Rick_Blaine schrieb:Das Thema "Unschuldige in Haft" hätte eine wirklich neutrale Vorstellung verdient gehabt, aber die Netflix Doku ist m.E. offensichtlich nur auf eine grosse Zuschauerresonanz aus, und diese findet man eben am besten durch Rührszenen. Und Zellner inszeniert sich hier ganz extrem, es ist nahezu ein Werbefilm für sie. Das hat auch etwas unredliches.
Es geht in erster Linie um Zellner herself.
Ja, sie hat in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet.
Ja, sie hat zu unrecht inhaftierten zu ihrem Recht und ihrer verdienten Freiheit verholfen.
In der Netflix Doku allerdings geraten Avery und vor allem Dassey komplett in den Hintergrund.
Im Prinzip ist es nichts anderes als ein Zellner Werbefilm und das ist mehr als unredlich.
Rick_Blaine schrieb:Die Staatsanwaltschaft geriet mit Brendan auf Abwege, juristisch empfinde ich seine Verurteilung als falsch, da m.E. das Verhör ein unfreiwilliges Geständnis hervorbrachte. Faktisch ist sie auch falsch, da ich glaube, dass aus dem Verhör deutlich wird, dass Brendan keine Ahnung von der Tat an sich hatte und kein Zeuge gewesen ist, jedenfalls kein Zeuge all der Dinge, die er ausgesagt hat.
Das seh ich ganz genau so.
Mir tut der Junge leid und in seinem Fall seh ich tatsächlich fast so etwas wie eine "Verschwörung".
Sie können ihn nicht raus lassen, ohne den Fall gegen Avery zu schwächen.
Ich glaube, dass die angestrebte Begnadigung tatsächlich seine einzige Chance ist, da der Gouverneur aus dem Unrecht Recht machen kann, ohne dass es die Aussagen Dasseys tangiert.
Der Fall "Avery" hätte nach wie vor Bestand.
Rick_Blaine schrieb:Zellner wiederum baut ebenfalls zuviel auf. Anstatt sich auf Bobby oder Hillegas zu konzentrieren und begründete Zweifel an der Täterschaft Averys zu säen, baut sie hier eine Megaverschwörung der Polizei auf. Mir scheint sie hat den Zeitpunkt verpasst, einzusehen, dass sie damit in eine Sackgasse fährt: zum Beispiel bei der Idee, dass Averys Blut platziert wurde. Sie hatte Recht, zu erforschen, ob es z.B. aus der früheren Blutprobe stammte. Als das aber durch die Laboruntersuchungen klar ausgeschlossen werden konnte, hätte sie diese Sache aufgeben sollen. Stattdessen erzählt sie uns die Waschbeckentheorie, die extrem unglaubwürdig ist
Ich denke, dass das ganze Medieninteresse, die Doku, Zellner nicht gut getan hat.
Wie gesagt, sie hat in der Vergangenheit gute Arbeit geleistet, aber sie hätte den Fall Avery nie übernehmen dürfen.
Sie hatte Recht so einige Dinge in Zweifel zu ziehen, aber sie ist über das Ziel hinaus geschossen.
Ja, die Waschbeckentheorie.
Wenn ich mich recht erinnere, kam der Anstoss dazu von Avery ?
"Ich hab mich in den Finger geschnitten und ins Waschbecken geblutet und als ich dann nach Hause kam, war das Blut weg."
Auch der grosse Auftritt vor dem Trailer "die Tür wurde schon mal aufgebrochen"
Ja, mit Sicherheit wurde sie und mit grosser Wahrscheinlichkeit von Avery selbst, als er mal wieder besoffen nach Hause kam und seinen Schlüssel nicht gefunden hat ^^
Sie scheint die Sackgassen nicht sehen zu wollen, weil sie zu sehr damit beschäftigt ist, sich selbst in Szene zu setzen.
Rick_Blaine schrieb:Ein wenig kommt es mir so vor, als ob sie unwillig ist einzusehen, dass sie zu spät in den Fall eingestiegen ist: wäre der Fall noch in der Anfangsphase, hätte sie durchaus Möglichkeiten gehabt, einer Jury nahezulegen, an Kernpunkten des Falles zu zweifeln. Mehr braucht man nicht um einen Freispruch durch eine Jury zu erreichen.
Wäre sie, mit ihrem Engagement und ihrem kritischen Blick auf die Dinge, von Anfang an seine Anwältin gewesen, er wäre nie verurteilt worden.
Rick_Blaine schrieb:Anstatt der Jury alles vorzukauen hat er sie eingeladen, selbst nachzudenken, aber freilich sie vorher subtil genau dahin zu führen wo er sie haben wollte.
Das ist das wichtigste.
Sag den Menschen nicht was sie denken sollen, führ sie in deine Richtung und lass sie selbst drauf kommen.
Genau darin sehe ich das Problem für einen neuen Prozess.
Zellner wird die Jury nicht selbst denken lassen, sie wird ihnen den Ablauf vorgeben.
Sie wird ihnen den Täter präsentieren, oder zwei, oder drei ?
Ich kenn das aus meiner Praxis.
Sag Menschen nie was sie denken oder glauben sollen, sie werden in das Gegenteil gehen.
Gib ihnen Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten. gib ihnen die Wahl, die sie, wenn du es richtig gemacht hast, eigentlich gar nicht haben
;)Rick_Blaine schrieb:Zellner schiesst hier aus meiner Sicht zu weit. Einmal natürlich, weil sie es eben nicht mehr mit einer Jury zu tun hat, sondern in einem Wiederaufnahmeverfahrensantrag (was für ein Wort) steckt, der unter ganz anderen Regeln läuft, und andererseits weil sie es jetzt mit erfahrenen Juristen zu tun hat und eben nicht mehr mit einer Jury aus Laien. Und vor allem: Avery ist eben kein OJ.
Sie schiesst weit über das Ziel hinaus, aber jetzt geht es darum die Zweifel zu säen.
Problem, ich denke, sie sät zuviel.