@Smas Da liegt ein Grund warum ich vor vier, fünf Jahren mein recht aktives debunking eingestellt habe (Schwerpunkt "Reichsbürger", aktiv seit etwa 2000, noch zu Franks Zeiten).
Man klärt auf, macht sich lustig und mahnt gleichzeitig vor Gefahr - das sind so verschiedene Ansätze, die sich dermassen gegenseitig ins Gehege kommen, dass es zu frustrierend wurde zuzusehen, wie wenig man trotz allem Engagement erreicht. Wobei das natürlich nicht einschliesst, dass die aktiven, seriöseren Aufklärungsseiten
mit Sicherheit geholfen haben, dass der ein oder andere gar nicht erst abrutscht.
Aber der Aufstieg der VTler ist für mich leider
auch ein Versagen der Gegenseite.
Es fehlt an Strategie, fachlich sehr gut aufgestelllte Foren (wie das SSL) verderben sich mMn durch Kalauerei die Durchschlagskraft und vor allem Seriösität. Ein Jammer, wenn man bedenkt was da an Wissen vorhanden ist.
Auch der Aluhut will vielleicht zuviel gleichzeitig: spotten, aufklären und dann auch noch eine Art Fürsorge usw. -
solche Vereinigungen müssten gerade heute eine wichtigere Funktion erfüllen als sie es tun.
Man kann nicht eine heute-show machen, in der man dann auf einmal ernste Recherche a la "Report aus Mainz" bringt um im nächsten Moment plakativ-populistisch vor den Gefahren durch Faschisten zu warnen. Das ist kein
Konzept, das sind verschiedene
Konzepte, und es ist kein Zufall wenn in der "ernsthaften" Medienwelt so ein Mix gar nicht erst versucht wird. Weil sowas nur funktionieren kann, wenn man ein Jahrhundertgenie wie Voltaire zur Verfügung hat. Und einen Voltaire haben wir nicht.
Man sieht das auch hier, nicht nur im VT-Bereich sondern auch bei "Wissenschaft" im Umgang mit Abzockunternehmen uä.
Ich werfe das nicht vor:
es entwickelt sich von selbst, wenn Menschen unterschiedlicher Motivation sich mit ein und demselben Gegenstand beschäftigen. Die haben versch. Ansätze, das ist normal. Es fehlt mMn nur, gerade bei den professionelleren Akteuren, an Strategie.
Daneben kommt, gerade im dt. Skeptizismus im Gegensatz zB. zu den angelsächsischen Bewegungen dieser Art, eine gewisse Neigung ins parteiliche. Ich habe da sehr viele Leute getroffen, die sich klar links definieren. Was ich auch, in gemässigten Sinn, tue. Aber Skeptizismus und Aufklärung
sind überparteiliche gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Da sind viele Leute, die sich einbringen könnten, denen aber unnötig Hürden in den Weg gelegt werden weil sie sich politisch zB. konservativ verorten. Dass das Anliegen, sich gegen VTs zu engagieren, wirklich über die Parteigrenzen geht. Und man da auch über den eigenen Schatten springen könnte - mit Leuten sich zusammen gegen VTs zu engagieren, mit denen man in anderen gesellschaftlichen oder politischen Fragen absolut nicht einer Meinung ist... Man beraubt sich da einiger Möglichkeiten. Man stelle sich nur vor, man hätte eine kompetenten, sicheren und guten debunker für Reichsbürger-Themen - der Mitglied der AfD wäre. Das würde wahrscheinlich nicht funktionieren, und schon damit grenz man Akteure und Publikum mMn zu sehr ein. Auf der einen Seite sieht man die gesellschaftliche Gefahr durch diese destruktiven Tendenzen. Begegnet ihr aber auf der anderen Seite, als sei das ein "linkes" Anliegen.
Wenn es das ist (und das ist es nicht!): dann sieht es düster aus...
Ich habe zB. sehr engagierte Leute getroffen, die sich "aus Prinzip" nicht mit der BILD-Zeitung oder rtl unterhalten würden. Übersehen aus meiner Sicht dabei, dass diese Medien in Sachen Verschwörungstheorie potentiell
Verbündete sind. Da kommen die eigene politische Überzeugung und auch Vorurteile der Durchschlagskraft in die Quere.
Gehts in Richtung Religionskritik (
traditionell ein starker Aspekt im Skeptizismus) siehts dann gerade hierzulande extrem düster aus. Was nicht an den einzelnen Akteuren liegt (da haben einige Erfahrungen und Wissen) sondern an den Strukturen. Da werden ganze Themenfelder, ganze Richtungen und damit auch eine Menge aktive Unterstützung vernachlässigt. Vor ein paar Jahren hätte ich noch gedacht: wir brauchen einen deutschen Christopher Hitchens, Sam Harris, Richard Dawkins. Aber mittlerweile hat sich das Klima so gewandelt, dass sogar diese Leute "verdächtig" geworden sind. Dawkins zB., sicher einer der bedeutendsten Intellektuellen der Gegenwart, wird von Vorträgen ausgeladen usw.
Da wird
Skeptizismus tatsächlich nach Ideologie bewertet und ausgerichtet... Aktionismus, Parolen, Vereinfachungen verhindern vielleicht zu oft Differenzierung. Die Antwort auf platte Parolen sind eben nicht unbedingt eigene platte Parolen.
Wobei da teilweise auch Leute rumspringen, die zuwenig über die Inhalte wissen die sie verteidigen. Hab da ganz haarsträubende Sachen erlebt, wo selbstbewusst und in bester Absicht auf offener Bühne Sachen vorgetragen werden, die inhaltlich grob falsch sind, und man sich nur denkt "zum Glück ist das hier keine Diskussion mit der Gegenseite...".
