HI Sonni;
Sonni1967 schrieb:Der Begriff Zufall ist ja vieldeutig. Als Zufall bezeichnen wir ein Ereignis wenn
wir davon ausgehen dass er nicht gesetzlich festgelegt oder determiniert ist
Irgendwie habe ich Probleme mit nicht verursachten Ereignissen. Alle Objekte oder Konstituenten des Kosmos zeichnen sich durch ihre spezifische Wechselwirkung aus, deren Grundelement das Ursache-Wirkungs-Prinzip, die Kausalität ist. Dabei ist wichtig, den Mechanismus anzugeben, der die Wirkung erwirkt. Ich gehe von der universellen Gültigkeit & Wirksamkeit dieses Prinzips aus, weil es dafür "sorgt", dass überhaupt etwas in die Existenz getrieben wird.
Ein linearer Kausalitätsstrang greift aber zu kurz, um die komplexe Mannigfaltigkeit der Natur zu bewerkstelligen; es müssen die Randbedingungen miteinbezogen werden, die die Richtung der Entwicklung bestimmen.
Diese Randbedingungen sind selbst wiederum das Produkt eines jeweiligen "eigenen" Kausalitätsstranges; dieser Strang hat aber mit dem ersten zunächst ursächlich gar nichts zu tun, ist also bezogen auf den ersten Strang zufällig, aber bezogen auf seinen eigenen Ursprung determiniert; erst wenn beide in Beziehung, in Wechselwirkung treten, rollt der weitere Vorgang ab.
Auf diese Weise bilden sich komplizierte Verzweigungen und Rückkopplungsschleifen, die erst die Komplexität der Natur möglich machen.
Da die Randbedingungen zufällig sind, sind sie auch variabel und das sind genau die Stellgrößen, die man im Labor untersucht, variiert oder eliminiert.
Diese Situation können wir in einer Theorie abbilden, heißt: die einzelnen Größen und ihr Zusammenhang können (mathematisch, experimentell) bestimmt werden, was ich als die eigentliche Determination (determinare = bestimmen) ansehe.
Ich halte es für dringend erforderlich zwischen der von uns unabhängigen Ontologie und dem vom Menschen konstruierten erkenntnistheoretischen Abbild (Epist'ologie) zu unterscheiden:
Kausalität, Mechanismus, Wechselwirkung und Zufall sind ontologische Parameter; Determination und Relation (Formalismus) sind epistemische Instrumente: wenn keine Ursache erkennbar ist, heißt das nicht, das da auch keine wäre.
Die zufälligen Randbedingungen sind manipulier- & berechenbar und das deswegen, weil der Beobachter stets eine Vogelperspektive einnimmt, so dass er voraussehen kann, wann ein Zufallsstrang aktiv eingreift - insofern wäre die Randbedingung nicht zufällig, weil sie ja berechenbar ist.
Wenn wir aber wissen wollen, wie es sich
in der Natur verhält, müssen wir ihre Position (einen systemimmanenten Standpunkt) einnehmen, uns in sie hineinversetzen und dann zeigt sich, dass beide, Zufall und Notwendigkeit, immer mit im Spiel sind, also objektive Bestandteile des Geschehens sind.
Mit diesem Bild ist die Determinismus-Zufall-Debatte für mich etwas transparenter, übersichtlicher.
Ich greife mal dein Evolutions-Beispiel auf:
Ein Tier befindet sich in seiner Ökonische. Das läuft bio-gesetzmäßig ab. Nun befindet sich über diesem Terrain ein Ozonloch und die UV-Strahlung erreicht das Tier.
Diese beiden Prozesse haben je ihre eigene kausale Entstehungsgeschichte und treffen hier zufällig zusammen.
Die UV-Strahlung wirkt über chemische Reaktionsmechanismen mit kausaler Notwenigkeit in der DNS und verändert sie, so dass potentielle neue Eigenschaften entstanden sind. Mit diesen neuen Eigenschaften wandert das Tier (zB wg Klimaumschwung) in ein neues Ökogebiet und trifft dort - wieder zufällig - auf Umwelt-Randbedingungen, die dann eine ganz bestimmte Eigenschaft aktivieren, die das Überleben sichern.
Ich denke, das Prinzip der Natur ist dieses Wechselspiel von Zufälligkeit und Notwendigkeit: die Zwanghaftigkeit des spezifischen Mechanismus einer Kausalität (=letztlich Energien) sorgt dafür,
dass etwas passiert und die Zufälligkeit der Randbedingungen,
was passiert.
Sonni1967 schrieb:Wenn es den Zufall nicht gäbe dann wäre unser Universum ja wie ein mechanisches riesiges Uhrwerk und würde
nach absolut festen Regeln ablaufen. Dann wäre alles lückenlos berechen- und vorhersagbar in der Vergangenheit/
Gegenwart und Zukunft. Es wäre wirklich alles gesetzlich vorherbestimmt und wo nur das Gesetz gilt da gibt es
überhaupt keine Freiheit mehr.
Das hört sich nach "unangenehm" an; aber ich glaube, dass sich die Natur nicht um unsere Gefühle kümmert. Aber wie oben dargelegt, kann man auch rational argumentieren.
Was die Freiheit des Willens oder einer Entscheidung angeht: hier müsste erst definitiv geklärt werden, wovon ein Wille frei sein soll, worin diese Freiheit besteht und ob es alternative "Freiheiten" dazu gibt!