Nepper, Schlepper, Bauernfänger

Raspelbeere schrieb:Natürlich wirken sie nicht (über den Placeboeffekt hinaus) und sind kein anerkanntes Medizinprodukt. Genauso wie vieles anderes das bei solche Veranstaltungen angeboten wird. Das Anbieten fand aber "im Stil" eines Medizinprodukts statt. Bei anderen Produkten gibt es eine gewisse Wirkung, die aber übertrieben wird und die auf einen ganz anderen Effekt (der nicht evidenzbasiert ist) geschoben wird (Schuheinlagen mit Magnet etwa, Hautcremes - klar fühlt sich eine Haut erstmal besser an wenn sie eingecremt wird, und die ausgelatschten Schuhe laufen sich mit einer Einlage oft besser, nur...).

Aus dem Link geht aber nicht hervor, dass das Anbieten im Stile eines Medizinproduktes ausreicht, sondern dass (nur) echte Medizinprodukte nicht mehr verkauft werden dürfen. So steht es zumindest im BGBl zum neuen Gesetz (im Artikel verlinkt):

Medizinprodukte im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1; L 117 vom 3.5.2019, S. 9; L 334 vom 27.12.2019, S. 165), die durch die Verordnung (EU) 2020/561 (ABl. L 130 vom 24.4.2020, S. 18) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung

Solche Decken würden aber, wenn den konkrete gesundheitsfördernde Effekte versprochen werden, wohl hierunter fallen:

17. unwahre Angaben über die Heilung von Krankheiten
die unwahre Angabe, eine Ware oder Dienstleistung könne Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen

Am Ende wird aber aber sowieso darauf ankommen, ob sich Abgezockte wehren und/oder ob Ordnungsämter einschreiten und solche Verkaufsveranstaltungen auflösen. Rechtliche Hindernisse gibt es für solche Kaffeefahrtenbetreiber vermutlich schon länger, aber bislang hat genug Kreativität von Seiten der Betrüger oftmals noch gereicht, um auf Kaffeefahrten abzuzocken. Ich gehe davon aus, die Betreiber nehmen das Risiko weiterhin in Kauf, so wie andere Kriminelle auch.

Balumpa schrieb:Ich gehe davon aus, die Betreiber nehmen das Risiko weiterhin in Kauf, so wie andere Kriminelle auch.

Nun sind aber Veranstalter per Gesetz sehr umfangreich angehalten, Angaben über Veranstalter, Rechtsform, angebotene Produkte, Orte, Zeiten usw. bereits Wochen vorab den Behörden kundzutun.

Nachdem sich jahrelang trotz schreiender Missstände wenig getan hatte, scheint man zuletzt schon auch verbraucherfreundliche Regelungen in Gesetzesform gebracht zu haben, die auch die Möglichkeit von Kontrollen prinzipiell verbessern.

Wir wissen natürlich alle, dass die Kontrolldichte bei unerwünschtem Verhalten fast aller Art inzwischen gering ist, wie man etwa mit Blick auf die Verkehrsmoral (Rotlichtverstöße!) täglich beobachten kann.

Immerhin, das Gesetz finde ich gut gemacht, und mindert den Anreiz, unseriöse Kaffeefahrten zu veranstalten, in meinen Augen schon.

sallomaeander schrieb:Immerhin, das Gesetz finde ich gut gemacht, und mindert den Anreiz, unseriöse Kaffeefahrten zu veranstalten, in meinen Augen schon.

Da kann ich natürlich zustimmen, auf dem Papier sieht das gut aus. Vermutlich wird man erst in wenigen Jahren sehen, ob und wie Kaffeefahrten dadurch verhindert wurden. Durch Corona hatten die Betrüger in den letzten 3 Jahren ohnehin wenige Gelegenheiten.

