Schneller als mit Lichtgeschwindigkeit
26.11.2013 um 03:27sunaJJanus schrieb:sie befindet sich derzeit offenbar im Kryoschlaf und reist schneller als mit Lichtgeschwindigkeit zu einem inter-galaktischen Hyper-Physiker-TreffenSo, oder so ähnlich ;)
Aber dass ihr immer so philosophisch werden müsst bei sowas. Dabei ist das alles garnicht so schwer und auch ohne Quantenmechanik erklärbar. Der Grundgedanke geht hier immer auf die guten alten harmonischen Oszillatoren zurück.
Wer das nicht kennt: Eine Federpendel zum Beispiel ist ein harmonischer Oszillator.
Ein harmonischer Oszillator ist im Allgemeinen ein System, das auf eine ganz bestimmte, mathematisch sehr einfach beschreibbare Art und Weise schwingen kann. Die rückstellende Wirkung, also z.B. die Kraft, die das Pendel zurück in die Ausgangslage treibt, soll proportional zur Auslenkung sein: Doppelte Auslenkung -> Doppelte Kraft, dreifache Auslenkung -> dreifache Kraft.
Das Verhalten eines harmonischen Oszillators kann dann durch eine Differentialgleichung beschrieben werden (nämlich das Newtonsche Gesetz F=ma) und durch Lösen dieser DGL kommt man dann darauf, dass das System eine schöne Sinus-Schwingung macht. Alles noch nicht so kompliziert :)
Aus dem harmonischen Oszillator wird ganz schnell ein gedämpfter harmonischer Oszillator, wenn das System porportional zur Geschwindigkeit abgebremst wird. Z.B. beim Pendel durch Reibung. Die Gleichungen werden dann schon einen Tacken garstiger, aber es kommt immer noch das raus, was man sich so vorstellt: Eine wackelndes System, das immer weniger wackelt:
So, jetzt machen wir die Sache mal etwas interaktiver: Wir wackeln selber noch an dem System herum. Das Federpendel könnten wir etwa in die Hand nehmen und dann mit der Hand auf und ab wedeln. Dadurch würde das System natürlich irgendwie diese Schwingungen aufnehmen und selber herumwackeln, wie genau das aber aussieht ist jetzt aber noch einen weiteren Tacken garstiger.
Was genau passieren könnte sehen wir in diesem Bild:
So, was soll das bitte bedeuten?
Der obere Graph ist die Verstärkung des Systems. Sprich, wenn man das System mit einer bestimmten Schwingung anregt (mit der Hand wackelt), dann schwingt das System auch, und zwar entweder stärker oder auch schwächer, aber immer mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Anregung.
Wie stark die "Systemantwort" auf mein hinzugefügtes Wackeln ist, hängt davon ab, wie schnell ich wackle: In dem oberen Graph stellt die x-Achse die Frequenz der Anregung dar, also wie schnell ich das System anrege. Wenn ich das System nur extrem langsam bewege (ganz links im Graph) dann ist die Verstärkung exakt 1: Wenn ich das Pendel langsam rauf und runter bewege bleibt es immer im gleichen Abstand zu meiner Hand und bewegt sich genauso weit wie meine Hand.
Wackle ich schneller dann wird der Ausschlag des Systems stärker. Das Pendel schwingt weiter als ich meine Hand bewege.
Bei einer ganz bestimmten Frequenz, der sog. Resonanzfrequenz ist diese Verstärkung maximal, mein System antwortet mit einer extrem starken Schwingung. Danach wird die Verstärkung schwächer. Wenn ich das Pendel extrem schnell schwinge dann wir es sich nur ganz wenig bewegen, weil es garnicht mehr hinterher kommt.
Der zweite Graph ist wichtiger, das ist nämlich die Phasenverschiebung. Das bedeutet, wie ist die Schwingung des Systems zeitlich angeordnet im Vergleich zur anregenden Schwingung? Schwingen System und Anregung zum den exakt gleichen Zeitpunkten auf und ab, oder verzögert sich das System?
Das sieht man in dem zweiten Graphen. Bei kleinen Frequenzen schwingt System und Anregung nahezu gleichphasig, danach verzögert sich das System zunehmend. Je schneller die anregende Schwingung ist, desdo stärker versetzt ist die Systemschwingung.
