@liezzy Bei einer Kindersterblichkeit von 0 muß jedes Elternpaar zwei Kinder hervorbringen (sonstige Sterblichkeit und Verhinderung "ehelicher Pflicht" mal ignoriert) muß für den Luxus der Opferung der Erstgeburt die Geburtenrate um 50% gesteigert werden. Das ist ein erheblicher Zuwachs. Wo es aber pro Familie zehn Nachkommen gibt (weil über die Hälfte im Kindesalter stirbt, Krankheiten und Krieg weitere "Opfer fordern", und weil nicht jeder Nachkomme aus gesellschaftlichen Gründen eine Familie gründet, kommen wieder nur zwei zur Familiengründung), dann ist ein Kind mehr fürs Nichtaussterben nur noch 10% Aufschlag. Wenn man nun hofft, mit der Opferung des männlichen Erstgeborenen solche Schicksalsschläge wie den Verlust von 50...80% der Nachkommen verhindern zu können, klingt das nach einem "guten Geschäft".
Kinderopfer (wie generell Menschenopfer) sind durchaus belegt. Weltweit wie auch für den Alten Orient. Es ist unsicher, wie weit verbreitet (innerhalb einer Gesellschaft, über die Kulturen hinweg, in welchen Zeiten) es war, als Ausnahme in Extremsituation oder als allgemeiner Brauch. Wenn eine Menschengruppe sagt, daß eine andere dies tue (und das schlecht sei), muß das natürlich noch lange nicht historisch ernst zu nehmen sein, das ist richtig. Erst sagten die Römer, daß die Juden Kinder essen, dann sagten die Römer und Juden, daß die Christen Kinder essen, schließlich sagten die Römer=Christen, daß die Juden Kinder essen. Und wenn die Israeliten sagten, daß die Heiden ihre erstgenurt opfern, klingt das verdammt nach Miesmach-Klischee. Dennoch gibt es zahlreiche Hinweise auf die Tatsächlichkeit von Kinderopfern in Israels Umwelt. Und Vorgeschichte.
Neben der Ätiologie, die die Abschaffung des Kinderopfers als göttlichen Willen schon an Abraham bindet, gibt es auch weitere textliche Hinweise in der Bibel. Da wird eine Frau erwähnt, die jahrelang unfruchtbar war. Sie betete eines Tages in einem Heiligtum:
HERR der Heerscharen! Wenn du das Elend deiner Magd ansehen und meiner gedenken und deine Magd nicht vergessen wirst und deiner Magd einen männlichen Nachkommen geben wirst, so will ich ihn dem HERRN [...] geben.
Sie bekam einen Sohn und gab ihn dem HERRN. Danach bekam sie noch drei Söhne und zwei Töchter. - Allerdings habe ich da etwas weggelassen. Nämlich "so will ich ihn dem HERRN
alle Tage seines Lebens geben." Der Erstgeborene wurde zum Priester gemacht. Auch das war eine historische "Auslösung" des Erstgeburtsopfers. Geopfert wurde er ja der Gottheit, nur nicht getötet. Bezeichnenderweise wird das Opfer, mit dem ein Mensch zum Priester gemacht wird, "Schwenkopfer" genannt. Das heißt, der Mensch wird gehoben und geschwenkt und so geweiht.
Als Mose die Leviten dem HERRN weihte, heißt es, Mose habe alle Israeliten außer dem Stamm Levi gezählt, und alle Erstgeborenen extra gezählt. Dann nahm er für jeden Erstgeborenen Israels einen Leviten und schwenkte ihn vor dem HERRN, sodaß er nun dem HERRN gehörte und heilige Dienste ausführte. Auch hier diese Verbindung, ausdrücklich mit dem Zusammenhang der männlichen Erstgeburt. - Schwenkopfer gibt es auch sonst noch. Da Priester für den Priesterdienst freigestellt sein müssen, haben sie keinen anderen Broterwerb; daher steht ihnen ein Anteil am Opfer der Israeliten zu. Sie nehmen sich ein Stück davon, aber da es ja dem HERRN gegeben wurde, schwenken sie dieses Stück über den Altar, damit es wie ein Rauchopfer (quasi Duftopfer) dem HERRN zumindest "gezeigt" wird. Mit dem Schwenkopfer wurde es sowohl dem HERRN gegeben als auch dem "Dienst am Heiligtum" zur Verfügung gestellt. Das Schwenkopfer ist ein Umwidmungsopfer. Aber jedes Schwenkopfer ist historisch gesehen mal ein "richtiges Opfer" gewesen, bei dem die Opfergabe zerstört wurde.
Zugleich dient diese Mose-Geschichte ebenfalls als Ätiologie. Hier nämlich wird der Brauch abgeschafft, den männlichen Erstgeborenen zum Priester zu schwenkopfern / weihen. Welcher ja selbst schon eine Abänderung des Brauchs der Erstgeburtstötung war. Die betende Frau vom Anfang, Hanna, war keine Levitin, ihr Mann Elkana ebenfalls nicht. Und ihr Sohn Samuel, der als Priester aufwuchs und als Prophet erst Saul, dann David zum König salbte, dann genauso wenig.
Warum Isaak das Opferkind und nicht Jakob/Israel, fragst Du? Nun, jeder Erzvater gilt als Stammvater der Israeliten. Abraham freilich genießt bis heute die größte Anerkennung, selbst bei den Christen und Muslimen. Insofern ist es durchaus in israelitischen Augen von Bedeutung, wenn sich etwas bei Abraham, dem Vater des Opfersohnes, ereignet.
liezzy schrieb:Wo würdest Du denn ansetzen wollen?
Das überlaß ich jeder und jedam selbst. Mir ging es darum zu sagen
Wenn ein Schöpfergott-Gläubiger mit seinem und über seinen Schöpfergott etwas erzählt, das jemand für Bullshit hält, dann gestehe ich jenem problemlos zu, dies Bullshit zu nennen und darauf gerne auch mit Ironie, Sarkasmus oder sonsterwas zu reagieren. Sich daraufhin aber gleich über jeden Schöpfergottglauben abschätzig zu äußern geht darüber weit hinaus und nimmt die Nichtbullshit-Redenden unter den Gottgläubigen gleich mit in die Sippenhaft.
Der Fall war ja gerade eingetreten, weswegen ich ihn angesprochen habe. Und mir war es wichtig, darauf hinzuweisen, daß dies für jedeVorstellung/Weltanschauung/[whatever] gilt, nicht nur Schöpfergottglauben.
Wenn nun jetzt jemand ne Kirchenkritik vorträgt (Dein Beispiel), und diese kommt jemandem wie Bullshit vor, bitte, möge er es auch so nennen! Deswegen muß man aber nicht gleich Kirchenkritik generell Bullshit heißen - nachher gibt es auch andere Kirchenkritiker mit bedenkenswerten, zumindest tolerablen Kritiken, denen man mit solcher Pauschalisierung ungerechtfertigt mit vors Bein tritt.