Taln,Reich:
Das habe ich nie gesagt.
Du hast was von einer Grenze bzw. einer Front geschrieben zwischen unserer Zivilisation und einer hypothetischen außerirdischen. Dis schlechteste Variante dabei sei, dass die Außerirdischen in böser Absicht zu uns kommen, die zweitschlechteste, in guter Absicht. Etwas besser schon wäre, wenn sich der "Clash" der beiden Zivilisation etwa gleichweit von den Heimatsystemen der beiden Zivilisationen entfernt zuträge. Am besten sei es, wenn wir zu ihnen kämen, bevor sie zu uns kommen, egal in welcher Absicht. So habe ich das von dir jedenfalls noch in Erinnerung. Je weiter entfernt von uns diese "Begegnung" also stattfände, umso besser (für uns). Weil damit dann unser eigener Lebensraum weniger bedroht wäre. Das ist, Entschuldigung, anthropozentrisches Denken par excellence, noch dazu auf einem militärstrategischen Weltbild des frühen 20. Jahrhunderts beruhend.
Taln,Reich:
Ich halte wenig von der Annahme einer moralisch-ethischen Weiterentwicklung, insbesondere einer weiterentwicklung hin zu einer Ethik, die wir Menschen als höher Stehend ansehen würde. Meiner Meinung nach ist die Frage des Überlebens der Monoplanetaren Phase eher eine Frage des Glücks (die richtigen Individuen zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Positionen) als eine der moralischen Unterschiede zwischen den Spezies. Ich hatte dazu auch mal eine Erklärung geschrieben, warum ich der Überzeugung bin, dass zivilisatorische Spezies im Vergleich zueinander nicht radikal viel egoistischer oder radikal viel altruistischer sein können.
Ja, ich weiß jetzt nicht genau, auf welches Posting von dir du dich da beziehst. Es bedarf allerdings eines immer höheren Reflexivitätsgrades der Gesellschaften, um mit immer potenterer (Militär-) Technologie nicht (selbst´)zerstörerisch umzugehen. Gibst du zwei Neandertaler-Stämmen ein paar Atombomben in die Hände und erklärst ihnen kurz, wie sie gezündet werden, kannst du sicher sein, dass sie damit rumspielen werden. Wir haben es bisher immerhin verhindert, dass es einen Atomkrieg gegeben hat, nicht, weil wir uns seither ethisch so weit entwickelt hätten, dass wir darauf in jedem Fall verzichten würden, sondern weil eine der Supermächte frühzeitig kollabiert ist, und weil beide Seiten wussten, dass der Sieger nur als Zweiter stirbt. Also rein aus Selbsterhaltungstrieb.
Nach meiner Meinung kann eine Zivilisation wie die heutige es nur zu einer Hochzivilisation bringen, wenn dieser Teufelskreis des permanent lauernden Overkills – denn die Waffen sind ja nicht abgeschafft worden und das Wissen, wie sie herzustellen und zu bedienen sind, lässt sich nicht wieder rückgängig machen, man kann das Ganze nicht wieder in die Pandorabüchse zurückstecken und sie dann irgendwo für alle Zeit verschwinden lassen – durchbrochen sein wird. Wie das zu arrangieren wäre, weiß ich nicht. Und es sind seither ja auch noch ne Menge anderer existenzbedrohender Faktoren hinzugekommen: immer noch unkontrolliertes Bevölkerungswachstum – vor einem Jahrzehnt dachte man vorübergehend, dass sich die Weltbevölkerung bei 12 Milliarden in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einpendeln und stabilisieren würde; inzwischen ist man, da die Modellrechnungen besser geworden sind, davon wieder abgerückt –, hausgemachte Klimaveränderung mit noch nicht umfassend einschätzbaren Folgen, islamistischer Expansionsdrang (IS usw.), drohender Kollaps des Kapitalismus und zumindest vorübergehend der sozialen Sicherungssysteme, Migrationsproblematik – wir fühlen uns ja schon bei ein paar Millionen Flüchtlingen überfordert; was, wenn irgendwann, wenn die Lebensverhältnisse dort unerträglich werden, ein halber Kontinent Afrika zu uns kommt, und zwar ungefragt und unstoppbar?, etc. pp. Das alles sind Probleme, für die wir auf absehbare Zukunft noch keine Mittel haben, um "Katastrophen", die sich daraus ergeben können, zu verhndern. Wir können es nur zu einer Hochzivilisation bringen, wenn wir diese globalen Probleme lösen können, noch ehe ihre Wirkungen unsere Lebensbasis fundamental angreifen.
Und das setzt meiner Meinung nach eine höhere Ethik voraus, nämlich die Erkenntnis, dass wir "alle in einem Boot sitzen", nämlich der Nussschale Erde, und dass wir also gemeisam kentern oder versuchen, ohne zu kentern das andere Ufer zu erreichen. Das geht nur, plump gesagt, indem wir anfangen miteinander und nicht mehr gegeneinander zu arbeiten, denn es sind globale Probleme, die nur durch gloabale Aktionen gelöst werden können. Und wenn wir das schaffen, können wir es wirklich zu einer Hochzivilisation bringen. Aber die Antwort wird’s definitiv noch nicht in diesem Jahrhundert geben.
Taln,Reich:
Indem sie lange genugüberlebt haben, um technologisch weit genug zu kommen, dass sie die monoplanetare Phase (also die Phase, wo das Überleben ihrer gesamten Zivilisation von dem Schicksal eines Planeten abhängt) überlebt haben. Dies setzt nicht zwangsläufig ein absolut konfliktfreies Utopia voraus.
