Thanius schrieb:Komisch, bei den meisten aufgeklärten Mordfällen ist es an und für sich eindeutig.
Da sollte man wohl annehmen, dass wenn ein "Präsident" umjelecht wird, die Beweise/Beweiskraft recht umfangreich und einheitlich sind, und nicht wiedersprüchlich. So what???
Das ist ein Irrtum. Wäre das am 22.11.1963 ein stinknormaler Mord gewesen, dann hätte die Polizei von Dallas ermittelt und Lee Harvey Oswald wäre ruckzuck auf dem elektrischen Stuhl gelandet. Es wäre scheinbar alles klar gewesen. Und die meisten (unpolitischen) Mordfälle erscheinen uns völlig klar, weil eben nur das Wesentliche ermittelt wird, was für die Anklage relevant ist. Und weil sie sich in einem kleinen Rahmen abspielen, Familie, Kennverhältnisse. Und die Motive überschaubar sind: Geld, Sex, Eifersucht, Verzweiflung, Rache. Da wäre es bei einem toten Asylbewerber absurd, danach zu forschen, ob das Bundesamt für Flüchtlingsfragen seine Finger mit im Spiel hatte.
Nun handelte es sich um den 35. Präsidenten der USA. Nun war das Bundessache. Das FBI ermittelte ebenfalls, der Secret Service hatte seine Interessen, die Gattin hatte ein gewichtiges Wort mitzureden. Und schon beginnt ein munteres Ringelreihen um Zuständigkeiten, Deutungshoheiten usw. Die Medien fressen alles, was ihnen vor die Flinte kommt und natürlich stellt sich jeder sofort die Frage: Castro, die Russen, der "militärisch-industrielle Komplex". Cui bono?
Dann kommen noch die Interessen dazu: Die, die ein (politisches) Interesse haben, dass es ein Einzeltäter ist. Und die, deren Interesse es ist, eine möglichst diffuse und unbekannte Bedrohung durch eine Verschwörung zu suggerieren. Im Laufe der 1960er Jahre nimmt das Unbehagen ja noch zu: Vietnam, Martin Luther King, Robert Kennedy, dann Nixon usw. Da ist die Versuchung groß, die Heilsgestalt JFK als Opfer von Kreisen zu sehen, die mit allen aufräumen, die eine bessere und gerechtere Gesellschaft versprechen. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, ist die Bereitschaft groß, jede widersprüchliche Fußnote, jedes halbzeilige Zitat als Beweis des Gegenteils zu interpretieren.
Dinge, die sonst völlig irrelevant wären, werden dann auf die Goldwaage gelegt. Zum Beispiel die Schüsse vom Grashügel. Zeugen haben sie gehört, es gibt aber keinen Anhaltspunkt, dass JFK auch von dort erschossen worden wäre. Also hat sich der Schall gebrochen. Zeugen haben sich getäuscht. Ganz normal. Hier aber nicht. Oder der Zapruder-Film. Der Kopfschuss kommt für den Laien scheinbar von vorn. Nur wenn einem deshalb das offizielle Ergebnis spanisch vorkommt, dann ist man auch bereit, einen Autopsiebericht so lange zu sezieren, bis entweder der Schuss nicht von dort kam, wie es das offizielle Ergebnis annimmt, oder die Leiche manipuliert, oder die Pathologen gelogen haben. Oder gleich alles zusammen, die Gegner der offiziellen Version sind da nicht wählerisch und entscheiden sich nicht für eine Variante.
Und dann enthält ein Bericht mit mehreren tausend Seiten, der in wenigen Monaten angefertigt wurde, natürlich Fehler. Vermutlich nicht wenige. Von den politischen Interessen sprach ich schon. Also lässt man das Eine oder Andere unter den Tisch fallen. Die Verantwortlichkeiten oder Versäumnisse von Sicherheitsbehörden sowieso. J. Edgar Hoover war ein mächtiger Mann. Viel zu mächtig. Usw. Es ist z.B. nicht ausgeschlossen, dass Hoover den Mord an JFK in Auftrag gab. Aber gibt es ein Blatt Papier, das darauf hindeutet? Eine belastbare Zeugenaussage, z.B. eines engen Mitarbeiters? Nein. Also ist das so unwahrscheinlich, wie das J. Edgar Hoover Franklin D. Roosevelt vergiftet hat. Und das gilt auch für alles Andere.
Lasse ich alles monströse Unbekannte außer Betracht, bleiben nur noch echte oder konstruierte Widersprüche und Ungereimtheiten, die man entweder als unwesentlich einstufen oder mit einer schlüssigen Erklärung auflösen kann.