subgenius schrieb:Also Slavische Namensformen sind in den meisten Fällen definitiv nicht auszuschliessen.. da aber es halt Deutsche waren die das erste mal all die Namen aufgeschreiben haben, kennen wir auch nur diese.
Definitiv sicher ist nicht mal, ob es die Welt um mich herum tatsächlich gibt. Das ist mir jetzt ein wenig zu empiriokritizistisch. Ich red durchaus von Tatsachen und Fakten.
Und meine Tatsache und mein Fakt ist, der Mangel an typisch Slawischem (die Zischerl) in dem Gros der auf -ow- endenden Ortsnamen. Damit lege ich mich nicht einmal fest, welcher einzelne ON denn nun ein deutscher sei und welcher ein slawischer. Wie sollte also Dein Einwand da greifen können? Das gleiche beim Fall Treptow. Auch da habe ich mich nur gegen die Gewißheit "is slawisch" geäußert, aber nicht das Gegenteil als Gewißheit hingestellt. Auch da greift ein "aber gewiß ausschließen kannst Du es nicht" überhaupt nicht an meinem Argumentationsgang. Einzig für den konkreten Einzelfall Teltow hab ich die deutsche / germanische Herkunft vorgezogen. Und zwar mit konkreter Argumentation für den konkreten Einzelfall. Nicht mit Allgemeinplätzen. Deswegen sollte meiner Darlegung auch mit konkreten Gegenargumenten begegnet werden, nicht mit einem "nix ist sicher".
subgenius schrieb:Du würdest dich wundern was es so an Rückentlehnung in Sprachen gibt.
Vielleicht ist es Dir nicht aufgefallen, aber ich bin nicht gänzlich unbeleckt in diesem Themenfeld. Gegenseitige Übernahmen sind nu wahrlich ein weit verbreitetes Phänomen. So heißt einer der Apostel Jesu mit seinem lateinischen Namen Bartholomäus. Kommt aus dem Griechischen, Bartolomaios. Er wird wohl ursprünglich nen hebräischen oder aramäischen Namen gehabt haben, worauf denn auch das "Bar" im Namen hinweist, was aramäisch ist und "Sohn (des)" bedeutet. Auf aramäisch wäre es Bar Tolmai, Sohn des Tolmai. Und Tolmai? Das ist kein altehrwürdiger Name eines Israeliten von Abrahams und Moses Zeiten an, nein, das ist eine Übername aus dem Griechischen, wo dann der Name Ptolemaios zum Vorschein kommt.
Oder nimm die Sudeten, eine alte deutsche Bezeichnung für ein Gebirge mit ewig weit zurückreichender deutscher Bevölkerung. Dabei stammt das Wort gar nicht von den Deutschen, sondern - nein, nicht von den Tschechen! Sondern von Claudius Ptolemäus aus dem 2.Jh. Der nannte die Berge da oben in Germania soudêta ore. Übersetzt ungefähr so viel wie "Wildschwein-Berge" oder "Wildschwein-Gebirge". Womöglich war dies der germanische Name (natürlich dann im entsprechenden gotischen oder wasweißich-Dialekt).
Manchmal bleibt die Vokabel sogar total identisch. So entstand der Orden der Kapuziner in Italien. In deutscher Zunge reden wir halt vom Kapuziner. Irgendwann erfanden die Österreicher mal ein Kaffeegetränk, indem sie einem heisßen schwarzen Kaffee eine Kapuze aus fetter, steifgeschlagener Schlagsahne aufsetzten. Sie nannten das Getränk gleich mal Kapuziner. Die Italiener fanden das ganz nett, standen aber mehr auf leichte Sachen. Also nahmen sie fettarme Milch und schlugen diese. Und übersetzten sich den Kapuziner ins Italienische. Von dort her haben wir das Getränk dann unter seinem itallioenischen Namen, den cappuccino. So hießen denn auch die Ordensbrüder, die wir uns anfangs ins Deutsche als Kapuziner übersetzt hatten. Hin und her und wieder hin und erneut zurück.