Tritonus schrieb:Also...ich mache mich jetzt sicher unbeliebt, aber wer aus dem Hut mal eben für irgendeinen Quatsch und nur um jemandem einen Gefallen zu tun so viel Geld ausgibt, der scheint auch zu viel von demselben zu haben. Das entschuldigt die Betrüger natürlich in keiner Weise. Aber andererseits funktioniert so ein Betrug auch nur da, wo viel Wohlstand ist. Sorry. Aber eine merkwürdige Gesellschaft ist das schon. Mehr will ich damit nicht sagen.

nö, unterschreibe ich zu 100%. Auch diese ganzen dämlichen sms von wegen handy verloren etc, also wer auf abruf vierst. beträge überweist, ohne mal 3 sec darüber nachzudenken.. ja dann zahlt leute

Und zum thema nett und gehorsam... vlt ot, aber ganz viel liegt hier auch ua in der erziehung begraben, und nein das war nicht nur früher so.
Wer seine kinder zu kleinen braven gehorsamen ja-sagern und nicht-aufmuckern erzieht, der hat dann später solche erwachsene... Und ja, mir ist bewusst dass alter/gesundheit etc später noch eine rolle spielt, aber diese elende "brave kinder" erziehung tut ihr übriges dazu

Tritonus schrieb:Das entschuldigt die Betrüger natürlich in keiner Weise. Aber andererseits funktioniert so ein Betrug auch nur da, wo viel Wohlstand ist.

Es gab zum Thema Kaffeefahrten mal eine sehr gute Doku vom NDR, glaube ich, einen Link findet man im Wikipedia -Artikel zum Thema.

Leider scheint es oft auch so gewesen zu sein, dass sich alte Menschen mit sehr geringer Rente vom sozialen Druck in den Veranstaltungen und den unhaltbaren Versprechungen zu manchen Produkten dazu hinreißen ließen, sich finanziell zu ruinieren.

Gewissenlose Betrüger, die es von den Armen nehmen.

sallomaeander schrieb:Leider scheint es oft auch so gewesen zu sein, dass sich alte Menschen mit sehr geringer Rente vom sozialen Druck in den Veranstaltungen und den unhaltbaren Versprechungen zu manchen Produkten dazu hinreißen ließen, sich finanziell zu ruinieren.

Ich denke auch, dass gerade Kaffeefahrten doch auch stark auf Leute mit eher wenig Geld in der Tasche ausgerichtet sind: "Reiche Rentner" machen doch eher teure Schiffkreuzfahrten und so etwas. ;)

Während dagegen solche Billigangebote eher für Leute interessant sind, die sich sonst nicht viel leisten können: "Ach, für 20 Euro einen ganzen Tag in die Lüneburger Heide, da wollte ich schon lange mal wieder hin, aber das ist so teuer mit der Bahn...."

Wahrscheinlich hat es aber auch etwas damit zu tun, dass gerade solche Leute von dem ungewohnten Betrieb und der Abwechslung von ihrem meist recht eintönigen Alltag dann so überfordert sind, dass sie auf Sachen hereinfallen, wo sie sonst gesagt hätten "Nee, das kann ich mir nicht leisten!" zumal wenn dann ein "günstiger Ratenkauf" angeboten oder der wirkliche Preis irgendwie verschleiert wird. Da denkt man dann vielleicht: "Hm, XY-Euro Rate im Monat, das ist ja nicht viel, das kann ich mir leisten...." ohne zu bedenken, was am Ende dann unterm Strich und insgesamt gezahlt werden muss.

Und, was man auch nicht vergessen darf: Solche Leute wissen dann oft nicht, dass sie von so einem Vertrag auch zurücktreten können und wie man das anstellt....

Im übrigen sollten wir uns davor hüten, eine Unterscheidung zwischen Arm und Reich in dem Sinne vorzunehmen, dass die einen Opfer ohnehin genug haben, und die anderen halt arm sind.

Hier sind keine Robin Hoods unterwegs, sondern abgebrühte Kriminelle, die es von jedem gleichermaßen nehmen, und denen auch die menschlichen und psychischen Folgen dessen, was sie anrichten, oft völlig schnurz sind. Letztere sind nicht zu vernachlässigen, und wiegen oft sogar noch schwerer als der materielle Schaden.

Niemand, um es ganz klar zu sagen, verdient es, Opfer von Kriminellen zu werden.

sallomaeander schrieb:Niemand, um es ganz klar zu sagen, verdient es, Opfer von Kriminellen zu werden.

