Die mutmaßlichen Taten von Silvio S.
20.07.2016 um 07:15
Guten Morgen,
ich möchte nun kurz meine Eindrücke vom letzten Teil des Prozesses schildern, d.h. die Plädoyers vom Staatsanwalt, Nebenklage und Verteidigung. Danach widme ich mich den Worten von S.
Ich persönlich war nun doch überrascht, dass das Plädoyer des Staatsanwalts am Montagnachmittag vorgetragen wurde. Ich hatte den Eindruck, dass alle sehr müde schienen, ich war es zumindest, müde und erschöpft nach all den Infos aus dem psychatrischen Gutachten.Wahrscheinlich hatte er den Zeitpunkt gewählt, damit die Nebenklage und Verteidigung in ihren Plädoyers auf seine Punkte eingehen können. Der Staatsanwalt begonn damit, S. Lebenslauf zusammenzufassen, dies tat er jedoch in einer sehr zynischen und sarkastischen Weise, die ich befremdlich fand. Allen voran ist aber zu sagen, dass der Mann natürlich eine einnehmende Persönlichkeit ist: charismatisch und rhetorisch sehr gut! Unverständlich fand ich, dass er meinte, S. hätte ja mal den Mund aufmachen können am Tisch mit den Eltern. Wenn es so einfach wäre, wäre es dann so weit gekommen?! Die Tat an Elias hat er sehr drastisch beschrieben und we ich es empfunden habe, waren eben auch viele Unterstellungen drin, die natürlich aber dadurch kommen, dass der Angeklagte nicht spricht. Oft hat er die Namen Mohamed und Elias verwechselt. In Mohameds Fall nannte er den Missbrauch "gotterbärmlich niederträchtig" und S. "eine Bestie in Menschengestalt". Man konnte richtig sehen, wie S. immer tiefer auf den Stuhl sank, rot wurde und ich glaube, er hat wieder geweint, da er sich die Augen permanent gerieben hat. Auch meinte der Staatsanwalt, dass S. nach dem ersten Mord ganz normal weitergemacht habe. Wie kann er das beurteilen? Anscheinend war dieser ja prinzipiell nicht in der Lage Gefühle spontan zu äußern, ich kann mir vorstellen, dass er sich nie etwas hat anmerken lassen. Auch ist Petersen, anders als Lammel der Auffassung, dass S. eine tickende Zeitbombe ist und deshalb in Sicherheitsverwahrung sollte. Alles in allem war das Plädoyer eindringlich, mit einer gewissen Härte und "Showeffekten" vorgetragen. S. wirkte anfangs interessiert, nach den ersten paar Worten schaute er jedoch wieder auf den Tisch und am Ende saß er zusammengesunken und rieb sich die Augen. Blickkontakt mit dem Publikum hatte er nicht mehr.
Am nächsten Tag begann der Prozess verzögert, die Presse drängte sich unangenehm in die Reihen, besonders RTL :D. Als der Angeklagte den Raum betrat, haben die Kameras geklickt und haben auch nach ersten Ermahnungen des Richters nicht aufgehört - selbst als die Tür fast zu war, versuchte man ein Bild von S. zu erhaschen, der den Kopf nach links drehte. Er zitterte auch diesmal sehr, nicht an den Oberarmen, sondern an beiden Unterarmen, das ging etwa 10 Minuten, bis er sich zu beruhigen schien.
Die Verhandlung begann mit den Plädoyers der Nebenklage. Die Anwältin von Elias sagte bereits zu Beginn, dass sie den Ausführungen und Forderungen vom Staatsanwalt zustimme. Ich fand es sehr befremdlich, dass sie 3/4 ihres Plädoyers ablas, sie hat wirklich nicht frei, sondern sehr hölzern gesprochen. Erst am Ende ihres Plädoyers wurde es sehr emotional, sie erzählte, dass sie mit der Mutter von Elias telefoniert habe und dieser der Todeszeitpunkt ihres Kindes immens wichtig sei. Deshalb appelliere sie erneut an S., der Mutter endlich zu sagen, wann dieser war. Ich persönlich war sehr ergriffen von der Ansage, der Angeklagte vergrub das Gesicht in die Hände und schien zu weinen.
