Angebliche Weltsprache
10.03.2015 um 01:30
Unsere deutsche Sprache ist voll von Lehnwörtern anderer Sprachen. Anglizismen gibt es auch nicht erst seit ein paar Jahren, mindestens seit der Ankunft der Alliierten gibt es das. Der englische Apostroph ist sogar Vorkriegsware!
Und davor? Spätestens seit dem Absolutismus schnackte die Elite in Europa französisch, spätestens im frühen 19.Jh tönte es dann auch in den Gassen und Kaschemmen - joho, und ne Buddel (bouteuille) voll Rum! Selbst Phantasiewörter wurden aus dem Französischen gebastelt wie heut das Handy: Aus der Lameng heraus, keine Fisimatenten machen, mit Schisslaweng... Und davor? Da war es das Latein. Ja wir können an unseren urdeutschen Wörtern sogar noch erkennen, ob diese vor oder nach 800 aus dem Lateinischen importiert wurden. Um diese Zeit nämlich änderte das Mittellateinische die Aussprache des C von einem reinen K-Laut hin zu einem TS-Lautvor hellen Vokalen (ä, e, i, ö, ü). So kam der Caesar als Name Cäsar erst nach 800 zu uns, aber als Titel Kaiser schon zuvor. Und die cella bildete erst unseren Keller, dann unsere Zelle. Auch der carcer wurde schon früh importiert als Kerker, wohingegen der Karzer erst mit neuzeitlichen lateinlehrenden Gymnasien zur Züchtigung von Primanern eingeführt wurde. Selbst haufenweise Griechisch hat sich im Deutschen eingenistet, bis hin zu Vater Rhein. Sogar die Butter haben uns die Griechen (butyron) untergebuttert. Auch den Sack haben wir von Lateinern und/oder Griechen (saccus/sakkos), wobei die ihn wiederum von den Semiten in Gestalt der Phönizier herhaben, das gemeinsemitische Wort ist ßak. Das Wort kam gleich mehrfach zu uns, schon früh zu den Germanen, aber auch neuzeitlich: Wenn ein Mann zu einer Veranstaltung im Sakko geht, geht er rein griechisch en sakko, "im Sack".
Ein Drittel unseres Vokabulars dürfte fremdsprachlicher Herkunft sein, und jedes Jahrhundert hat seinen Anteil daran. Seit Jahrtausenden.
Damit sind wir sogar noch gut gefahren. Die Schweden hat es härter getroffen. Allein aus dem Deutschen stammen rund 50 Prozent aller schwedischen Wörter! Und dann noch die Lehnwörter aus anderen Sprachen anderer Jahrhunderte - was haben die Schweden denn noch original Schwedisches!!!
Oft bilden sprachliche Übernahmen ein Gefälle ab. Die Sprache der Sieger oder Herren wurde von den Besiegten oder Untergebenen übernommen. So findet sich in der Sprache Tok Pisin, einer Kreolsprache (Talk Pidgin) auf Neuguinea, die dort Verkehrs-, gar Amtssprache ist, als Vokabel für Bedienstete das deutschtümelnde Saiskanake. Wer da nicht den feisten deutschen Kolonialherren hört, wie er seinen Hausdiener beschimpft! Da sind balaistip, bigelaisen, gumi und sange viel harmloser. Letztere zeigen, daß auch ein technologisches Gefälle zu Vokabelübernahmen führt.
Gelegentlich ist es aber auch ein "Wunsch", eine bewußte Entscheidung, ein "Akt der Zuneigung". So haben auch die Finnen etliches Deutsche in ihrer Sprache. Zum Teil schon aus Urzeiten. Das finnische kaunis für "schön" habense wohl noch von den Goten, bei denen unser "schön" noch skaunis hieß. Später kamen noch herra und rouva hinzu, wobei im letzteren unser älteres "frouva" steckt; noch Walther von der Vogelweide nannte das Fräulein "frouvelin". Als Finnland sich dann anschickte, kein russisches Großfürstentum mehr zu sein, liebäugelten sie mit den Deutschen. Beinahe hättense sich ein hannoversches Pärchen zu importieren, um ein finnisches Königshaus zu basteln, aber die Abdankung des Kaisers machte ihnen da einen Strich durch die Rechnung. So blieb es bei der rein bürgerlichen Demokratie. Als sich nach der Unabhängigkeitserklärung und der ersten freien Wahl Links und Rechts prügelte und die sowjetisch unterstützten Linken zu siegen drohten, kam ein eigens in Deutschland ausgebildetes Finnisches Jägerbataillon den Konservativen zu Hilfe. Noch heute gibt es im finnischen Militär den jääkäri. Auch wenn es mit dem deutschen Königshaus nicht klappte, wählten sich die Finnen nach dem Rubel und vor dem Euro als heimische Währung markka und penni aus. Aus reiner Liebe zu den Deutschen.
Als Gegenleistung haben wir die Loipe, die Sauna und das Silo aus dem Land der Schweiger und Säufer.
Naja, und heutzutage fließt es halt kräftig englisch aus dem Gefälle in die Welt hinaus. Hört auch irgendwann wieder auf, sodaß irgend eine andere Sprache die Welt mit sich selbst beglücken kann. Bis dahin werden noch ne Menge Anglizismen in den Duden wandern. Aber nicht alles wird da drinnen bleiben. Mode kommt, Mode geht aber auch wieder und bleibt nur in Resten. Auch heute questioniert man nicht mehr, sondern fragt. Und füsiliert wird auch keiner mehr. War vor 200 Jahren aber geradezu umgangsdeutsch. Ist jedoch mit hunderten anderer Modewörter wieder verschwunden. Den deutschen Gendarm kennen wir wenn überhaupt nur noch aus dem Kinderspiel - und das kaum aus unserer eigenen Kindheit, sondern aus Erzählungen, Filmen oder so. Genauso wird sich auch das Gros der Anglizismen wieder verabschieden, da brauchts keine Sprachschützer für.
Und vor allem braucht es keine Verschwörung dafür, daß eine Sprache in einem Machtgefüge zur Verkehrssprache wird, sowas hatten schon die Perser in ihrem Weltreich mit dem Aramäischen, die Nachfolgereiche der Eroberungen Alexanders mit dem Koinê-Griechisch, die Römer und stärker noch später das mittelalterliche Abendland mit dem Vulgärlatein...