Es ist auch keineswegs so, dass jemand, der ein paar Tausend Euro zugunsten des vermeintlichen Sohnes überweist, dies leichtfertig tun kann, weil er ohnehin viel Geld auf der hohen Kante hat. Viele machen das eben zähneknirschend, um auszuhelfen, zumal die Betrüger ja häufig behaupten, das Geld in Kürze zurückzahlen zu wollen ("Morgen hast Du dein Geld wieder. Versprochen!").

sallomaeander schrieb:Niemand, um es ganz klar zu sagen, verdient es, Opfer von Kriminellen zu werden.

Das ist selbstverständlich. Dieser Meinung sind hier, denke ich, auch alle.

sallomaeander schrieb:und denen auch die menschlichen und psychischen Folgen dessen, was sie anrichten, oft völlig schnurz sind. Letztere sind nicht zu vernachlässigen, und wiegen oft sogar noch schwerer als der materielle Schaden.

Ich kann mir vorstellen, dass sich viele im Nachhinein aus Scham niemandem anvertrauen sondern alles mit sich selbst ausmachen, aus Angst vor Sprüchen: "wie kann man auch nur so blöd sein" usw. Ich gebe zu, ich habe das auch schon manches Mal gedacht, aber das hilft den Opfern halt nicht, wenn man ihnen das sagt.

ich bin ja auch gespannt, wie das ist wenn erst mal die millenial-generation in rente geht und die alten leutchen justin, leonie und nick heißen :D wie dann die senioren rausgefiltert werden, aber vermutlich lassen sie sich dann was anderes einfallen

TimScott schrieb:die alten leutchen justin, leonie und nick heißen

Oder Enes, Gül und Bogdan, denn der Anteil mit Migrationshintergrund liegt in dieser Altersgruppe bereits nahe der Hälfte. Man wird allerdings abwarten müssen, ob ihre Erwerbsbiografien sie im Alter für Betrüger attraktiv machen werden.

Denn bei manchen Betrugsmaschen in heutiger Zeit schöpfen die Betrüger das Vermögen der sparsamen und fleißigen Kriegs- und Nachkriegsgeneration ab. Es steht zu bezweifeln, dass ein größerer Teil der heute jungen Menschen im Alter überhaupt über Vermögen verfügen wird.

Dazu starten viele zu spät ins Erwerbsleben und verdienen auch teils zu wenig (Praktikanten usw.).

sallomaeander schrieb:Denn bei manchen Betrugsmaschen in heutiger Zeit schöpfen die Betrüger das Vermögen der sparsamen und fleißigen Kriegs- und Nachkriegsgeneration ab. Es steht zu bezweifeln, dass ein größerer Teil der heute jungen Menschen im Alter überhaupt über Vermögen verfügen wird.

Das ist gut möglich, aber dafür ist diese Generation auch deutlich kosumfreudiger als die Leute, die eher bewusst noch insgesamt schlechte Zeiten mitgemacht und deswegen lieber gespart haben. Und die jungen Leute merken recht gut, dass sich Sparen in weiten Teilen nicht mehr lohn, weil bestimmte Dinge (z. B. Immobilien) vielfach so teuer geworden sind, dass man sie sich auch mit Sparen nicht mehr leisten kann. Wenn man genau weiß, dass das Geld fürs Häuschen im Grünen nie reichen wird, kann ich dafür auch verreisen oder mir das neueste I-Dinngsbums kaufen. Also wird diese Generation vielleicht auch im Alter eher dazu tendieren, sich bestimmte Dinge zu gönnen.

Und andererseits darf man aber auch nicht vergessen, dass es zumindest teilweise auch die Generation der Erben ist. Und da es von Generation zu Generation weniger Kinder gibt, erben da nicht mehr vier Geschwister zusammen das Vermögen der Eltern, sondern einer alleine und dazu dann auch noch das von kinderlosen Tanten und Onkels.

Ein Artikel mit den 10 am meisten für Spamanrufe benutzten Telefonnummern:
https://www.merkur.de/verbraucher/kostenfalle-abos-betrug-telefon-festnetz-handynummern-nicht-drangehen-abzocke-92561092.html
Da wird auch auf "Clever Dialer" verwiesen, kennt jemand das Programm/die App?

