Prozess "Mord ohne Leiche" in Wiesbaden: Die vielen Geschichten des „lieben Manu“ über das spurlose Verschwinden seiner Frau
Von Wolfgang Degen
WIESBADEN / SCHLANGENBAD - Die Frau wartet sehnsüchtig am Flughafen. Man hat sich zum Sex-Abenteuer verabredet. Die Minuten des Wartens verstreichen. Sorge stellt sich ein, denn der „liebe Manu“, ihre Internet-Bekanntschaft, lässt sich am Nachmittag des 28. Februar 2014 nicht blicken. Die Frau schickt eine SMS: „Wo bist du?“ Keine Antwort. Was die Frau nicht ahnt – „Manu“ wurde am Vormittag in Wiesbaden vorläufig festgenommen.
Es dauert anderthalb Jahre, bis es zu einem persönlichen Treffen kommt, vor der Schwurgerichtskammer des Wiesbadener Landgerichts. Die Frau trifft am Freitag als Zeugin auf den Angeklagten Emmanuel B., kurz „Manu“. Die Anklage wirft dem 39-jährigen Geschäftsmann vor, seine Frau Britta im gemeinsamen Haus in Schlangenbad-Wambach getötet und ihre Leiche beseitigt zu haben. Das letzte zweifelsfreie Lebenszeichen von Britta stammt vom Abend des 16. Februar 2014. Blutspritzer der Frau an einer Heimwerker-Maschine belasten den Ehemann schwer, hinzu kommt ein Bündel von Indizien.
Nichts passt, und das spiegelt sich in der Verteidigung
Die Verteidigung zeichnet das Bild eines unschuldigen Mandanten, der seine Frau sehr geliebt habe und über das Verschwinden sehr unglücklich sei. Drei Suizidversuche seien Ausdruck seiner Verzweiflung. Sicher belegt ist nur, dass keiner der Versuche nach Angaben der Rechtsmedizin auch nur annähernd das Leben gefährdet hatte. Waren auch sie bloß Teil einer Inszenierung? Wie die Geschichten, die „Manu“ nach dem Verschwinden seiner Frau in Umlauf gebracht hat. Wie jene, dass seine Frau am späten Abend des 16. Februar 2014 vor seinen Augen in Eltville in den Rhein gesprungen sein soll. „Britta, was machst du da? Komm’ wieder raus“, will er noch gerufen haben. Nach einiger Zeit sei er – „total geschockt“ – heimgefahren.
Selbstmord von Britta am 16. Februar? Wie konnte dann aber ihr Blut an die Heimwerker-Maschine gelangen, die Emmanuel B. erst am 17. Februar gekauft hat? Eine Maschine, mit der man sägen und schneiden kann. Es gibt auch keinen Hinweis, dass am Abend des 16. Februar eines der beiden Autos das Grundstück verlassen hatte. Nichts passt, und das spiegelt sich in der Verteidigung. Mit großer Ausdauer stürzen sich Axel Küster und sein Kollege Hans-Dieter Henkel auf angeblich einseitige Ermittlungen der Polizei, beklagen „unterschlagene“ Entlastungszeugen und behaupten rechtswidrige Umstände der Festnahme. Küster zeichnet in Erklärungen das Bild eines Angeklagten, bei dem „die Liebe zu seiner Frau an erster Stelle“ gestanden habe.
Vertuschungs- und Verschleierungsaktivitäten
„Er tat alles, dass seine Frau glücklich war“. Niemand könne sich vorstellen, dass er sie getötet haben könnte. Beweise und Indizien drängen aber genau das auf, und da hinein passen auch die Vertuschungs- und Verschleierungsaktivitäten. Emmanuel B. hat sich am 18. Februar Nachrichten geschickt und so getan, als sei Britta der Absender. Er hatte dazu eigens ihren Laptop mit nach Paris genommen. Am 17. Februar hat er in Wiesbaden mit ihrer Bankkarte Geld abgehoben. Am 20. Februar hat er die Daten der Videoüberwachung manipuliert. Warum das alles?
Getäuscht hat er auch die Frau, mit der er sich zum Sexabenteuer verabredet hatte. Am 14. Februar 2014 hatte er sie im Internet kennengelernt. Er habe eine zehnjährige Beziehung hinter sich, suche einen Neuanfang, sei Single. Schnell tauscht man erotische Fantasien aus, das Kino in beider Köpfe läuft volles Programm. „Er war sexuell erregt“, schildert die Frau als Zeugin.
Der „liebe Manu“ sagt auch, womit sie ihm, abgesehen vom Sex, eine weitere Freude machen könnte – mit „Kirsch-Marmelade und Baguette“. Das schreibt er am Abend des 17. Februar 2014. Einen Tag zuvor soll er seine Frau getötet haben, glaubt die Staatsanwaltschaft.
http://www.wiesbadener-tagblatt.de/lokales/wiesbaden/nachrichten-wiesbaden/prozess-mord-ohne-leiche-in-wiesbaden-die-vielen-geschichten-des-lieben-manu-ueber-das-spurlose-verschwinden-seiner-frau_16032949.htm (Archiv-Version vom 22.08.2015)