Danach folgte das Plädoyer vom Anwalt von Mohameds Mutter. Kurz vorweg: Ich fand es furchtbar und nicht angemessen. Er hat meiner Meinung nach so viel Dramatik und Theatralik reingebracht, dass es irgendwie nicht der Sache angemessen erschien. Die Tat an Mohamed ist so dermaßen abscheulich, keine Frage, aber seine Ausführungen waren mir persönlich einfach unangenehm und zu gespielt. Ich weiß nicht genau wie ich es ausdrücken kann, aber es war einfach die Vortragsweise. Besonders der Satz , "Mohamed sei frei von Sünden und Fehlern. Mit seinen 4 Jahren eigentlich alles Schlimme und Verdorbene dieser Welt gesehen." war mir einfach zu viel. Er bezeichnete S. als Bestie mit Gummibärchen und Chloroform. Ich weiß nicht wieso, aber ich hatte das Gefühl, dass es in dem Plädoyer weniger um Mohamed ging, sondern eher darum, S. zu zeigen, wie sehr er ihn für Abschaum halte und das fand ich einfach Mohamed gegenüber nicht richtig angemessen, da mir der Fokus zu sehr auf dem Angeklagten lag. Dieser hat zu dem Zeitpunkt nicht mehr geweint, sondern eher öfter den Kopf geschüttelt.
Dann kam das Plädoyer vom zweiten Anwalt, dazu werde ich nicht viel sagen, nur: Ich war extrem irritiert. Der Mann sinnierte minutenlang über Ebay und seine Gefahren und die Folgen. Ich fand es einfach nicht passend, es war für mich kein richtigs Plädoyer, sondern eher an Monolog über das Kaufverhalten von S. und Ebay als Plattform.
Nun kam die Verteidigung zu Wort, beide Anwälte haben abwechselnd gesprochen. S. wirkte zu dem Zeitpunkt immer gefasster, hatte die Brlle zwar noch auf dem Tisch, aber schien nicht mehr zu weinen. Zunächst wurde erwähnt, dass S. Schweigen keine Konsequenzen nach sich ziehen müsste und ich muss sagen, da bin ich seiner Meinung. Auch wenn es schwer ist für die Angehörigen ist, besonders in Elias Fall und ich mir nicht das Kopfkino ausmalen möchte, was diese arme Frau jeden Tag durchlebt, es ist ein großes Gut im deutschen Rechtsstaat. Noll betonte, dass S. sich dem Verfahren stelle und der Verantwortung, naja gut, was bleibt ihm auch anderes übrig? Auch meinte er, dass S. sich und seinen Wagen mit Beweismitteln auf dem Präsentierteller bot, wer weiß, ob das wirklich so war oder er einfach noch den Kram im Auto hatte? Nach der Identifizierung blieb ihm eh kein Ausweg. Was mich persönlich sehr gestört hat, ich fand es wirklich unangebracht war, als es darum ging, wie Elias erstickt sei. Seine Worte waren "Spielt es überhaupt eine Rolle , wie es dazu kam?". Da musste ich ehrlich gesagt lachen, wie kann man sowas sagen? Für mich spielt es eine große Rolle, für die Angehörigen sicher auch. Ich fand die Aussage unglaublich ungeschickt ausgedrückt und herabwertend. Auch wurde wie erwartet bei Elias auf Totschlag bzw. auf Körperverletzung mit Todesfolge plädiert. Bei Mohamed räumten sie natürlich die eindeutigen Fakten ein. Zwischendrin wurde mit Paragraphen um sich geworfen, das zeigt mir eine gewissen Unsicherheit, aber gut, die Fakten sind erdrückend. Als er über Mohameds Tod berichtete, hat S. sich wieder die Augen gerieben. Wieder konform ging ich mit der Forderung nach 15 Jahren mit anschließender Prüfung des Angeklagten, aber keiner Sicherheitsverwahrung. Ich persönlich sehe es genauso und kann mir nach dem Prozess bei S. vorstellen, dass dieser eine echte Chance auf Besserung hat, anders, als z.B. viele Triebtäter, die schon als Jugendliche vergewaltigen und morden. Auch haben sich die Anwälte auf das psychiatrische Gutachten bezogen, dem ich auch zustimmen kann. Demnach kann bei S. ein Hang zu gefährlichen Strafteten bei S. nicht bejaht werden. Aber: Wer weiß schon, was in 15 Jahren ist. Keiner von uns weiß, wie S. sich entwickeln wird, meiner Meinung nach muss er seine Strafe absitzen, von der SV würde ich dennoch absehen.
