Wenn Gott sichtbar und existent ist, würdest du ihm Folgen ?
27.07.2013 um 00:15
Auch in diesem Parallel-Thread noch ein paar Worte:
Die Problematik ist die gleiche.
Wir haben einen Erkenntnis und Perzeptions-Apparat, der uns in seinen (uns SO gegebenen) Grenzen hält.
Wir können uns normalerweise nicht einmal vorstellen, wie es für eine Fledermaus ist, Geräusche (Sonar-Reflexionen) zu sehen und nicht zu hören. Wir können das aber lernen.
Wir können sogar Sinne hinzu-gewinnen, die wir natürlicherweise gar nicht haben - etwa einen Orientierungs-Sinn, der technisch über das Erdmagnetfeld gesteuert wird und uns fühlbare Vibrationen rund um einen Bauchgürtel herum auf die Haut vermittelt. Am Ende einer Trainings-Phase ist es nicht mehr das Vibrieren auf der Haut, das wir wahrnehmen. Es ist in der Tat ein neuer Sinn entstanden, der dem Träger des Apparates intuitiv eine Orientierung vermittelt. Die Eigenart des entstandenen Sinnes ließe sich allerdings nur über eine neue Wortschöpfung zwischen denjenigen austauschen, die nach einer Lernphase gemeinsam über diesen Sinn verfügen. Diese Wortschöpfung wäre für alle anderen leer und nichts-sagend. Denn sie bezeichnet etwas, das sich für normale Menschen (noch) außerhalb ihrer Wahrnehmung und damit außerhalb ihres Verständnisses befindet.
Ähnlich liegt es bei synästhetischen Wahrnehmungen, die all denjenigen fremd und unfassbar anmuten, die sie nicht nachvollziehen können (was normal ist). Wir können uns nicht vorstellen, dass man eine Farbe schmecken kann und dass Töne Formen und Farben haben können. Für Synästhetiker ist das jedoch "vollkommen normal".
Sehr wahrscheinlich waren wir in der frühen Kindheit alle einmal Synästhetiker und es wird vermutlich so sein, dass sich unterschiedliche Sinnes-Qualitäten im Verlaufe unserer frühen Entwicklung auseinander-dividieren. Extrapolieren wir das ins Extrem, so könnte nicht auszuschließen sein, dass unsere frühesten Wahrnehmungen als ein gleichzeitiges Miteinander sämtlicher unserer Gefühle existierten. Von unserer späteren Warte aus betrachtet (wenn es so gewesen wäre) absolut nicht mehr nachvollzieh- und erfassbar.
Worauf will ich hinaus?
Wir erfassen eben nur das, was wir erfassen können.
Und dass es so extrem schwierig ist, sich auch nur vorzustellen, dass es noch mehr zu erfassen geben könnte als eben das, was man erfassen kann:
Dies hat zu dem berühmten "Philosophers fault" geführt (der immer noch grassiert): Der Annahme nämlich, aus der Unmöglichkeit, sich bestimmte Vorstellungen zu machen, ableiten zu dürfen, dass es DAS, was man sich nicht vorstellen kann, auch nicht gibt.
Das ist grundsätzlich falsch wie wir heute wissen.
Aber es flammen diesbezüglich immer wieder Diskussionen auf - die an sich unsinnig sind, wenn man die Zusammenhänge begriffen hat:
Aus dem Umstand, dass ich hinter meinem Kopf nichts sehe, kann ich nicht ableiten, dass dort nichts ist.
Allerdings: Innerhalb meines eigenen Referenz-(Bezugs-)Systems gelingt es mir aber auch nicht, einen Beweis zu konstuieren, welcher zweifelsfrei machen könnte, dass die Welt noch da ist, wenn ich sie nicht wahrnehme. Einige Quantentheoretiker übertragen ihre Erkenntnisse daher konsequent auch auf die makroskopische Welt und postulieren, die Welt sei IMMER nur existent, solange sie wahrgenommen werden würde.
Dem Laien leuchtet jedenfalls so viel ein: Es wäre sinnlos bzw. absurd, über eine Welt zu "reden", wenn niemand mehr da wäre, der diese Welt wahrnehmen könnte.
Ähnlich verhält es sich demnach mit der "Welt oder dem Sein", die/das außerhalb unserer Wahrnehmung liegt.
