Die Frage, wie eine Leiche mit einem Fahrrad transportiert werden könnte, stellt auch Rudi Cerne in dem xy-Filmbeitrag. Die Antwort von KHK Andreas Seifert lautet: Ist wirklich schwierig, aber nicht unmöglich.
Als Ablageplatz der Leiche wurde die Conventer Niederung gewählt, ein ca.1200 Hektar großes, heute zumeist trocken gelegtes ehemaliges, Moorgebiet, das größtenteils aus landwirtschaftlich genutzten Wiesen besteht oder vom Frühjahr bis zum Herbst als Weidefläche genutzt wird. Teil-weise ist das Areal auch Naturschutzgebiet. Es gibt viele Gräben, kleine Kanäle und verschilfte Wasserstellen. Zugänglich ist das Ganze durch landwirtschaftlich genutzte Wege. Wenn man sich den bei xy gezeigten Leichenfundort auf google maps mal näher anschaut, dann müsste Anja am/im Bach namens Stege gefunden worden sein, der vom/zum Conventer See führt. Es hieß ja, sie wurde in einem Wassergraben entdeckt. Der Fundort ist nicht mehr als ca. 1.300 m vom nächsten Dorf Börgerende / Rethwisch etwa auf Höhe der Straße Wischengrund entfernt, die aus dem Dorf heraus führt. Die Straße Wischengrund endet irgendwann zwischen den Wiesen und danach folgen Fahrrinnen bzw. Feldwege entlang von Gräben bis zu der Fundstelle, die heute durch Sträucher/Bäume verdeckt ist. Das kann 1992 natürlich noch ganz anders ausgesehen haben. Jedenfalls ist die Gegend doch übersichtlicher als ich dachte, wenngleich vermutlich wohl kein Ortsunkundiger diesen Weg in der Nacht noch dazu mit einer Leiche auf dem Fahrrad zurücklegen würde.
Wahrscheinlich waren bzw. sind die durch Landwirtschaftsfahrzeuge entstandenen Fahrrinnen entlang der Gräben nicht wirklich gut mit dem aufgefundenen Rad zu befahren. Auch auf der buckligen Wiesenpiste dürfte man damit nur mühsam vorwärts kommen. Das alte 26er Damenrad wurde ca. 150 Meter vom Fundort entfernt entdeckt. Sehr wahrscheinlich war der Hinweg mit Leiche auf dem Rad schon enorm beschwerlich und kräftezehrend und wird lange gedauert haben. Möglicherweise hat der Täter die lehmigen, feuchten Fahrrinnen auf dem Feld gemieden und das Rad über die ungemähte, holperige Böschung der Gräben geschoben, um Spuren zu vermeiden. Auch rück zu hätte der Täter das Rad durch die dunkle, neblige Landschaft mit feuchtem und unwegsamen Untergrund schieben müssen. Möglicherweise wurde ihm das zu zeitaufwändig und er entschied sich, das Rad zurückzulassen. KHK Andreas Seifert hat ja in dem xy Filmbeitrag darauf hingewiesen, dass jemand gesucht wird, der möglicherweise erst sehr spät in der Nacht oder früh morgens nach Hause gekommen ist. Vielleicht hatte der Täter das Rad aber auch von Vornherein dort entsorgen wollen und an der Fundstelle war es besser zu verstecken als am Ablageplatz der Leiche.
Generell finde ich den Ablageort dort zwischen den landwirtschaftlich genutzten Flächen gar nicht so sehr abgeschieden. Ein super ausgeklügeltes, dauerhaftes Versteck ist das jedenfalls nicht, eher eine mittelfristige Lösung, um sich Zeit zu verschaffen. Der Täter wusste mindestens, dass über den Winter dort kein Betrieb herrschen und sich kaum jemand dorthin verirren würde. Auch die Ablage in einem Wassergraben ist nicht gerade eine brillante Idee. Besser wäre doch eine Stelle im Moor gewesen, wo der Körper verschwunden und vllt nie wieder auftaucht wäre. Das lässt eventuell darauf schließen, dass der Täter sich doch nicht so gut im Gelände zu orientieren wusste, schon gar nicht in stockfinsterer Nacht und bei möglichem Nebel. Es war ja November.
