schustermaedel schrieb:Bei diesem Fall finde ich es noch weit unwahrscheinlicher das er wirklich dement war.
In einem Wald herumfahren ist das eine...aber ins Theater gehen und durch "halb Hamburg" zu radeln ist mit einem dementen wirklich nicht machbar
Ich denke, das beruht auf deinen Erfahrungen mit an Demenz Erkrankten. Wir hatten ja schon das Vergnügen und meine Erfahrungen heben sich von Deinen erheblich ab.
Im Altenheim auf der beschützenden Station und später im Krankenhaus auf einer geriatrischen Reha (größtenteils Lagerstätte für die hochdementen Patienten der anderen Stationen, die sie nicht mochten) habe ich vieles ganz anders erlebt. Von körperlicher Fitness bis hin zu bemerkenswert ausgeprägten übrig gebliebenen "Inselbegabungen".
Gerade wenn die Demenz noch nicht weit fortgeschritten ist, ist sehr vieles noch möglich und dement heißt ja nicht gleichzeitig desorientiert oder körperlich nicht mehr in der Lage.
Natürlich kann hier bei Herrn Schulz die Demenz vorgegeben sein, um eben Ermittlungen schnell und intensiv auf den Weg zu bringen. Aber das kategorisch auszuschließen...das wirkt für mich nicht richtig.
Wie viele Demente gibt es, die nicht mehr wissen, wie man eine Gabel verwendet, aber komplizierte Rechnungen lösen können (muss nur Mathelehrer gewesen sein - selbst erlebt), die nicht mehr wissen, wie man eine Jacke richtig herum anzieht, aber "Der ewige Brunnen" runterbeten können...an einen erinnere ich mich sehr gut: Theologieprofessor, 92, hochdement, aggressiv gegen andere Bewohner, wusste nicht mal mehr, wie man einen Löffel benutzt oder auf Toilette geht; aber egal, ob man ihn auf Deutsch, Englisch, Französisch, Latein oder Italienisch angesprochen hat, hat er sinnvoll in dieser Sprache geantwortet - Langzeitgedächtnis eben.
Man sollte es nicht so beschränkt sehen. Und das sind auch keine Einzelfälle, die sich bei mir in den Jahren der Pflege "angesammelt" haben, teilweise sehr erstaunlich, zu was sie noch in der Lage waren/sind.
Sollte sich Herr Schulz in Hamburg extrem gut ausgekannt haben in Hamburg oder diesen Vierteln, und über körperliche Fitness verfügte er anschenend, warum sollte es nicht möglich sein? Immerhin war auch eine Bezusgsperson dabei. Und selbst wenn er etwas desorientiert war, er hat sich ja vermutlich erstmal an seine (ebenso vermutlich) vorausfahrende Frau gehalten und ist dieser nachgefahren.
Wir können hier alle nur von unseren Erfahrungen reden, die wir, als Pflegekräfte (?) mit an Demenz Erkrankten haben. Aber etwas auszuschließen, weil man diese Erfahrung nie gemacht hat oder weil irgendwelche tollen Dozenten solche Dinge als Tatsachen darstellen (man erinnere sich an den Podcast zu Marianne Schmid), das ist meiner Meinung nach etwas zu beschränkt gedacht. Demenz ist so vielfältig ausgeprägt, bei jeder Person anders.
Und daher ist es für mich persönlich, ob meiner Erfahrungen, leicht möglich, dass ein Herr Schulz mit dem Fahrrad von Theater nach Hause mit seiner Frau unterwegs war.
Was für ihn der Impuls war, wegzufahren, das wissen wir nicht...Es kann von "Ich hab' keinen Bock heimzufahren", über eine mögliche Meinungsverschiedenheit mit der Frau (wie bei Herrn Walther), über "Ne, da müssen wir nicht lang, sondern dort!" bis zu Erschrecken über ein einfahrendes Auto und so weiter und so fort alles gewesen sein, was ihn dazu bewegt hat, eben in die Pedale zu treten und zu verschwinden.
Und gerade Marianne Schmid sollte uns doch zu denken geben, was alles möglich ist. Frau Schmid wurde als körperlich träge beschrieben "Sie bleibt sitzen, wo man sie hinsetzt" und trotzdem ist es gerade diese Frau Schmid gewesen, die plötzlich aufstand und fußläufig verschwand, bis heute nicht zu finden ist.
Welche Chancen haben dann körperlich fitte Demente?