Hansachim schrieb:Die mündliche Begründung des Urteils, dass nahezu alle Zeugen wertlos waren, weil sie medial beeinflusst wurden, finde ich als Ansatz schwierig. Das muss schon sehr gut unterfüttert werden, damit der BGH sich daran nicht stößt. Zudem wurden ja auch diverse Beweisanträge der StA abgelehnt sowie 2 Befangenheitsanträge. Auch sowas ist fehleranfällig. Bin gespannt.
Ich kann die Besorgnis von
@Hansachim nachvollziehen.
Vor diesem Hintergrund würde ich mich gerne an die juristisch Bewanderten hier in diesem Thread wenden und um ihre Einschätzung bitten, wir bestimmte Äußerungen des Gerichts bei der Urteilsverkündung zu bewerten sind.
Wenn ein Gericht beklagt, man habe es in dem Prozess mit „unzuverlässigen, zum Teil das Gericht bewusst anlügenden Zeugen zu tun“, ist das dann eine sachliche und zumutbare Kritik oder eher eine undifferenzierte und unangemessene Verunglimpfung dieser Zeugen?
Und wenn das Gericht davon spricht, die Zeugen seien beeinflusst worden durch eine Berichterstattung, mit der Medien den Angeklagten „als Sexmonster und Kindermörder stilisiert“ hätten, ist das dann noch eine objektive Wiedergabe des Geschehens oder eine unangebrachte und pauschale Schelte von Journalisten?
Ich frage mich, ob und in welcher Form solche Aussagen Bedeutung in einer Revision erlangen könnten. Wäre es denkbar, dass eine derart undifferenzierte Herabwürdigung von Zeugen als „unzuverlässig“ Zweifel an einer korrekten und unvoreingenommenen Beurteilung durch die Kammer erlaubt?
Immerhin wären in diesem Fall von einer pauschalen Verurteilung als unzuverlässig auch Zeugen erfasst, die wie Hazel B. als Betroffene eines schweren Sexualdelikts mit Aussagen zur Klärung von Anklagepunkten beitragen wollten. Als unzuverlässig abqualifiziert zu werden, dürften gerade sie als schmerzhaft empfinden.
Journalisten haben das Recht und die Pflicht, als vierte Gewalt auch Strafprozesse und deren Protagonisten kritisch zu begleiten. Wenn ein Gericht diesen Medien dann unisono Zeugenbeeinflussung vorwirft, indem sie den Angeklagten zu einem Sexmonster und Kindermörder stilisiert hätten, dann könnte man dies auch als übergriffiges Verhalten einer Kammer werten, die es an der gebotenen Souveränität und Neutralität mangeln lässt.
Es mag ja sein, dass uns wegen der allgemein intransparenten Berichterstattung Einiges in dem Prozess entgangen ist. Auf jeden Fall habe ich bis jetzt keinen Fall erlebt, wo ein Medium Brückner wörtlich als „Sexmonster“ oder gar als „Kindermörder“ gebrandmarkt hätte.
Ich bin gespannt, wie das Gericht nun in der schriftlichen Urteilsbegründung die aufgeworfenen Fragen beantwortet.
Waren als Zeugen unzuverlässig - und wenn ja, warum?
Welchen Zeugen haben das Gericht bewusst angelogen - also vorsätzlich?
Welche Medien konkret haben den Angeklagten als Sexmonster und Kindermörder bezeichnet - und wie hat dies welche Zeugen beeinflusst?