Manchmal werden die Wörter aber bei jeder Übersetzung ein wenig abgeändert. Und bei der Rückkehr in die Ausgangssprache erkennt man das Wort nicht mehr, obwohl es noch ähnlich klingt. Hab gerade kein Beispiel. Das wäre so, als würde in Moskau ein Bistro aufmachen. Nach Napoleons Niederlage gab es in Frankreich militärische Besatzer-Kontingente, auch aus Rußland. Die Franzosen gewöhnten sich an diese Nachkriegsbesatzungszonen-Situation und machten das beste daraus. Das heißt, sie erschlossen die Soldaten für sich als Einnahmequelle. Russische Soldaten hatten allerdings nicht so viel Ausgang und daher nie viel Zeit fürs Shopping und lange Reataurand-Aufenthalte. Daher machten einige ne Art Fastfood-Restaurant auf und lockten vorbeigehende Russen mit dem lautstarken Versprechen, daß man hier schneller bedient werde. Schneller - "Büjstro!" Aus dem Üj ein I gemacht, hinten statt vorne betont, und selbst ein Russe denkt, das PECTOPAH sei
trés chic.
subgenius schrieb:Hätte ein Slave Teltow geschreiben dann sicherlich 'Teltov'
Ein Slawe in Sussex vielleicht. Dieses -ov und -ev in deutschen Umschreibungen slawischer Namen ist schlicht und ergreifend ein Anglizismus. Gorbatschow heißt Gorbatschow in Deutschland. Im Angelsächsischen heißt er dann Gorbachev. Aber hier wird das W genommen. Klar, die Tschechen schreiben hinten wieder ein V, aber die Polen nehmen ebenfalls das W am Ende. Doch da die Slawen der Mark eher was mit den Polen zu tun hatten und die Deutschen drumherum eben Deutsche waren, hätt ein Slawe also die Wahl zwischen dem deutschen Ow und dem polnischen Ow gehabt.
subgenius schrieb:ich gehe mal von aus man hat die Einheimischen gefragt und dann niedergeschrieben was man verstanden hat oder halt verstehen wollte.
So ähnlich. Mit viel Augenzukneifen! Als die Türken von den einheimischen byzantinischen Bauern wissen wollten, wie denn die große Stadt da hinten (*fingerzeig*), sagten diese "eis tên polin", "in die Stadt". Die Türken schreiben seither Istanbul. Eher war es ein weit längerer Prozeß. Die ehemals griechisch sprechende Bevölkerung ging immer wieder mal "in die Stadt", sei es nach Hause, sei es zu Besuch (und Markttag). Irgendwann sprachen die Leutz türkisch und wurden zu Türken, aber die Bezeichnung, "is tên pol(in)" zu gehen, wurde beibehalten und wurde schließlich zum Namen.
Wie Namen weitergegeben werden, das passiert wohl in den allerallerallerseltensten Fällen so, daß einer mit Zettel und Stift in der Hand die Leute interviewt.
subgenius schrieb:Es ist jedenfalls auffällig das die eindeutig deutschen Neugründungen auf dem heutigen Berliner Stadtgebiet auch ziemlich eindeutig deutsch sind. (Wedding, Mariendorf, Lichtenrade, Schöneberg) doch die meisten der Orte die auf -au/-ow/-witz .. etc Slavische Vorsiedlungen haben.
Da wüßte ich doch gern, wo Du das eindeutig Deutsche im Wedding erkennst. Sitzt Du etwa auch dem Irrtum auf, Rudolphus de Weddinge, der das Dorf Weddinge gegründet hat, habe es nach sich benannt? Zusammen mit Rudolphus de Weddinge wird auch noch ein Fridericus de Kare genannt, beide in Dienst und Lehen des Markgrafen. Heißt also der Berliner Ortsteil Karow mit seiner hübsch nach slawischer Vorsiedlung klingenden Endung nach dem Herrn Fridericus so? Der Fritz wohnte ja schließlich auch dort. Wie Rudi im Wedding. Die älteste Erwähnung des Ortes jedenfalls läuft unter "Kare".
Dabei ist es doch so überdeutlich! "de" heißt im lateinischen wie im Französischen "von". Und ein "von Ribbeck" heißt so, weil er in Ribbeck wohnt, nicht weil er Ribbeck erfunden und nach sich benannt hat. All der große Weddinge-Schwachfug, den einer vom anderen im Net wie in renommierten Zeitungen abschreibt, ist so offenkundiger Unsinn, Rudolf wurde mit Weddinge belehnt und heißt ab da selbst de Weddinge, wie Friedrich mit Kare/Karow belehnt wird und seither de Kare heißt.