Die Phasenverschiebung ist aber nicht unbedingt immer nach hinten versetzt, das System kann der Anregung auch voraus sein. Bei einem Kondensator in einer elektrischen Schaltung beispielsweise eilt der Strom der anregenden Spannung voraus, d.h. es kommt zuerst der Strom und dann folgt die Spannung. Das hat natürlich garnichts damit zu tun, dass Information in die Zukunft transportiert würde. Wie beim Federpendel hat das System sich einfach auf diese Schwingung eingestellt, und nach langer Einschwingzeit beobachtet man halt diese beiden Schwingungen im Verhältnis zueinander.
So, was heißt das jetzt für elektromagnetische Wellen in einem Medium?
Fangen wir mal bei dem Medium an: In dem Medium flitzen Atome herum, und diese Atome bestehen wiederrum aus einem Kern und einer Elektronenhülle. Kern und Hülle sind aber nicht starr miteinander verbunden, sondern zueinander beweglich. Man kann also die Hülle auslenken, dann wird sie von der elektrischen Kraft wieder zurück zum Kern gezogen. Das ganze ergibt, oh wunder, einen harmonischen Oszillator (das ist natürlich jetzt das einfachste Modell für die Oszillationen in einem Atom, in der Praxis sind die Zusammenhänge im Atom natürlich wesentlich komplexer. Aber für hier reicht das vollkommen aus, um alles zu verstehen).
Die Elektronenhülle kann also wie das Federpendel ausgelenkt werden und schwingt dann wild umher. Und das kann jedes einzelne Atom im Medium.
Das ist ja ganz spannend :) Wir haben also ein RIEESIGES Becken voller harmonischer Oszillatoren. Und auf dieses Becken werden wir jetzt eine elektromagnetische Welle loslassen.
Da die Elektronenhüllen elektrisch geladen sind werden sie durch elektrische Felder zum Schwingen angeregt. Das bedeutet, wenn eine elektromagnetische Welle durch das Medium tritt, dann reagieren die vielen Oszillatoren darauf und schwingen selber.
Weil die schwingenden Oszillatoren aber elektrisch geladen sind, wirken sie wie viele kleine Antennen und fangen an, selber EM-Wellen auszusenden. Diese Wellen überlagern sich mit der eigentlichen Welle und führen dann in der Summe zu einem neuen Feld innerhalb des Mediums.
Das will ich jetzt nicht weiter diskutieren, weil das etwas müssig ist und unanschaulich, aber ich denke man kann sich ganz gut vorstellen, wie die Schwingungen ein neues Feld ergeben.
Je nach Eigenschaften der Oszillatoren ist das überlagerte, neue Feld jetzt verschoben. Es können sich die Wellenlängen verkürzen und Wellen sich sogar gegenseitig auslöschen. Was man im Endeffekt hat ist eine neue Welle, die sich "schneller" oder "langsamer" verhält. Das soll bedeuten: Die Oszillatoren erzeugen jeweils eine Phasenverschiebung (wie oben in der doppelten Grafik). Diese Phasenverschiebung kann positiv oder negativ sein. Da jetzt entlang des Mediums ganz viele dieser Oszillatoren befinden, summieren sich diese Phasenverschiebungen auf. Das kann dann dazu führen, dass die Phasenverschiebung schneller nach vorne zunimmt als die Welle die Phase nachführt, und dann sieht es so aus, als ob die Wellenberge schneller sind, als das anregende Feld.
Aber dadurch wird keine Information übertragen! Denn: Das ist wieder der eingeschwungene Zustand, d.h. das System hat sich nach einer gewissen Zeit in dieses Verhalten eingependelt. Genau wie das Federpendel oder der Kondesator in der Schaltung. Bevor man das System aktiviert (beginnt anzuregen) rührt sich überhaupt nichts. Und in der Schaltung wird nie ein Strom fließen, bevor man nicht die Schaltung einschaltet. Erst nach einiger Zeit schiebt sich die Phase des Stromes dann nach vorne, und es sieht so aus, als ob der Strom früher kommt als die Spannung. Aber das ist die stationäre Schwingung, das Resultat eines Einschwingvorgangs. Informationen fließen hier nicht mehr. Und ebenso ist es mit den Wellen im optischen Medium. Die Geschwindigkeit der Wellenberge bei einer bestimmten Frequenz kann anders sein, aber das ist ein eingeschwungener Zustand.
