Toter 17-Jähriger, Polizei steht vor einem Rätsel
12.11.2019 um 19:59
In verschiedenen Veröffentlichungen steht, dass der Junge nur Verletzungen "von der Hüfte aufwärts" bzw. "am Oberkörper" hatte. Einmal ist von einer Kopfverletzung die Rede. In einem Interview sagen die Eltern, dass sie dabei waren, als auf der Intensivstation "sein Herz aufhörte zu schlagen". In Berichten von der Polizei ist von einem Aufprall auf "ein größeres Fahrzeug", möglicherweise an der Fahrzeugseite, möglicherweise unbemerkt vom Fahrer die Rede. In einem Interview gibt der wohl die Ermittlungen leitende (?) Beamte die Auskunft, dass gemäß dem Verletzungsmuster der Junge nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich die Bekleidung des Oberkörpers auszuziehen, und ihm somit jemand "geholfen haben" muß.
Ich habe nicht den ganz kompletten thread gelesen (zu lang), aber zumindest das, was ich auf den ersten paar und letzten paar Seiten gefunden habe, gibt für mich ein stimmiges Bild ohne wesentliche Widersprüche. Öffentliche Quellen sind immer mit Vorsicht zu genießen - vieles stimmt nicht, vieles verfälscht, manches komplett falsch, manches wird nicht berichtet.
Aber: Die Rechtsmedizin ist gut in der Lage, Verletzungen daraufhin zu untersuchen, ob sie mit dem Zusammenprall mit einem Fahrzeug plausibel in Einklang zu bringen sind. Gerade ein auf den Oberkörper beschränktes Anprallmuster ist dabei durchaus ein Hinweis auf ein größeres Fahrzeug, da ein Zusammenprall mit der Front eines herkömmlichen PKW mindestens Anprallzeichen, ggf. auch Frakturen, im Bereich der Beine hervorruft. Diese scheint es hier nicht zu geben. Aufgrund der Tatsache, dass ein größeres Fahrzeug im Gespräch ist, ist anzunehmen, dass in der Rechtsmedizin ein vermutlich einigermaßen flächiger Aufprall im Bereich des Rumpfes - sei das nun seitlich oder frontal - festgestellt worden ist - das würde dann zumindest passen. Darüberhinaus war laut Pressebericht der Kopf verletzt. Auch das würde ins Gesamtbild sowohl des veröffentlichten vermuteten Unfallgeschehens passen als auch des Interviews mit der Familie, dass sie dabei war, als "das Herz aufhörte zu schlagen", wohingegen es bei Verbluten anhand innerer Verletzungen im Bauchraum der Familie meistens nicht gelingt, rechtzeitig in der Klinik zu sein, bevor der Patient stirbt.
Zum Thema, dass der am Ort aufgefundene Körper keine äußerlichen Verletzungsspuren aufwies, wie mehrfach in der Presse berichtet worden ist. Dies finde ich keinen Widerspruch, da zum einen die Presseberichterstattung diesbezüglich sehr oft fehlerhaft ist. "Keine äußeren Verletzungen" sind in Wirklichkeit oft "keine schweren äußerlichen Verletzungen" oder "keine äußeren Verletzungen, die so auffällig sind, dass auch ein Laie sie auf den ersten Blick sehen würde" oder "keine von außen sichtbaren Verletzungen, die so schwer aussehen, dass sie erklären würden, dass man daran sterben kann". Es kommt ohne weiteres vor, dass über jemanden, der eine kleine Kopfplatzwunde hat (und im Kopf eine Hirnblutung), oder jemanden, der eine für Laien nicht erkennbare Prellmarke im Oberbauch hat, berichtet wird, dass er angeblich keine äußeren Verletzungen hatte. Somit muß die Berichterstattung aus meiner Sicht schon mal nicht bedeuten, dass der Junge wirklich absolut keinerlei Verletzungsspuren hatte.
Zum anderen ist es aber auch so, dass auch schwerste, sprich lebensbedrohliche, innere Verletzungen manchmal keine oder fast keine äußeren Spuren zeigen können. Ich habe Menschen mit lebensbedrohlichen Verletzungen im Bauchraum oder im Kopf (Hirnblutung, Gefäßverletzung durch Überstreckung des Halses beim Anprall) erlebt, bei denen von außen keine oder fast keine Anprallmarke feststellbar war. Beispielsweise kann der Aufprall eines Seitenspiegels, wenn man seitlich neben einem Fahrzeug stehend davon erfaßt wird, sei das nun in Höhe des Bauchraums bei einem PKW oder in Höhe des Kopfes bei einem Lieferwagen, meiner Erfahrung nach schwerste Verletzungen (im Bauch oder Kopf) ohne von außen sichtbare Zeichen verursachen.
Zusammenfassend würde ich aus den veröffentlichten Informationen schlußfolgern, dass die rechtsmedizinisch festgestellten Verletzungen so prägnant sind, dass sie einerseits gut zu einem Unfallgeschehen (mit einem großen Fahrzeug) passen, andererseits aber sehr untypisch für ein "händisch" bzw. mit Werkzeug ausgeübtes Gewaltdelikt sind. Ich sehe keinen Anhalt dafür, dass die Polizei sich zu frühzeitig auf eine Theorie festgelegt hätte. Sondern allein aus den veröffentlichten Informationen gibt sich schon ein ziemlich plausibles Bild darauf, dass wirklich was untersucht worden ist und die Sachen zueinander passen. Das Rad hat er wegen der abgesprungenen Kette eben abgestellt, war dann (wie er selbst geschrieben hat: betrunken) mit dem Handy beschäftigt, das er in der Hand hielt, und stand auf der Straße oder taumelte auf die Straße, als ein vorbeifahrendes größeres Fahrzeug ihn - möglicherweise nur seitlich - erwischte und ihm Prellmarken / evt. Frakturen im Bereich von der Hüfte an aufwärts zufügte, und zwar an nur einer einzigen Körperseite. Mit dem Kopf ist er entweder auf das Fahrzeug oder auf den Asphalt oder auf beides geprallt und dann an einer massiven Hirnblutung verstorben. Beim Aufprall ist ihm auch das Handy aus der Hand geflogen und an der Stelle gelandet, an der man es gefunden hat. Irgendjemand, sei es nun der Unfallfahrer oder jemand anders, hat ihm noch die Oberkörper-Bekleidung ausgezogen, möglicherweise in dem laienhaften / aufgeregten Versuch, nach Verletzungen zu schauen / ihm zu helfen, oder aus irgendwelchen anderen adrenalingesteuerten, nicht immer mit Logik zu begegnenden Gründen. Derjenige hat sich aber dann entschieden, abzuhauen und sich nicht mehr zu melden. Unbefriedigend für die Eltern, dass (bisher) der Fahrer nicht bekannt ist und für die Familie die Details weiterhin offen sind. Wie Fallstaff ein Posting weiter oben sagt: Die Ermittlungsergebnisse sind das, was der Wahrheit vermutlich wohl am nächsten kommt, aber keine hundertprozentige, detaillierte Wahrheit mit allen Beteiligten und Parametern. Aber aus meiner Sicht gibt es keinen Anlaß, irgendwelche grundlegend anderen Szenarien zu vermuten.