@AlteTante Der Staat hat mit dem Gesetzt nicht geregelt, wie sich der Pilot oder sein Vorgesetzter zu entscheiden hat.
Es wurde lediglich geregelt, dass es keinen
Schießbefehl geben darf, dass also der Staat nicht anwiesen darf, Menschen zu töten, um andere zu retten.
Genauso darf der Staat im Operationssaal nicht entscheiden, welcher von zwei siamesischen Zwillingen eine Überlebenschance bekommt, oder dass unheilbar Kranke getötet werden müssten, um Ressourcen zu sparen oder um anderen eine Organverpflanzung zu ermöglichen.
Der Staat muss die Entscheidung dem Piloten und seinem Vorgesetzten überlassen, und die müssen sich letztendlich für ihre Entscheidung persönlich verantworten, denn sie können sie nur persönlich treffen.
In einem Fall wie dem beschriebenen würden z.B. wahrscheinlich mildernde Umstände gelten ... wenn der Pilot und sein Vorgesetzter nicht so dusselig argumentieren wie in dem Film.
Tatsächlich wäre ja die erste Frage:
- Wie sicher ist es denn, dass das Flugzeug in das Fußballstadion gelenkt wird? Oder kann ein anderes Ziel gemeint sein? (Im Film war das überhaupt nicht sicher.)
- Die zweite Frage: Kann das Ziel evakuiert werden? (Ja, man hätte im Film eine Stunde Zeit gehabt.)
- Hat der Vorgesetzte sich darüber Gedanken gemacht, ob und wie zivile Opfer zu vermeiden wären? (Siehe der Fall in Kunduz, der vor einem Untersuchungsausschuss landete)
- Wenn der Pilot eigenmächtig entschied: Hat er sich Gedanken über alternative Lösungen gemacht? (In diesem Fall: Nein.)
Jeder Soldat lernt mit als erstes, dass zivile Opfer unbedingt zu vermeiden sind. Zivilisten sind
keine legitimen Ziele. Es müssen also schwerwiegende Gründe vorliegen und gute Argumente, dass ein Pilot ein Zivilflugzeug abschießt.
(In einem der Artikel, die darüber geschrieben wurden, hieß es übrigens: 164 Fluggäste ... und was ist mit den Piloten und der Crew? Die werden im Fim total ausgeblendet.)
Die Argumente des Piloten waren aber sehr dünn.
- Flugpassagiere würden bewusst ein Risiko eingehen ... das ist natürlich Quatsch, denn Fluggäste lassen allerhand Sicherheitschecks und Maßnahmen über sich ergehen, damit sowas nicht passiert. Sie müssen einer Fluggesellschaft vertrauen können und sie müssen dem Staat vertrauen können, dass sie unter gar keinen Umständen geopfert werden. (Außer in Ausnahmen, aber dazu kommen wir später.)
- Das Aufwiegen von einem Leben gegen sehr viele.
Damit hatte der Pilot nicht unrecht, aber er hatte keine passenden Beispiele und ließ sich von dem Beispiel eines nur lapidar kranken Menschen, den man dann im Krankenhaus für viele opfern müsste, die auf Wartelisten für Organspenden stehen, aufs Glatteis führen. Dabei hinkt das Beispiel schon an allen Ecken.
Die Antwort wäre gewesen: Die Patienten werden ja schon gegen einander abgewogen, indem ihnen ein Platz auf der Warteliste zugewiesen wird. Z.B. landen junge Patienten und solche mit Familie weiter oben. Ist das gerecht?
Nein.
Ein anderes Beispiel dafür, dass Leben gegen Leben oder Risiko abgewogen ist, war die Reaktion des Staates auf die Entführung von Hanns-Martin Schleyer ist das beste Beispiel: Nachdem zuvor freigepresste Terroristen wieder straffällig wurden, entschied man sich, auf die Forderungen nicht einzugehen und nahm den Tod der Geisel in Kauf.
Da wurde ganz nüchtern ein bekanntes Risiko gegen ein potentielles abgewogen und ein Mensch geopfert.
Dafür wurde Schmidt nicht wegen Mordes verurteilt - nichtmal angezeigt.
Es fehlte dazu sowieso das Mordmerkmal der Heimtücke, das sich auch im Filmdrehbuch nicht fände, daher ist die Anklage auf Mord schonmal Unfug.
Der Film verkürzt und verknappt und gibt dem Zuschauer dann das Gefühl, er könne entscheiden. Dabei würde so eine Verhandlung ganz sicher länger als etwas über eine Stunde dauern, ganz sicher würden andere Fragen erörtert und ganz sicher würde die eigene Motivation des Piloten zuletzt ausschlaggebend sein, und nicht wie im Film die ganz anders begründete des Rechtsanwaltes.
Mich würde ja interessieren, warum das Publikum in Japan anders abstimmt und den Piloten verurteilt. Dabei möchte man meinen, dass gerade in Japan das Individuum viel weniger zählt und das Wohl der Gemeinschaft viel mehr.