Spannend wird es bei Laserimpulsen. Denn ein Laserimpuls besteht nicht aus einer elektromagnetischen Wellen einer bestimmten Frequenz, sondern aus einem riesigen Spektrum von verschiedenen Frequenzen. Diese ganzen elektromagnetischen Wellen summieren sich letztlich zu dem auf, was man dann als Laserimpuls wahrnimmt.
So jetzt haben wir aber gelernt, dass Oszillatoren mit verschiedenen Frequenzen sehr unterschiedlich umgehen. Manche Frequenzen werden z.B. stark phasenverschoben, andere weniger. Und in einem optischen Medium tritt genau dieser Effekt auf, die unterschiedlichen Frequenzen propagieren unterschiedlich durch das Medium. Das bedeutet für den Laserimpuls: die spektralen Anteile werden zueinander phasenverschoben.
Das kann für den Laserimpuls verschiedenste Dinge bewirken. Der einfachste Fall wäre, dass der Laserstrahl auseinanderdriftet und verzerrt wird: Die unterschiedlichen Phasengeschwindigkeiten verändern die Zusammensetzung des Wellenpaketes so, dass die einzelnen Anteile in der Summe keine schöne Form mehr ergeben. Das wollen wir in der Regel nicht und versuchen wir zu vermeiden.
Ein anderer Effekt wäre, dass im Wellenpaket die Frequenzen gegeneinander verschoben werden. Das bezeichnet man als Chirp. Der Laserpuls sind dann immer noch gleich aus von außen, seine Eigenschaften verändern sich trotzdem.
Dies alles hängt eben von den Eigenschaften der Atome und Moleküle im Medium ab, und wie sie auf verschiedene Frequenzen von außen reagieren. Denn danach richtet sich, welche Sekundärwellen sie erzeugen und dadurch wie die resultierende Welle aussieht. Und wenn diese stark von der Frequenz abhängt (anormale Dispersion) dann kommt es zu lustigen Effekten.
Bevor ich jetzt zum Schluss komme, noch einmal zum Durchdenken: Wir betrachten NUR, was das System macht, wenn es eingeschwungen ist. D.h. wir strahlen durch das Medium Licht einer Wellenlänge und beobachten dann, wie es auf diese Anregung reagiert.
Dies machen wir für alle möglichen Frequenzen und erhalten auf diese Weise ein Abbild des Verhaltens des Mediums.
Aus diesen vielen ebenen Wellen können wir jetzt eine Laserimpuls generieren, indem wir geschickt viele ebene Wellen aufsummieren. Diese Wellen werden aber jetzt immer noch unterschiedlich vom Medium gefiltert, wodurch lustige Effekte in der Summe entstehen können.
Und jetzt, um beim Thema des Threads anzukommen, haben wir ein Medium, bei dem der Lichtimpuls von vorne kommt, dann rückwärts durch das Medium fliegt und dabei gleichzeit auf der Rückseite das Medium verlässt, und fragen uns was zum Geier das bitte soll :D
Nun, zu allererst mal errechnet sich das wieder aus dem exakten Verhalten der verschiedenen Wellen. Das führ ich jetzt nicht vor, das müsst ihr einfach hinnehmen :P ist allerdings keine Hexerei.
Die Frage ist jetzt, ob das physikalisch sein kann? Wie kann hinten ein Wellenberg entstehen, wenn die vordere Welle noch garnicht da ist???
