Kampfkunst
25.06.2012 um 12:25äxdra schrieb:Ich stelle anerkennend fest, dass du aus der Praxis weißt, wovon du schreibst. Respekt dafür, ohne zu heucheln!Is nett, aber das ist ja noch keine Leistung. Den Krebs heil ich damit nicht.
äxdra schrieb:Was die Kampftechniken für (Nicht)-Jedermann betrifft, denke ich aber doch, dass es durchaus Leute mit sehr verschiedenen motorischen und anderen Talenten und Defiziten gibt und dass nicht wirklich jeder jeden Stil erlernen könnte. Bei mir z.B. ist es so, dass ich zwar den härtesten Schlag in der WT-Gruppe hatte, fürs WT aber nicht geeignet war, weil ich einfach dieses Feingefühl nicht hinbekommen habe. Trotzdem ist manches verinnerlicht. Eine Zeit lang hatte ich mal Karate-Selbstverteidigung betrieben, stellte aber fest, dass mir die Beweglichkeit fehlt. Früher habe ich etwas Judo gemacht und davor gar mit einem Ringer ein paar Freizeitübungen absolviert. Was den Bodenkampf betrifft, stellte ich immer wieder fest, dass das absolut nicht mein Ding ist, mich völlig überfordert. Im Vorwärtsdrängen mit Druck in den Armen hingegen bin ich wesentlich besser. So hätte es wahrscheinlich mehr Sinn, wenn ich das, was mir liegt, versuchen würde, ein wenig flexibler auszubauen als das, was mir nicht liegt, krampfhaft zu versuchen, ansatzweise können zu müssen. Oder wie würdest du das beurteilen?Hier stelle ich fest, dass Du absolut verstanden hast, um was es geht - die für sich individuelle Verteidigungsart zu finden. Der Einzelne steht immer über dem System.
äxdra schrieb:Gut, dass WT und der Geschäftsmann Kernspecht ein Ding für sich sind, räume ich gern ein. Da gebe ich auch gern zu, dass ich mit Texten von ihm erhebliche Probleme habe, da man doch immer wieder nur den Eindruck einer aufdringlichen Selbstbeweihräucherung hat.Auch dafür absoluten Respekt. Man muss da allerdings auch eingestehen, dass Kernspecht, da nicht der einzige ist, wenn auch einer der Erfolgreichsten. Aber Gott - Du hast eh verstanden, dass es keine absoluten Wahrheiten gibt und dementsprechend keine Heilsbringer von daher, muss man das Thema auch nicht vertiefen.
äxdra schrieb:Wing Chun - ich würde immer lieber nach den Ursprüngen schauen, als nach den modernen Derivaten - hat eine wirklich gute Seite: es gibt letztendlich nur eine Handvoll Techniken, die man zu Reflexen macht. Was mir da so gefehlt hat, war eben das freiere, realitätsnähere Üben; das sehe ich also genauso wie du. Nie hätte ich an irgendwelchen Wettkämpfen oder sowas teilnehmen wollen, aber mehr Praxis im Training wäre gut gewesen. Zwar hatte man seine Schienbein- und Ellbogenschützer an, damits auch bisschen härter sein kann und manchmal gar den Helm auf (unter dem ich Platzangst bekam und schon vorher K.O. war), aber es war alles zu unfrei, zu Technikgebunden.Ich weiß nicht genau, was da jetzt die Ursprünge sind. Es gibt Derivate, die legen auf das eine mehr Wert, die anderen haben den Fokus woanders. Seine Berechtigung hat das WT sicherlich und viele der Prinzipien ja auch gut und richtig.
Der Knackpunkt ist halt das statische Üben und die bewusste Anpeilung einer Zielgruppe, die eigentlich nicht kämpfen will. Da hat man dann das Sparring und die Wettkämpfe rausgenommen, um den Leuten zu suggerieren, dass es auch ohne "Blut, Schweiß und Tränen" geht. Kernspecht hat das damit zu legitimieren versucht, Sparring sei "kontraproduktiv", man gewöhne sich "falsches Verhalten" an. Und das freut die Hausfrau dann doppelt - sie muss nicht kämpfen, glaubt aber alleine aufgrund der Zugehörigkeit zum System es besser zu können, als mancher aktive Wettkämpfer.
Das Problem - die zukünftigen Trainer rekrutieren sich aus dieser Masse, verfügen aber über keinerlei Kampferfahrung. Techniken und Anwendungen werden nur noch theoretisch auf Plausibilität überprüft und damit entfernt man sich von dem was WT einst war.
WT selbst betrachtet sich als geschlossenes System. Das belegt halt leider die Murkserei bei der Takedown-Defense. Kernspecht ist da offenbar der Meinung, es käme einer Blasphemie gleich, wenn man aus anderen Stilen funktionale Dinge übernimmt.
Andere Stile sind da aufnahmebereiter und haben, insbesondere in den 70ern und 80ern die damals sehr erfolgreichen Prinzipien des WT übernommen. Allerdings ohne die Dogmatik, so dass diese sich nicht nur integrieren, sondern auch weiterentwickeln konnten. Diese Entwicklung hat das WT nicht mitgemacht. Das ist sein heutiger Nachteil.
Wenn sich das mal ändern sollte, kann da auch wieder was Gutes draus entstehen, so kommt es mir manchmal vor, wie die katholische Kirche - prächtige Ansätze, aber dogmatisch völlig festgefahren.
Gruß Elvis