Drei Tote in Pension in Passau aufgefunden
16.05.2019 um 22:51
Ich bin durch Zufall auf dieses Forum gestoßen. Da ich noch nie in einem Forum geschrieben habe, ist das für mich eine Premiere und wird mein einziger Beitrag hier bleiben.
Ich will euch hier das Gymnasium Marienstatt etwas entmystifizieren. Das kann ich, weil ich dort Schüler war, wenn auch nur in der Oberstufe, die ich mit einem mittelmäßigen Abitur abschloss.
1. Es handelt sich um eine kirchliche (katholische) Privatschule. Als solche unterliegt sie dem Privatschulgesetz RLP, ist also staatlich reglementiert und wird auch staatlich beaufsichtigt. Sie wird von einer GmbH des Klosters Marienstatt betrieben. Die Schule erhält staatliche Unterstützung in Form von Personal- und Sachkostenerstattungen. Es ist ausdrücklich keine dieser Privatschulen, bei denen die vermögenden Eltern horrende Summen auf den Tisch legen müssen, damit Ihre Sprösslinge etwas lernen oder, wenn nicht, trotzdem irgendwie zu einem Abschluss kommen. Es gibt ganz normale Schulbücher, die gleichen, wie an „weltlichen“ Schulen auch (Schulbuchlisten online abrufbar). Das Abiturzeugnis unterscheidet sich von dem in RLP gängigen dadurch, dass statt des Landeswappens das Wappen des Klosters auf der ersten Umschlagseite ist. Sonst nichts.
2. Wer Schüler dieser Schule sein will (bzw. wessen Eltern ihr Kind an diese Schule anmelden), unterschreibt (zumindest zu meiner Zeit) einen Schulvertrag. Darin ist geregelt, dass die Teilnahme am Religionsunterricht (ev. oder kath.) verpflichtend ist. Außerdem der Besuch von einigen Gottesdiensten im Schuljahr (meist zu Schuljahresbeginn und –ende). Das war es auch schon. In der Oberstufe ist die Teilnahme an einem zweiwöchigen Sozialpraktikum „Compassion“ verpflichtend. Das ist in der heutigen Zeit auch nicht das verkehrteste. Zugang zu der Schule haben Menschen aller Religionen wie auch konfessionslose. Das gilt übrigens auch für das Lehrerkollegium.
3. Der aktuelle Schulleiter ist der erste „weltliche“. Davor waren es regelmäßig Mönche, die aber selbstverständlich auch die Lehrbefähigung haben mussten. Der vorherige Schulleiter war ein Pater, fand dann die große Liebe, was sich mit seinem Gelübde natürlich nicht mehr vereinbaren ließ und schied aus dem Konvent und als Schulleiteraus.
4. Zur Bildung: Es wird neben dem Unterrichtsstoff höchster Wert auf die Vermittlung humanistischer Werte gelegt. Das ist im weitesten Sinne der religiöse Bezug, da unser westliches Wertegefüge sich nun einmal im Christentum widerspiegelt bzw. das Christentum Teil dessen Grundlage ist. Vor allem wird hier eines immer wieder nicht gepredigt, sondern vorgelebt: Den anderen zu achten und zwar ganz unabhängig von Religion oder Herkunft oder Beeinträchtigung oder was auch immer. Wer die Schule ab Klasse 5 besucht, muss Latein und Altgriechisch lernen. Wenn man in der Oberstufe dazu kommt und schon eine zweite Fremdsprache gelernt hat, kommt man um diese Sprachen herum. Es wird sehr gerne gesehen, wenn man trotzdem diese Altsprachen belegt und ggfs. noch durch Kunst, Musik und Philosophie ergänzt. Das ist aber kein MUSS.
5. Zur „dem Kloster angemessener Kleidung“ – schaut euch auf der Website einfach die Klassenfotos an. Ganz normale Klamotten, würde ich sagen. Die Mädels tragen sogar zerissene Jeans und kurze Röcke, man mag es kaum glauben (Ironie off). Zu meiner Zeit lief mal jemand ständig gothicartig umher. Diese Person wurde auch regelmäßig angesprochen, sich doch bitte anders zu kleiden, was aber nicht passierte. Negative Folgen hatte das für diese Person nicht, auch diese Person hat das Abitur abgeschlossen und hat meines Wissens nach mit der aktuellen Thematik nichts zu tun.
