Hüllhorst/Bielefeld
Prozess ohne Leiche
Nebenbuhler wegen Totschlags an Hüllhorster Physiotherapeuten vor Gericht
VON TYLER LARKIN
Im Mai 2013 hängten Kripo-Ermittler Plakate an markanten Orten in Hüllhorst und Umgebung auf. Wenig später wurde aus der Ermittlungskommission eine Mordkommission.
Da war es noch ein Vermisstenfall | FOTO: TYLER LARKIN
Hüllhorst/Bielefeld. Den einzigen Menschen, die womöglich wissen, wo Karl-Friedrich Meyer zu finden ist, wird in drei Wochen der Prozess gemacht. Vor dem Landgericht Bielefeld muss sich ab dem 21. Juli ein 46-Jähriger aus Petershagen wegen Totschlags verantworten. Christiane R., die ehemalige Lebensgefährtin des Opfers, ist ebenfalls angeklagt. Sie soll dem Haupttäter ein falsches Alibi gegeben haben.
Es ist der mysteriöseste Kriminalfall im Mühlenkreis seit Jahren. Karl-Friedrich Meyer, selbstständiger Physiotherapeut mit Praxis in Hüllhorst, wurde zuletzt am 12. Oktober 2012 lebend gesehen. Seine Lebensgefährtin Christiane R., die mit Meyer ein neues Eigenheim in der Straße Schnathorster Holz bewohnte, will ihn am Abend des 21. Oktober letztmalig gesehen haben. Ohne Angabe von konkreten Gründen ("Ich muss noch einmal weg") habe er am Abend das Haus verlassen. Die Mordkommission nimmt inzwischen an, dass Meyer zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr lebte.
Der Physiotherapeut galt als Arbeitstier mit großem Kundenstamm, und genoss in ganz Ostwestfalen einen guten Ruf. Seine Vorliebe für Bargeld – privat wie beruflich – könnte ein mögliches Motiv für sein Verschwinden sein. Nach NW-Informationen soll Meyer zeitweise größere Summen zu Hause aufbewahrt haben.
Info
Abwesenheitspfleger bestellt
Das Amtsgericht Lübbecke hat mit Beschluss vom 12. Mai 2014 ein Abwesenheits-Pflegschaftsverfahren für den seit Oktober 2012 vermissten Karl-Friedrich Meyer eröffnet. In dieser Form der juristischen Pflegschaft geht es um die Wahrnehmung der Interessen eines "abwesenden Volljährigen" in vermögensrechtlichen Angelegenheiten.
Bekanntes Beispiel in jüngerer Vergangenheit waren deutsche Touristen, die nach der Tsunami-Katas-trophe in Asien am 26. Dezember 2004 als verschollen galten.
In den ersten sieben Monaten nach dem Verschwinden wurde der Fall nur routinemäßig behandelt. Im Mai 2013 gründete die Kripo eine Ermittlungskommission. "Niemand hat Meyer oder seinen auffälligen Jeep gesehen. Es gibt keinerlei Bewegung auf seinem Konto, sein Handy hat sich nirgends mehr eingeloggt", sagte Kommissar Thorsten Stiffel damals. Als dutzende Hinweise ohne Ergebnis ausermittelt waren, bekamen die Beamten immer mehr Zweifel an der Version der 40-jährigen Christiane R., die ihren Lebensgefährten als vermisst gemeldet hatte.
Sie hatte lange versucht, die Dreiecksbeziehung mit dem jetzt Angeklagten zu verheimlichen. Dem wegen Eigentumsdelikten vorbestraften 46-Jährigen wurde die Rolex-Armbanduhr (Modell Submariner) des Opfers zum Verhängnis. Unter falschem Namen und über einen Mittelsmann verkaufte er die Uhr an eine dritte Person. Diese Spur konnte die Polizei bis zu Jörg Z. zurück verfolgen, der am 22. Januar 2014 verhaftet wurde. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft und schweigt zu den Vorwürfen. Christiane R. ist weiterhin auf freiem Fuß.
Ob Eifersucht, Geld oder beides als Tatmotive gelten, wollen Polizei und Staatsanwaltschaft nicht sagen. Auch die Frage, ob Bargeld aus dem Haus des Physiotherapeuten gestohlen wurde, bleibt bisher unbeantwortet. Das Landgericht hat zehn Verhandlungstage bis in den Oktober geplant, was auf einen reinen Indizienprozess hinweist. Obwohl der Fall im Dezember 2013 auch bei "Aktenzeichen XY" gezeigt wurde, gibt es keine heiße Spur zur Leiche Karl-Friedrich Meyers oder seinem Jeep Wrangler.
http://www.nw-news.de/owl/bielefeld/mitte/mitte/11168969_Prozess_ohne_Leiche.html