TimScott schrieb:wie dann die senioren rausgefiltert werden, aber vermutlich lassen sie sich dann was anderes einfallen

Naja, bis dahin sind dann eben solche Vornamen ein typisches Merkmal alter Leute. Da sich Modetrends bei Namen auch weiter verändern werden, wird man in einigen Jahrzehnten junge und ältere Leute wahrscheinlich immer noch an unterschiedlichen Vornamen erkennen können, nur dass es dann nicht mehr Doris und Heinz sind, die man für alt und tattrig hält, sondern Leonie und Finn.

@martenot

Genau davon gehe ich auch aus. Menschen altern, und "altmodische" Namen werden wieder modern. Für z.B. meine Mutter waren Namen wie Anna, Maria, Florian, Alois Namen alter Menschen (die ihrer Großelterngeneration ca. 1880er) - meine Schulzeit (in den 1980ern geborene Menschen) wimmelte davon.

ihr habt natürlich recht, trotzdem glaube ich, dass das in zukunft nicht mehr so einfach wird anhand von namen. Zb der name leon ist schon seit bald mind. 25 j total en vogue, oder sophie/a etc. Ich denke diese namen werden auch in zukunft in den top listen enden. Dann bekommen kinder auch gerne alte namen, wie aus der (ur)großvater-generation oder bibel, kenne ich etliche. Es vermischt sich alles ziemlich, aber ist auch egal... die kriminellen werden schon einen weg finden

TimScott schrieb:Es vermischt sich alles ziemlich, aber ist auch egal... die kriminellen werden schon einen weg finden

Richtig. Wir müssen uns ja auch hier nicht den Kopf der Kriminellen zerbrechen.

Traurig genug, dass in der Führungsebene des organisierten Betruges durchaus Leute sitzen, die mit ihrem Intellekt anderes im Leben hätten erreichen können, als die Ältesten und Schwächsten auszunehmen.

sallomaeander schrieb:Richtig. Wir müssen uns ja auch hier nicht den Kopf der Kriminellen zerbrechen.

Und das sollten wir an dieser Stelle auch tunlichst unterlassen, Danke.

Andere Frage: Hat kürzlich jemand Post von euch bekommen, zwecks einer Umfrage
zur Mobilität in Städten? Ich schon. Und finde diese erstmal merkwürdig.

Angeblich wurde meine Anschrift aus dem Melderegister (Einwohneramt) entnommen.
Das kann ich schon mal nicht glauben, denn die darf ja wohl hoffentlich nicht an
irgendwelche Institutionen weiter gegeben werden, oder etwa doch?

Dann ist es zunächst auch keine Umfrage, die soll erst an einem "Stichtag" stattfinden,
der mir noch mitgeteilt würde.
Vorab wollen sie aber schon mal allerhand Daten von mir.
Der Brief sieht offiziell und seriös aus. Mit Rückumschlag!

Hab den dennoch geschreddert und will an der Befragung nicht teilnehmen.

newbee schrieb:Das kann ich schon mal nicht glauben, denn die darf ja wohl hoffentlich nicht an
irgendwelche Institutionen weiter gegeben werden, oder etwa doch?

Normalerweise kann jeder, der dafür bezahlt, Namen und Adresse einer Person vom Einwohnermeldeamt bekommen (ich musste selbst mal jemanden auf diese Weise suchen). Ob das auch "massenweise" geht, also "alle Leute im Stadtviertel XY" weiß ich nicht.

Aber möglicherweise geht das, wenn ein öffentlicher Auftraggeber dahinter steckt, also wenn z. B. eine Stadtverwaltung so eine Studie in Auftrag gibt um ihre Verkehrsplanung zu überarbeiten.

brigittsche schrieb:Normalerweise kann jeder, der dafür bezahlt, Namen und Adresse einer Person vom Einwohnermeldeamt bekommen (ich musste selbst mal jemanden auf diese Weise suchen).

Das sotwas geht, weiß ich auch. Man muss es aber begründen können.
Ist aber easy. Und es kostete mal 10€ (pro Anfrage).
Was das heute kostet: ka.
Was es für massenhafte Anfragen auch teuer macht.
Was mich an dieser Stelle interessiert:
Dürfen etwa FORSA o.ä. auf meine Daten zugreifen, einfach so?
Oder zahlen die dann entsprechend hohe Summen?