6. Zu den Studienfahrten – ich war mit in Griechenland, das wird jährlich angeboten. Ein kunst- und kulturlastiger und damit lehrreicher Urlaub tagsüber, abends feiern - hat ausnahmslos allen richtig Spaß gemacht. Retsina schmeckt übrigens sehr gut zu frisch gefangener und gegrillter Dorade Royal, die man an Kap Sunion bei bestem Wetter im Sonnenuntergang genießen kann. Da war übrigens nicht ein einziges religiöses Thema dabei. Die meisten Sehenswürdigkeiten kann man als Marienstatter dank eines kirchlichen Schreibens (ich meine sogar, dass das aus dem Vatikan kam) ohne die Entrichtung von Eintritt bzw. stark ermäßigt besichtigen.
7. Die Schule hat ein sehr hohes Niveau und genießt überregional ein sehr hohes Ansehen und das nicht zu Unrecht. Man lernt dort wirklich etwas, wird gefordert und es wird definitiv nicht jeder durch das Abitur gewunken, wie es mein Eindruck an vielen anderen Schulen ist. Fachlich und auch menschlich vorbildlich. Ein schlechtes Abitur dieser Schule öffnete und öffnet Türen, die ggfs. bei einem sehr guten Abitur anderer Schulen immer noch verschlossen bleiben. Viele ehemalige Absolventen der Schule haben herausragende und / oder einflussreiche und hochdotierte Positionen inne. Beispielhaft sei hier als einer von vielen der rheinland-pfälzische Landtagspräsident genannt, der übrigens aus Hachenburg stammt.
8. Zu den „vielen toten Lehrern in kurzer Zeit“ – ich finde es sehr befremdlich, wie hier zum Teil darüber spekuliert wird. Am Ende steckt noch Opus dei dahinter… sorry Leute, aber wie es mancheandere hier vermutet haben, sind die tatsächlich einfach nur zufällig gestorben. Da war sogar ein Kettenraucher dabei. Das gibt es leider. Dazu kam dann der Suizid des anderen Lehrers auf der Autobahn. Zu ihm und zu seiner jetzt toten Schülerin kann ich nichts sagen, ich kannte beide nicht. Nur die Gerüchte, von denen ich auch nicht genau weiß, was stimmt und was nicht.
9. Die Schule fand ich zur damaligen Zeit schon als sehr modern. Es wird einem definitiv nicht im Ansatz ständig katholische Lehre gepredigt. Es gibt also keinen Anlass aus irgendetwas auszubrechen.
Wenn ich Kritik zu üben habe, dann lediglich an folgenden Tatsachen, die dann doch nicht ganz zum Selbstverständnis der Schule passen. Zu meiner Zeit sind vermehrt Aussagen wie „das ist keine Schule für Arbeiterkinder“ (ich bin eines) oder „ihr seid die Elite vom Westerwald“ gefallen. Ob das heute noch so ist, weiß ich nicht. Ich habe allerdings nicht zu spüren bekommen, dass ich als Arbeiterkind dadurch einen Nachteil erfahren hätte. Wenn man das ab der 5. Klasse indoktriniert bekommt, glaubt man aber vielleicht irgendwann daran. Das zweite ist, dass die Schule die gleichen Probleme wie andere Schulen auch hat – es gibt Drogenkonsumenten oder auch mal jemanden mit mehr oder weniger (Rest-)alkohol im Unterricht. Das wollte man zu meiner Zeit nicht wahrhaben oder erkennen. Die versteckte Lage der Schule in diesem malerischen Tal trägt m.E. sehr dazu bei, dass solche Tatsachen nicht so sehr ins öffentliche Bewusstsein kommen.
Ich sehe ein möglicher Weise grundsätzliches Problem woanders: Aufgrund des hohen Ansehens der Schule schicken viele Eltern ihre Kinder mit Übereifer dort hin, um dann prahlen zu können „mein Kind geht nach Marienstatt“. Dieser heutige Förderwahnsinn. Da sehen die Eltern den künftigen Professor, auch wenn das Kind gar nicht das Zeug dazu hat und wollen mit dem Kopf durch die Wand… das Kind kommt dann recht schnell in einen ungeheuren Leistungsdruck. Vor Jahren gab es angeblich aus diesem Grund sogar einen Suizid eines Schülers.
Was ich alles in allem sagen will, ist, dass es sich um eine ganz normale Schule mit ganz normalen Herausforderungen und Problemen handelt, die ein vielleicht etwas außergewöhnliches Erscheinungsbild hat und eben tatsächlich noch Wissen und Werte vermittelt. Wir leben hier übrigens auch nicht hinter dem Mond, wie man aus der Berichterstattung einiger Medien vermuten könnte. Kommt gerne in den Westerwald und überzeugt euch selbst davon, was unsere Region zu bieten hat. Bekloppte und Verstörte gibt es jedoch überall und diesmal hat es eben leider uns Westerwälder getroffen.