KonradTönz1 schrieb:Das meinte ich , als ich von einer Romantisierung eines derartigen Ausstiegs sprach. Fehlt nur noch die Grimm'sche Märchenformel: "Und er lebte glücklich und zufrieden bis ans Ende seiner Tage". Oder eben in der modernisierten Form: "Und er verwirklichte sich selbst und lebte fortan frei von gesellschaftlichen Zwängen das Leben, das er sich immer gewünscht hatte".
Was ich damit sagen will:
dass Menschen hin und wieder darüber nachdenken alles hinzuschmeißen und komplett aus ihrem bisherigen Leben zu verschwinden, kommt sicher häufiger vor. Dass es jemand tatsächlich durchzieht ist schon viel seltener. Dass es dann auch noch gelingt völlig spurlos zu verschwinden und über Monate und Jahre hinweg keinerlei Lebenszeichen von sich zu geben, kommt noch seltener vor.
Das sollte man in jedem thread eines Vermisstenfalls ganz vorne posten.
Es ist mir unverständlich, wie man immer wieder diesen "Ausstieg" romantisiert, am Besten noch einen Ausstieg ins Ausland. Ich glaube alle, die das tun würden extrem schnell das Handtuch schmeissen, wenn sie ohne Papiere, ohne nennenswert grosse Summe Geld, ohne extrem gefragte Fähigkeiten irgendwo unentdeckt ein neues Leben beginnen müssten. Vielleicht sollte man sich da mal die Bilder der aktuellen "Flüchtlingskrise" anschauen: so ein Leben steht den meisten "Aussteigern" bevor.
Ich selbst habe bisher in meinem Leben in 4 verschiedenen Ländern gelebt, jeweils legal, jeweils auf eigenen Wunsch, jeweils mit genug Vorbereitungszeit und vor allem mit Jobangeboten und einer akademischen Bildung im Hintergrund. Und dennoch kann ich Bücher schreiben über die bürokratischen Hindernisse, bis man erst mal legal irgendwo angemeldet und angekommen ist, über die kleinen und grossen kulturellen Unterschiede, die man akzeptieren muss - nein, illegal möchte ich das in keinem dieser Länder machen müssen, und schon gar nicht im extrem bürokratischen Deutschland.
Es ist nicht unmöglich, aber selbst wenn es die vielen Vermissten tatsächlich versuchen sollten, denke ich wären 99% von ihnen spätestens nach 4 Wochen wieder zu Hause.
So hart es klingt, man muss einen Schluss sicherlich ziehen: ein Selbstmord ist "einfacher" als ein erfolgreicher Ausstieg. Wenn bei einem Vermissten spekuliert wird, ob er einen Unfall hatte, Opfer eines Verbrechens wurde, einen Suizid verübte oder einen Ausstieg vollzog, rangiert der Ausstieg in der Wahrscheinlichkeit mit grossem Abstand ganz unten.