@AveMaria Es war eindeutig kein Amoklauf.
Er versuchte vorher, sich das Leben zu nehmen und hat dann die Morde begangen, und sich danach gestellt. Er hat nicht so viele Menschen wie möglich getötet, sondern zwei ganz gezielt, und sich dann in aller Ruhe gestellt.
Was die Mutter hier geschildert hat, macht auch Sinn: M. lebte bei der schwer kranken Mutter, die die ebenso schwer kranke Oma pflegt, und zeigte sich hilfsbereit. Er war als letztes von drei Kindern noch zu Hause, fühlte sich verantwortlich und wusste, dass der Umzug aus dem Haus wegen finanziellen Schwierigkeiten ansteht. Und er lag der Mutter auf der Tasche, während die Geschwister sich selbst finanzieren können.
Er war bisher ein Einzelgänger, ob aus eigenem Antrieb oder gegen seinen Willen (dazu später mehr), und suchte eindeutig eine feste Struktur und Anerkennung, indem er sich bei der BW bewarb.
Wurde aber abgelehnt, war zutiefst gekränkt, versuchte sich das Leben zu nehmen und nichtmal das klappte.
Auf der anderen Seite war das Netz, mit seiner eigenen Gruppendynamik: "Ich lege einen um" - "Na los, mach doch!" - "Schick Fotos!"
Das ist für jemanden, der viel Zeit im Netz verbringt, sehr real... realer womöglich als ein Leben, in dem ein Amt erst nach 200 Fehlstunden in der Schule die Eltern aufsucht, in dem gravierende Fehler nur sehr wenig Auswirkung zeigen. Und es ist ein Fluchtort, wo die Realität mit der schwer kranken Mutter und Oma und den finanziellen Problemen nicht existiert.
Dann inszeniert er die Morde.
Das ist für mich das Signal, dass er sich gegen die Ordnung und Gesellschaft stellen wollte, die ihn ablehnte (beim Mobbing möglicherweise in Umkehrung der Tatsachen, jedenfalls aber die Ordnung vertreten durch die BW) und ganz demonstrativ aus allen Verpflichtungen, Beziehungen u.s.w. ausbrechen wollte. Dazu brauchte es aus seiner Sicht das radikalste Mittel, einen grausamen und dokumentierten Mord... für alles andere bekommt man (aus seiner Sicht) einen Therapeut oder Sozialstunden im Tierheim, da wird man als Rebell nicht ernst genommen.
Vielleicht war der Knast schon die angepeilte Lösung: Keine Verantwortung mehr, keine Sorgen um eine Zukunft, keine Ansprüche von außen. Soll der Staat für ihn sorgen und ihn ansonsten in Ruhe lassen.
M. möchte seine Bilder nicht verpixelt haben, weil er Verantwortung für die Morde übernehmen möchte... die Morde hat er ja von Anfang an öffentlich begangen. Das, was er damit bezwecken wollte, bleibt: sich außerhalb von Moral und Gesellschaft zu stellen. Mit seinem Schweigen verweigert er sich weiterhin, das ist auch nur folgerichtig.
Mobbing halte ich als eine Begründung für all das für viel zu schwach. Viele Kinder werden gemobbt, aus den verschiedensten Gründen. Nicht selten kapseln sie sich sich auch aus eigenem Antrieb ab, oder weil die Eltern suggerieren, dass man die Gemeinschaft sowieso nicht brauche.
Die einen wachsen an dem Mobbing und machen sich unabhängig, viele suchen Wege zurück in die Gemeinschaft und andere geben komplett auf. Die einen hassen dadurch sich selbst, viele hassen die Mitschüler und manche die Gesellschaft insgesamt. Andere hassen überhaupt nicht.
Das habe ich selbst erlebt, als selbst gemobbte, in der Verwandschaft und bei einigen Mitschülern.
Die Eltern können unterstützen, aber oft genug versagen auch die Kinder der besten Eltern.
Meistens richtet sich der Hass dann aber gegen sich selbst.
Mobbing kann also nur ein Puzzlestein in der Gesamtsituation sein, den man nicht ohne die dazu gehörigen Hintergründe bewerten kann.