parabol schrieb:Wie sieht das eigentlich aus juristischer Sicht aus?
Jemand versucht eine Leiche zu beseitigen, Teile der Leiche fehlen - muss dann die Staatsanwaltschaft oder der Beschuldigte nachweisen, dass der Tod kein Unfall war?
So ist es.
Nehmen wir mal folgendes Beispiel an: Der zwielichtige Meuchel M. wird eines abends von der Hafenpolizei erwischt, wie er einen Torso aus seinem Ruderboot in das Hafenbecken werfen will. Er wird festgenommen.
Die Staatsanwältin E. M. Pört muss nun überlegen, weswegen sie M. anklagen kann. Dabei ist inzwischen erwiesen, dass der Torso der eines ehemals lebenden Menschen ist.
Das Ganze spielt in Deutschland, könnte aber ähnlich auch in Dänemark sein.
1. Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) Hier müsste sie eine unberechtigte Wegnahme der Leiche von einem Berechtigten nachweisen, oder "beschimpfenden Unfug." Das wird gar nicht so einfach.
2. Unerlaubte Bestattung als Verstoss gegen ein Landesbestattungsgesetzes, z.B. §§ 25, 38 BrbBstG: hier muss sie eine Bestattung ausserhalb eines Friedhofs nachweisen. Das ist aber nur eine Ordnungswidrigkeit, keine Straftat.
Interessanter ist freilich die Frage, ob Meuchel nun auch für den Tod des Menschen verantwortlich ist. Da kämen eine ganze Reihe von Straftaten in Betracht, vom Mord (§ 211) bis zur fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB). Allen Straftaten gegen das Leben ist gemeinsam, dass dem Angeklagten erst einmal nachgewiesen werden muss, dass er mittelbar oder unmittelbar den Tod der Person verursacht hat. Das ist also für unsere gute Frau Pört erst einmal die Ausgangsfrage:
Ist Meuchel M., bzw. sein Verhalten in irgendeiner Form ursächlich für den Tod des Opfers, das wir inzwischen als Ottilie O. identifiziert haben. Wenn das nicht nachgewiesen werden kann, dann braucht der Fall gar nicht weiter durchgeprüft werden.
Wann ist eine Person für den Tod einer anderen verantwortlich? Bei der Suche nach der kausalen Verantwortung hilft die Fragestellung: ohne welches Verhalten des Angeklagten wäre O. noch am Leben? Nur wenn sich eine Antwort auf diese Frage findet, kann man sagen, dass M. kausal für den Tod der O. verantwortlich ist. Zusätzlich zu dieser Frage muss man aber auch noch eine zweite Frage beantworten: ist eine mittelbare kausale Verantwortung auch noch schuldbegründend?
Beispiel: M. schlägt O. einen Hammer auf den Kopf, O. stirbt an dieser Verletzung. Ohne diesen Schlag des M. wäre O. noch heute fröhlich am Leben. M. ist unmittelbar kausal verantwortlich.
Es stellt sich aber heraus, dass der Hammer eigentlich dem U. gehört. Der hatte ihn in der Werkstatt liegen, aber sein Lehrling L. hat den Hammer widerrechtlich aus der Werkstatt entfernt, weil er zu Hause damit ein Bild aufhängen wollte. Auf der Heimfahrt im Bus hat L. den Hammer aber im Bus vergessen, wo M. ihn gefunden hat.
Kann man nun sagen: ohne das widerrechtliche Entwenden des Hammers und das Liegenlassen desselben im Bus wäre O. nicht gestorben? Ist also L. am Tod der O. ebenfalls kausal verantwortlich? Oder gar U., weil der nicht den Hammer so verwahrt hat, dass er nicht aus der Werkstatt entwendet werden konnte?
Das Recht sagt in diesen Fällen: Nein, weder U. noch L. sind verantwortlich, da sich aus ihrem Verhalten nicht vorhersehen liess, dass O. zu Tode kommen würde. In diesem Fall ist M. allein verantwortlich.
So. Wenden wir das nun auf diesen Fall an:
Die Staatsanwaltschaft muss nun beweisen, dass PM kausal den Tod der Journalistin verursacht hat. Oder, anders gefragt, welches Verhalten des PM ist zwingend erforderlich, um den Tod zu verursachen?
Das ist gar nicht so einfach. PM behauptet, es habe sich ein tödlicher Unfall ereignet. Was er damit sagen will ist, dass ohne einen Akt seinerseits, der vorhersehbar zum Tod der jungen Frau führen müsste, diese zu Tode gekommen ist.
Beispiele gibt es genug: Bei einer plötzlichen Wellenbewegung ist das U-Boot so zur Seite gekippt, dass sie mit dem Kopf gegen eine scharfkantige Stelle im Boot geprallt ist und dadurch verstarb... usw.
Um ihn zu verurteilen muss die Staatsanwaltschaft nun ein Szenario aufzeigen, das plausibler ist, als jegliche mögliche Unfallszenarien. Dabei können ihr Ergebnisse der forensischen Untersuchungen an der Leiche, am Boot usw. helfen. Dabei wird ein sehr hoher Anspruch gestellt: das Szenario muss nicht nur plausibler sein, es muss die kausale Verantwortung auch nahezu zweifelsfrei begründen.
Danach müssen noch andere Schuldfaktoren bewiesen werden, auf die ich hier aber nicht eingehen will.
Der Angeklagte dagegen muss gar nichts beweisen. Er muss auch kein "Unfallszenario" beschreiben, darstellen oder gar beweisen. Er darf sich einfach zurücklehnen und nichts tun. Die Beweislast liegt allein bei der Staatsanwaltschaft.
Sein sogenanntes Nachtatverhalten darf aber durchaus vom Gericht betrachtet werden und gegen ihn ausgelegt werden. Es gehört zur gesamten Beweiswürdigung. Allerdings ist es sicherlich nicht allein ausreichend für einen Schuldspruch. Nur weil er anders auf einen möglichen "Unfall" reagiert hat, als das die grosse Mehrheit der Bevölkerung tun würde, ist das noch kein Beweis, dass sich gar kein Unfall ereignet hat sondern hier ein Tötungsdelikt vorliegt.