Wenn demnach Gott sichtbar wäre: WAS wäre dann für uns sichtbar?
Wir sehen immer nur Lichtstrahlen, die unser Auge erreichen - wir sehen demnach stets Äußeres, das in der Lage ist, Licht zu reflektieren. Aber wir glauben keinem alten Mann mit langem, weißen Bart, wenn dieser uns auf der Landstraße begegnet und uns eröffnet, er sei Gott. Jeder von uns würde nachhaken bzw. nachfragen. Der alte Mann spräche mit uns und wir würden nun Schallwellen empfangen: Wieder die nächste Äußerlichkeit.
Gut - jeder kennt den Ausgang der Geschichte: Wir würden versuchen, dem alten Mann einen "Beweis" abzuringen: Er "müsste uns beweisen", dass er "wirklich" Gott ist:
Er müsste uns auf irgend eine Art seine Macht demonstrieren.
Und? Wird klar, wie absurd das wäre!?
Ein uns auf jeden Fall himmelhoch überragendes Wesen ließe sich herab, sich von einem "Menschlein" den Beweis dafür abnötigen zu lassen, dass er ist was er ist - obwohl doch jeder Millimeter vor den Augen und alle unermesslichen Weiten des Universum die allgegenwärtigen und stets vorhandenen Zeichen seiner Macht wären.
Zu welchem Sinn oder Zweck?
Die sichtbare Existenz eines Gottes würde nur dann Sinn machen, wenn es dem Sehenden auch möglich wäre Gott als Gott zu erkennen. Wir können unseren Erkenntnis-Horizont aber nicht übersteigen. Wir können demnach Gott in seinem Gott-Sein eben NICHT erkennen. Oder ist jemand in der Tat so naiv und glaubt, wir könnten Gott in seinem Gott-Sein erkennen, wenn er etwa vor unseren Augen das Meer teilen und uns hindurch-fahren lassen würde? Das wäre Pippi-Langstrumpf-Niveau...
Wenn wir also Gott "folgen" würden, so würden wir nicht wirklich Gott folgen, sondern dem, was wir verstehen und was für UNS Sinn macht - was Sinn machen würde im Rahmen unserer eigenen Erkenntnisfähigkeit. UNS müssen Zusammenhänge plausibel erscheinen.
Uns können aber keine Zusammenhänge plausibel oder sinnvoll erscheinen, die wir gar nicht erfassen können.
Es macht also keinen Sinn, wenn sich Gott (so es ihn denn gäbe) einem Wesen zeigen würde, dem er die eigenen Ziele gar nicht plausibel machen könnte. Göttliche Ziele fügen sich in einer göttlichen Dimension zu einer Sinnhaftigkeit. Von dieser göttlichen Sinnhaftigkeit wären wir aber nur eine "Teilmenge" (als einzelner Mensch und/oder als Menschheit).
Wir werden bis ans Ende unserer Tage nicht einmal annähernd DIESE "Teilmenge" erfassen - geschweige denn, dass wir je in der Lage sein könnten, den göttlichen Plan zu erfassen - oder (für alle, die das Wort Gott vermeiden möchten) das all-umfassende Wirken und Weben des Seins.
Das vorauslaufende ellenlange Gerede bündelt sich in dem alten und sehr weisen (etwas abgewandelten) Bibelspruch:
"Gottes Wege sind (für uns Menschen) unergründlich"...
Und? Wurde klar, dass es irgendwie Unfug wäre, wenn Gott Menschen dazu bewegen würde, ihm zu folgen - wohl wissend, dass diese ihm nur wie Blinde hinterher-tappen könnten, ohne je erfassen zu können, wohin die Reise eigentlich geht?
Es ist alles bestimmt genau SO eingerichtet, wie es sein soll - bzw. wie es gar nicht anders sein kann. Wir begegnen Gott, dem Schicksal oder unseren Prüfungen in einer Weise, die wir als diejenigen, die wir sind, erfassen können.
Und ganz egal wohin die Reise auch geht: Es geht bestimmt auch nicht darum, dass wir Dinge tun, nur um zu gefallen. Es geht letztlich bestimmt um unsere Überzeugungen. SIE alleine führen uns auf unseren Pfaden. Indem wir IHNEN folgen, zeigen wir uns als die, die wir sind.
Etwas anderes können wir doch gar nicht tun!?