Das man den/die Besitzer/in des 26er Damenrades mit gelbem Inventaraufkleber am hinteren Schutzblech mit Aufdruck Rat der Stadt Rostock, Abteilung Volksbildung nicht ermitteln konnte, ist für meine Begriffe gar nicht so seltsam, wie es scheint. In der Wendezeit wurden viele staatliche Institutionen der ehemaligen DDR umstrukturiert und/oder aufgelöst. Immobiler Besitz wurde dabei vielfach verscherbelt, verschenkt, mitgenommen, auf die Straße gestellt oder anderweitig entsorgt. Viele Menschen wollten sich auch privat neue Dinge anschaffen und trennten sich schnell und achtlos von den alten DDR Produkten. Dabei kann auch das Fahrrad mehrfach den oder die Besitzer/in gewechselt haben. Über die NutzerInnen und die Abwicklung der Fahrradflotte der Abt. Volksbildung Rostock hätte die seinerzeit für die Inventarliste zuständige Mitarbeiter/in oder deren Nachfolger/in Auskunft geben können. Vllt hat die Kripo auch entsprechende Infos erhalten, ohne dass sich daraus ein konkreter Hinweis ergab? Vllt wurden alle MitarbeiterInnen der Abt. Volksbildung, die früher mal ein Dienstfahrrad genutzt hatten, hinsichtlich eines Bezuges zur Ortschaft Börgerende/Rethwisch ohne Ergebnis überprüft? Wirklich singulär an dem Rad ist ohnehin der auf den Kopf des Dynamos aufgeschraubte Kronkorken. Wenn der oder die Besitzer/in von dem Suchaufruf im Rahmen der Mordermittlung Kenntnis hatte, dann werden er oder sie sich wohl aus naheliegenden Gründen nicht gemeldet haben. Vielleicht wurde das Fahrrad aber auch vom Täter gestohlen und der/dem Besitzer/in war es egal? Jemand Fremdes mit touristischem Bezug zur Ortschaft hätte ja kein Fahrrad der Abt. Volksbildung Rostock von zu Hause mitgebracht. Vielleicht gehörte das Fahrrad inzwischen auch einer Pension oder privaten Ferienhausvermietern, die es an ihre Gäste verliehen und denen es abhanden gekommen war?
Auch der zurückgelassene Gürtel scheint mir nicht zu einem ausgeklügelten Entsorgungsplan der Leiche zu passen. Je mehr Gegenstände ein/e Täter/in zurücklässt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass daran Spuren gesichert werden können, mit denen er oder sie überführt wird. Vielmehr deutet der Gürtel für mich auf eine mangelnde Planung im Vorfeld hin. Er wurde gewählt, weil kein anderes Fesselungsmaterial zur Hand war. Es wäre interessant zu erfahren, wie alt der Gürtel gewesen ist und ob es sich um ein Ost oder West Fabrikat gehandelt hat bzw. ob es das West Fabrikat damals in der Region bzw. über den Versandhandel zu kaufen gab?
Weiß man eigentlich, ob an den Gegenständen oder der Leiche fremde DNA gefunden wurde? Das wurde in dem xy Beitrag leider nicht erwähnt oder ich habe es überhört. Insbesondere dass sich nicht mehr Erkenntnisse zu dem Fahrrad ergeben haben, lässt mich annehmen, dass es möglicherweise Mitwisser/innen gibt, die schweigen. Ich hoffe, dass der Fall doch eines Tages aufgeklärt wird und der Täter dann noch verurteilt werden kann. Immerhin liegt das alles bereits 24 Jahre zurück. Wenn der Täter damals 50 Jahre oder älter war, könnte es langsam knifflig werden.