Auftragsschrei schrieb:Durch diese verrückte Idee mit den Chemtrails achten die Leute einfach mehr darauf. Es ist, wie wenn man sagt: "Achten Sie mal auf Briefkästen, sie sind überall"! Plötzlich wird man überall Briefkästen entdecken. Die Chemtrailsache ist also eher, sagen wir, ein psychometeorologisches Problem, als ein meteorologisches.
Da will ich mal etwas aus meinen privaten Nähkästchen plaudern. Noboyd is perfect, auch harcore-Skeptiker nicht.
Beruflich hatte ich mal mit einer charismatischen Freikirche zu tun. Das sind selbsternannte Gemeinden, die das Wort Gottes (also die Bibel) streng auslegen und diverse Psychopraktiken einsetzen, um das zu untermauern.
Ich bin da als Atheist von meinen Arbeitgeber, der einen Auftrag von dieser Freikirche erhalten hat hineingeschickt worden. AUch weil mein Arbeitgeber weiss, das ich für so etwas eigentlich nicht anfällig bin ("Du bist stark genug, Du fällst nicht darauf rein")
Nun gefiel mir aber die Atmosphäre dort. Vor der Predigt spielte 20 minuten bis zu 2 Stunden deren eigene Band live (und diese Band bestand aus wirklich talentierten Musikern). Danach folgte eine 10-120 minuten dauernde Predigt, und am Ende gab es die Psychotricks, die ein Sammelsurium aus Meditation, autogenem Training, "Reise ins ich", Cold-Reading und "Heilen-durch-Handauflegen" war.
Am Anfang fand ich das alles ziemlich lächerlich, aber die Leute waren allesamt nett und wenn ich sowieso schon da war, warum nicht die Pedigt in der Mitte über sich ergehen lassen und bis zum Ende abwarten, sich einfach a la "autogenes Training" auf den Boden legen und die am Ende wieder sanfte Töne spielende Band geniessen...
... so wurde ich langsam für die Botschaften empfänglich. Obwohl ich mich trotzdem noch als Atheist geäussert und verhalten habe...
Irgendwann gelang es der Gemeindeleiterin, mich in dieser Psycho-Trick-Aftershow-Party in eine
Wikipedia: Cold Reading Situation zu bringen. "Du bist jetzt bereit, ich habe eine Prophetie von Gott für Dich". Bei den Prophetien dieser Freikirche stand man sich grundsätzlich gegenüber und legte seine rechte Hand auf das Herz des Gegenübers. Als Mann findet man sowas nicht unangenehm und die Gemeindeleiterin hatte fraglos eine gute Figur...
Der Erste Cold-Reading-Versuch der Gemeindeleiterin war schon eine schlappe, sie fing damit an, das Gott ihr gerade gesagt habe, das ich Eifersüchtig auf meine Geschwister sei. Das sei mein Problem. Ich lachte, denn ich bin ein Einzelkind. :-)
... aber dann gelang es der Gemeindeleiterin mich trotzdem einzuwickeln. Wie, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen.
Es endete darin, das sie mir folgenden Floh ins Ohr gesetzt hat: "Gott hat Dir ein Zeichen gesetzt, wann immer Du einen Adler siehst, ist die Botschaft Gottes nicht weit".
Das war sozusagen mein Chemtrail- "Schau in den Himmel"-Moment.Auf einmal waren überall Adler! Mein Lieblings-T-Shirt? Da war der Adler drauf! Der Adler lachte mir aus Gebäudefasasden alter Häuser, aus Werbungen, Filmen und sogar auf Briefköpfen entgegen. Plötzlich Adler überall. 2-3 Monate irrte ich herum und hab wahrscheinlich ziemlich wirres Zeug erzählt, weil ich überall den Adler sah und die damit verknüpfte Botschaft suchte..
... bis ich etwas bemerkte: Hallo! Ich lebe in einer Stadt, die den Adler als Wappentier hat. Es ist kein Wunder, das jeder Brief von der Stadt irgendwo einen Adler hat und das ich ihm andauernd begegne.
Ab da drehte ich den Spiess um, war ich in der Zeit zuvor bemüht, einfach mehr Kontakt zu den netten, sympatischen Menschen der Freikirche zu haben, besonders da sie mich "erweckt haben", tat ich so als wäre ich voll vom "heiligen Geist" ergriffen.
Wenn diese Leute wirklich mit Gott tagtäglich sprechen und Gott jeden ins Herz (und Hirn) schauen kann, dann wird ihnen Gott wohl sagen, das ich *ab jetzt* ein falsches Spiel treibe. So tun, als wäre ich erleuchtet.
... also habe ich mich äusserlich an diese Christen herangeschmissen und innerlich gekichert, solange der Vertrag meines Arbeitgebers mit dieser Freikirche noch lief. Und was passierte?! Die Gläubigen sind voll darauf angesprungen, versprachen mir eine grosse Zukunft, ich würde zum ganz grossen Prediger in Südamerika werden, das hätte Gott ihnen gesagt!
Sie planten mich als "freie Arbeitskraft" nach Vertragsablauf ein. Nach den Motto "Der FZG ist so voll von Gott gesalbt, der macht nach dem Vertrag mit seinen Arbeitgeber einfach kostenlos für die Gemeinde weiter". Da hat ihnen der allmächtige Gott aber etwas falsches erzählt, oder warum hat er die Gottestreuen Freikirchlicher nicht von meinen "falschen Spiel gewarnt?!
Und die Frage "Warum hat Gott Euch nicht von mir gewarnt, wenn Ihr täglich mit ihn stundenlang sprecht" schlug ein wie eine Bombe...
Seitdem liebe ich den Song "Solsbury Hill" von Peter Gabriel. Den hörte ich jedesmal, kurz bevor ich zu dieser Freikirche ging. Bitte darauf achten, wie im Refrain die befehlsgebende Stimme sich wandelt:
Jodi Martin ' Solsbury Hill'
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Ohne Frage hat dieser Song quasi mein Hirn gerettet
Sie hörten das Wort zum Sonntag ;)