und das Haus sei vielen jungen Leuten bekannt gewesen. "Von den Jugendlichen wussten etliche von diesem Raum, weil unser Sohn immer relativ kontaktfreudig war. Also bei uns liefen grundsätzlich nicht nur unsere drei Kinder, sondern oft sieben oder acht herum..." Nur, dass sich letzteres in einem anderen Ort in einem anderen Haus ereignet hat, wird nirgends erwähnt. An einer anderen Stelle heißt es: "Nachdem die Vernehmungen anfingen, war einer unserer Söhne fast jeden Tag da. Er war also von Anfang an informiert. Später kam er jede Woche und dann so alle zwei, drei Wochen mal, so nach dem Motto, Was gibt's Neues?" Mit "er" ist aber nicht der im ersten Satz bezeichnete Sohn gemeint, sondern Heikes Ex. Das muss man aber raten.
Um es kurz zu machen: Mit Heikes Eltern sprechen und einfach das abdrucken, was sie sagen, hätte jeder von uns auch gekonnt. Dazu braucht es keinen Mark Benecke. Auch nicht für die glorreiche Erkenntnis, dass es anhand der menschlichen Entwicklungsgeschichte nachvollziehbar ist, warum Tötungen aus verschmähter Liebe meist von Männern an Frauen begangen werden. Das mag ja alles richtig sein, aber was hat der "bekannteste Kriminalbiologe der Welt" damit zu schaffen? Dieses Kapitel und das, was es berichtet, ist reine Seitenschinderei. Was es in mir bestärkt hat, ist lediglich die Einsicht, dass viele Morde ungeklärt bleiben, weil viele Spuren nicht oder nicht richtig gesichert werden, weil Spurenträger und Beweise verschlampt werden und weil oft das Geld für eine detaillierte Analyse fehlt. Andererseits: Wenn die Spurensicherung ein Schamhaar von ihrem Bruder in Heikes Bett findet (darum die Einlassung mit dem Fernsehen und dem Übernachten mit der Freundin in Heikes Bett), dann hat sie sich doch bemüht, ihren Job richtig zu machen.