Nun die Antwort ist: Sie war eben DOCH schon da. *tusch*
Ich habe einige Male darauf hingewiesen, dass wir lediglich eingeschwungene Wellen betrachten, die wir anschließend so aufsummieren, dass unser Impuls rauskommt. Da gibt es also überhaupt kein Problem, alle Informationen sind bereits überall im Raum vorhanden, um den letztlichen Ausschlag darzustellen (Hier ist ein bisschen Verständnis von Fourier-Theorie von Vorteil). Das "seltsame" Verhalten ist einfach nur die Summe der verschiedenen Wellen, die bereits eingeschwungen sind. Dazu kommt: Ein Laserimpuls ist immer unendlich lang. Er hat keine scharfen Grenzen, das ist physikalisch unmöglich. Er kann lediglich an entfernten Stellen sehr, sehr schwach sein, aber er ist nicht exakt Null.
Aber kann man jetzt damit Informationen schneller als Licht übertragen? Nope. Denn um einen Laserimpuls zu generieren muss man die Regeln der Fourier-Analyse beachten, daran führt mathematisch kein Weg vorbei. Zwar erledigt die Natur die ganze "Rechnerei" für uns, wenn wir eine Lampe einschalten und sich ein komplexes Zusammenspiel von verschiedenen Frequenzen so zusammensetzt, dass aus dem vormals dunklen Raum ein heller wird, aber die Vorgänge dahinter sind alles andere als trivial. Wenn ein Laser generiert wird, dann benötigt dieser wie gesagt eine riesige Bandbreite, besonders wenn er sehr kurz ist. Das nennt man Transformlimit (was eigentlich die Unschärferelation ist, aber das sag ich jetzt nicht, weil sonst gehts hier bloß wieder drunter und drüber. Unschärfe hat was mit Fourier zu tun, nicht per se mit Quantenmechanik). Und das generieren dieser Frequenzen braucht wiederrum eine bestimmte Zeit. Um ein Signal der Bandbreite B zu generieren braucht man etwa die Zeit 1/B. Während dieser Zeit bauen sich die einzelnen Frequenzen auf und am Ende entsteht dann das gewünschte Signal.
Und diese Aufbauzeit ist genau was verhindert, dass man Informationen schneller als Licht übertragen kann. Denn: Was eigentlich passiert ist folgendes: Während der Aufbauzeit verlassen die Wellen den Laser und propagieren durch den Raum. Die beobachtbaren Schwingungen sind dabei quasi unsichtbar, weil sie so schwach sind und desktruktiv gegeneinander interferieren. Aber die Frequenzen sind trotzdem vorhanden und bauen die einzelnen frequenzfesten Schwingungen auf. Das passiert natürlich mit Lichtgeschwindigkeit. Die Schwingungen bekommen genügend Zeit um sich einzuschwingen, und vorher wird auch nichts passieren, denn genau dieses Einschwingen ist die Voraussetzung, dass der eigentliche Laserimpuls (der noch immer nicht "existiert) überhaupt zusammengesetzt werden kann (wir erinnern uns: der Impuls ist nur eine Summe von stationären Schwingungen). Wenn der Laserimpuls dann endlich erzeugt ist und sich "auf den Weg" macht, dann sind die Einzelwellen bereits hinreichend eingeschwungen. Insbesondere haben es sich die einzelnen Frequenzen schon längst in dem Medium gemütlich gemacht, so dass die Show beginnen kann, wenn der "Impuls" (der nur ein mehr oder weniger zufälliger Hubbel in der Summe der Felder ist) endlich am Medium ankommt.
Man sollte es also so sehen: Bei der Erzeugung eines Impulses laufen bereits von Anfang an elektromagnetische Wellen durch den Raum und fangen an mit den Atomen im Medium zu interagieren. Die Eigenschaften des Mediums können dabei sehr komplex werden und dazu führen, dass am Ende des Mediums potentielle Energie aufgestaut wird, die dann nach gewisser Zeit erst wieder freigegeben wird, dabei in beide Richtungen abstrahlt (weg vom Medium, und dem anderen Impuls entgegen).
Damit ist klar, warum ich keine Information schneller als Licht übertragen kann: Die Wellen bewegen sich nur mit Lichtgeschwindigkeit. Nur wenn man die Zeiten künstlich an irgendwelchen Gruppengeschwindigkeiten festmacht (in diesem Fall an den verzögert ausgesendeten Impuls) dann kommt man auf abgefahrene Geschwindigkeiten. Aber das ist nur gemogelt :)