Auf der einen Seite sah man auf "unserer" Seite die Gefahr von VTs früh, engagierte sich früh, aber hat bis heute kein Rezept gefunden hier wirklich ein
Faktor in der öffentlichen Meinungsfindung zu werden. Und da sind Leute dabei... die können mit Medien super umgehen, die kannste live in ner Diskussion ins TV bringen, und die sind schnell, gut, cool. Aber zu wenig präsent, weil der Hintergrund vielleicht dann doch nicht so belastbar seriös ist wie das von den grossen Medien erwartet wird. Vielleicht, ich vermute das nur.
Die Spottlust, auch teilweise vorhandene Arroganz oder sogar Schadenfreude machen es den fence-sittern viel zu leicht,
nicht zuzuhören. Der VTler hingegen
nimmt diese Leute mit offenen Armen, bestätigt sie und ihre Ansichten - um sie dann weiter zu indokrinieren.
Die sozialen und psychologischen Komponenten des VTlers und der VT-Gruppe um ihn herum wurden zwar gesehen. Aber man war nicht in der Lage es zu berücksichtigen.
Ich habe darüber mit einigen aktiven Aufklärern gesprochen - es war
nicht vermittelbar.
Das eigene Engagement, die Gruppe, das Gefühl sich für das Richtige einzusetzen usw. hat aus meiner Sicht ein wenig betriebsblind gemacht. Zudem ich da genug Leute getroffen habe, die den VTler
gar nicht erreichen wollten.
Da war man eher froh, den in die Ecke zu stellen als ihn rauszuholen.
Wieso das aber generell eine Strategie sein soll, das weitere Ausgreifen von VTs zu verhindern..?
Das war und ist für mich nicht nachvollziehbar.
In meinen Augen ist dieser Aufschwung von VTs zum Teil auch Ergebnis eines Versagens der Aufklärer in all den Jahren zuvor.
Wobei man gerade dort die Gefahr früh und akkurat erkannte. Aber bis heute (aus meiner, sehr persönlichen Sicht) keine Strategie hat dem Phänomen zu begegnen. Eigentartig dabei: der ganz normale skeptische Ansatz, das eigene Handeln an den Ergebnissen immer und immer wieder zu messen um es anzupassen und zu verbessern war wenig verbreitet. Im Einzelgespräch sind da viele entsprechend reflektiert - als Gruppe hingegen, aus meiner Sicht, weniger.
Wer sich über VTs lustig macht
(und das liegt nahe), macht es sich selbst schwerer, dass einem VTler zuhören die man aufklären kann
(ein auch naheliegender Ansatz) oder sich sogar, wenn der Betroffene sich in die Scheisse geritten hat, ihn zu unterstützen
(was natürlich auch, für sich gesehen, ein positiver Ansatz ist).
So ein bisschen hat das was von "Du Depp, Du Nazi, Du Spinner! Jetzt lass Dir mal von mir in aller Ruhe erklären, wo Du irrst..."
Wenn das ab und zu einen erreicht: super! Aber es könnten auf andere Weise vielleicht mehr erreicht werden. Diese Leute verschwinden ja nicht aus der Gesellschaft, nur weil man ihnen das Etikett "VTler" angehängt hat. Das wird dann wohl mit dem ganzen Begriff "Verschwörungstheoretiker" eher so laufen, dass die Betroffenen sich sagen
"ich sehe das zwar nicht so, aber ich hab da eh keine Chance. Dann bin ich eben einer..." Es gab auch, aus meiner Sicht, zuwenig
Grosszügigkeit im Siegen, aber das ist ein eigenes Thema im Umgang mit Aussteigern und geht über VTler hinaus. Wenn man das Stigma eh nicht los wird, ist der Anreiz auch geringer es loswerden zu wollen.
Da sind eben teilweise Strukturen entstanden, aus Aktionismus, aus Spass, studentisch geprägt, die gewachsen sind und gewachsen - aber vielleicht zu wenig für sich geklärt haben, was man eigentlich will (und was nicht) und wie man das erreicht.
Auf der anderen Seite... ich habe für diese Art von Überlegung zwar Verständnis gefunden. Aber zu erreichen war da dann doch nichts.
Ich fand das sehr frustrierend. Man sieht ein Haus brennen - die einen wollen löschen, die anderen die Menschen retten, die dritten verhindern dass der Brand übergreift. Und jeder dieser Ansätze hat seine Chancen, wenn man ihn konsequent verfolgt. Will man alles gleichzeitig, klappt nichts davon dann richtig.
So jedenfalls meine Wahrnehmung, und wie gross mein Frust da immer noch ist sieht man schon daran, dass ich diese Gedanken hier, auf irgendeiner Seite irgendeines threads rauslasse, wo die natürlich in ein paar Minuten verschüttet sind.
Aber der Gedanke da was zu erreichen, den hab ich aufgegeben.
Und ich meine damit tatsächlich nicht die VTler - sondern uns, die auf der Gegenseite.
Auf der anderen Seite habe ich dann eingesehen, dass
ich es wahrscheinlich bin, der sich hier irrt.
Denn wenn man ne Meinung hat, die nicht durchsetzbar ist weil sie nicht geteilt wird, ist eben die Wahrscheinlichkeit gross dass die eigene Meinung falsch ist.
Frustrierend ist es trotzdem: denn ich komme von den verdammten Thema ja nicht los. Es holt einen ja ein. Es ist ja mittlerweile fast allgegenwärtig.
Es kotzt mich wirklich an.