Schade am Plädoyer fand ich, dass keinerlei persönliche Note zu vernehmen war, d.h. sie haben nicht einmal über den Angeklagten als Mensch gesprochen. Während des Prozesses haben sie gesagt, er sei ken Eisblock, sondern ein Mensch mit Gefühlen, das hat mir dann doch etwas gefehlt. Gegen Ende des Plädoyers habe ich gesehen, dass S. das erste mal sich etwas aufrichtete, die Augen nicht auf den Tisch hielt und seine Brille aufsetzte, er wirkte sehr gefasst.
Nun übergab der Richter das Wort an S. Ich persönlich bin fest davon ausgegangen, dass dieser den Mund halten wird, so wie etwa 99% des Saals. Als ich nach vorne schaute, war Gesicht knallrot und er hatte auf einmal einen Zettel vor sich liegen. In dem Moment war klar, dass er sprechen wird, was in anbetracht seiner Schüchternhet vor so einem Publikum ein schwerer, wenn auch meiner Meinung nach notwendiger Schritt gewesen sei. Es ist wirklich nicht zu beschreiben, was für eine Anspannung in der Luft lag, es war wirklich sehr merkwürdig und richtig still im Saal, so hatte ich es noch nicht erlebt bisher. Er schob dann nach Aufforderung des Richters das Mikrofon ruckartig zu sich. Er begann den Zettel mit der Entschuldigung vorzulesen, sehr stockend, aber doch recht gefasst. Er sprach leise und hatte wie schon einmal beschrieben im Live Ticker, eine sehr warme und beruigende Stimmnote. Nach den ersten Zeilen der Entschuldigung dachte ich "Ohje, mehr Klischee geht nicht?", aber fand den Satz gut "Ich weiß auch, was ich getan habe", was seine Schuldfähigkeit nochmal von seiner Seite aus bekräftigt. Überrascht war ich, dass er davon sprach, dass er die Behandlungen annehmen will, um so etwas nie wieder zu tun. Geht er davon aus, in Freiheiz zu kommen? Das war schon der zweite Kommentar in die Richtung, genau wie dass er nach der Haft eine Frau, Familie und ein Haus wollte. In den letzten zwei Sätzen hat er wieder mehr gestockt, dann ist die Stimme komplett weggebrochen und er hat geschluchzt. Damit war die Verhandlung beendet, S. blieb anders als sonst noch sitzen, Hände vergraben, der Anwal sprach mit ihm. Er schien erstmal runterkommen zu müsen und verließ dann ohne jemanden anzuschauen schnell den Saal. Ich hoffe sehr, dass er Elias Mutter kontaktieren wird und ihr den Tathergang erläutern wird aus dem Gefängnis aus, denn es gab keinerlei Erklärungen. Auch denke ich, dass er das Schreiben selbst verfasst hat,er hat sicher Tipps bekommen, aber von der Sprache her könnte es seine gewesen sein, sein Anwalt meinte zumindest, dass die Intention von ihm ausging, er es wollte.