Also Wedding ist anders als von Dir behauptet nicht so "eindeutig deutsch" im Namen, und Karow als deutsche Gründung des Fridericus (in Parallele zu Weddinge als Rudolphus-Gründung) heißt heute mit -ow am Ende. Wie sieht es denn sonst so aus? Malchow bei Berlin etwa. Endet auf -ow, kann also keine "eindeutige deutsche Neugründung" sein. Oh doch - genau das ist es! Und das ist sicherer als die Gründung von Weddinge und Kare/Karow durch Fritz und Rudi. Hat aber dieses verdammte OW am Ende. Na nehmen wir noch eins: Gatow. Mist, wieder deutsch gegründet! Wie wäre es mit Buckow? Deutsch gegründet. In den genannten gab es keine slawische Vorbesiedlung. Da können sich irgendwelche Leute noch so einen Unsinn ausdenken, ein Rudow käme von dem slawischen Wort für Rot, obwohl das mit einer deutschen Herleitung genauso funzt (und keine slawische Sprache ein *rud für "rot" hat, außer in Übernahme aus ner nichtslawischen Sprache. Auch Buckow, urslawisch, weil Buck mit Buche zusammenhängt. Nee, mit ner deutschen Herleitung kommwa natürlich nicht von Buche zu Buck. Erst recht nicht, wenn wir wissen, daß im Angelsächsischen, als das noch kein Englisch war, sondern ein Niederdeutsch, die Buche bôk hieß.
Nur weil irgendwer behauptet, daß ein Adliger von X nicht aus X kommt, sondern X nach sich benennt, oder daß Buche und Rot in einem Namen slawisch ist und Buche bzw. Rot bedeutet, solltest Du Dich nicht dazu verleiten lassen, gleich ne Gweißheitsbehauptung herzustellen wie Dein hiesiges "
Es ist jedenfalls auffällig das die eindeutig deutschen Neugründungen auf dem heutigen Berliner Stadtgebiet auch ziemlich eindeutig deutsch sind. (Wedding, Mariendorf, Lichtenrade, Schöneberg) doch die meisten der Orte die auf -au/-ow/-witz .. etc Slavische Vorsiedlungen haben." Es gibt slawische Ortsgründungen mit deutschen Namen, es gibt deutsch gebildete auf -ow endende Ortsnamen, und beides ist nicht die seltene Ausnahme.
subgenius schrieb:Wenn die Herleitung von 'Berlin' als Sumpfland stimmen, dann haben die Stadtgründer die Übersetzung bestimmt nicht gekannt.
Irrtum. Ich sagte es ja bereits. der Berl ist eine Bezeichnung, die durchaus bekannt war. Und richtig, es ist kein Fließ, sondern ein stehendes Gewässer in morastiger Lage, ein versumpfter Weiher. Er heißt Berl, und zwar "der Berl". Und die Straße heißt "Am Berl". Vor Jahren hatte ich mal gelesen, daß es in Berlin und Umgebung mehrere Gewässer gab, die "der Berl" genannt wurden. Das war eine lebendige Begrifflichkeit, und man wußte, was damit gemeint ist. So wie wir Berliner noch heute wissen, was ein Fenn ist (ok, womöglich nur noch einige Berliner). Quasi ein weitgehend verlandeter Berl. Eben eine sumpfige, morastige Gegend, die durchaus noch eine größere zusammenhängende Wasserfläche aufweisen kann (Fennpfuhl, zwei Mal in Berlin, auch Paddenpuhl genannt wegen der Frösche, niederdeutsch Padde). Der Fenn ist ein niederländisches Importwort. Schon zu Zeiten von Fritz und Rudi gelangten Niederländer nach markgräflicher Einladung in die Mittelmark und ließen sich nieder. Die brachten ihr Veen mit, ihr Wort für sumpfiges Gelände.
Oh nein, die Berliner kannten bis weit in die Neuzeit ihre Wörter und Begriffe. Nicht unbedingt, von wem sie die geerbt haben, wohl aber, was sie bedeuten. Sicher nicht die Urbanen, die Bürgerlichen und Adligen. Aber die, die in der reichen Landwirtschaft der Dörfer und Gemarkungen auf dem Gebiet des schließlichen Groß-Berlin tätig waren, die kannten es.
subgenius schrieb:Allerdings halte ich es für eher unwahrscheinlich das ~1000 ein Deutscher sich noch an den Ursprünglichen Namen der Beke/Telte erinnerte.. ist nur ein Bach kein Fluss. Und Telt als Begriff für eine Spalte/Teilung ist germanisch aber kein deutsch dieser Zeit.
Daß eine vorslawische Bezeichnung für nachslawische Siedler nur durch slawische Vermittlung erhalten bleiben konnte, darauf hatte ich nicht nur verwiesen, das versteht sich auch von selbst.
subgenius schrieb:Ich sehe keinen Grund warum Spandau einen deutschen Namen erhalten haben sollte.
Aber das war doch schließlich weit verbreitet. In der Neumark kann man an der Dorfform der "terra" leicht erkennen, ob ein Ort deutscher Einwohner auf einer slawischen Gründung fußt. So ist auch ein "Hessendrop" eine solche "terra", also eine deutsch benannte slawische Siedlung (die Slawen wurden in der Regel in der Mark assimiliert, nicht ausgerottet oder so).