Und ein konfliktfreies Utopia kriegt man eben nicht geschenkt, sondern man muss es sich erarbeiten. Damit meine ich, dass man die selbst gemachten globalen Gefahren überwunden hat. Wie die bei uns aussehen, habe ich eben skizziert. Wie die bei einer anderen Zivilisation aussehen könnten, weiß ich nicht, weil wir sie nicht kennen, falls es sie gibt. Aber wenn sie es geschafft haben, ihre selbst gemachten globalen Gefahren zu überwinden, hat dieser Prozess sie zu einer Hochzivilisation geführt. Man darf dann davon ausgehen, dass sie beim Kontakt mit einer hypothetischen aus ihrer Sicht außerirdischen Zivilisation – beispielsweise mit uns – nicht in militärstrategische Überlegungen zurückfallen, die mal am Anfang ihrer Zivilisation gestanden haben mochten, als es noch hieß: Auge um Auge… Man begegnet sich als Hochzivilisation anders, eben klüger und weniger emotionsgeladen. Obwohl man dennoch immer mit dem Schlimmsten rechnen muss, aber die Waffenarsenale werden nur quasi zur Selbstverteidigung scharf gehalten und man spricht nicht drüber.
Taln,Reich:
Ich sehe keineswegs Aliens als (gegenwärtig) die größte Bedrohung. Das ist Unsinn. Ich sehe nur, dass, wenn die Dichte an expansiven Zivilisationen in der Galaxie zu hoch ist, die Gefahr besteht, dass diese Zivilisationen in einen Konflikt geraten. Zudem: wenn wir uns interstellar verbreiten,dann müssen wir damit rechnen, dass die Aliens genauso übel sein können wie wir, wenn wir uns nicht interstellar verbreiten, kann uns die Dichte an expansiven Zivilisationen egal sein.
Oh, jetzt gibt es bei dir schon eine unbekannte Menge expansiver Zivilisationen allein schon in unserer Galaxie? Da kommt jetzt Science Fiction durch die Hintertür wieder rein. Und nochmal meine Frage: Warum sollten sie expansiv sein? Zumal, wie du schon weiter unten schreibst, es rein technisch nicht möglich ist, größere Bevölkerungsanteile auf andere Planeten umzusiedeln. Wenn WIR es zu einer Hochzivilisation gebracht haben sollten (also vielleicht in 200, 300, 500 Jahren), dann haben wir alle bestandsbedrohenden Entwicklungen gelöst, nicht zuletzt das demografische Problem des unkontrollierten Wachstums. Wir sind dann keine expansive Zivilisation mehr, brauchen theoretisch also überhaupt keine zweite oder dritte Erde mehr, sondern können frei darüber entscheiden, ob wir expandieren wollen oder nicht, und werden uns wohl dagegen entscheiden. Was nicht heißt, dass wir nicht zu anderen Sternsystemen fliegen, wenn wir die Technologie dafür entwickelt haben, aber wahrscheinlich wohl eher mit intelligenten Robotern denn als "fleischlich".
Taln,Reich:
Es ist ein evolutionär einprogrammierter Ansatz, die Bedürfnisse der eigenen Gruppe wichtiger zu nehmen, als die Bedürfnisse der anderen.
Nicht ein, das ist der Rest der Neandertaler-Gene in uns, aber kein evolutionär einprogrammierter Ansatz. Zumal wir nicht mehr im Dschungel leben, sondern uns längst eine Zivilisation gebaut haben, die nur bestehen und sich im menschlichen Sinne fortentwickeln kann, wenn wir uns als zivilisierte Menschen begegnen und nicht als Neandertaler.
Taln,Reich:
Und wenn die Gruppen zueinander Aliens sind, bedeutet dies auch einen derartigen kulturellen und biologischen Unterschied, dass eine Mischung kaum möglich sein wird. Es würde also weniger auf echten multikulturalismus als eher auf subkulturen hinauslaufen - was langfristig wiederum zu nicht symbiotischen Konflikt führt.
Auch das ist eine zivilisatorische und keine hochzivilisatorische Denkweise. Zu einer hochzivilisatorischen Denkweise gehört u.a. die Fähigkeit zur Reziprozität der Perspektiven, also der Fähigkeit, sich in die Denkweise, in die Absichten und in die Ziele und Interessen der außerirdischen Zivilisation hinein zu versetzen und nach einem modus vivendi zu suchen. Davon können beide Seiten extrem profitieren: Wir haben sehr vieles, was die anderen nicht haben, und umgekehrt. Ich bin daher nach wie vor davon überzeugt, dass es zu einer extrem kulturellen Bereicherung für beide Seiten kommen könnte – aber eben nur dann, wenn man sich eben als Hochzivilisation begegnet und nicht als Neandertaler mit dem Fauskeil hinterm Rücken, jederzeit bereit zuzuschlagen.
Taln,Reich:
Für eine Zivilisation, die sich auf dem Sprung zu einer galaktischen Supermacht befindet (oder glaubt sich auf diesem Sprung zu befinden) wäre eine Einschränkung auf ein Minimum das auch nur dem Maximum der gegenwärtigen menschlichen Zivilisation entspricht immer noch eine inakzeptabel massive Einschränkung.
Das ist – mit Verlaub – kolonialistisches, imperialistisches, neodarwinistisches Geschwafel. Allein schon die Vorstellung "auf dem Sprung zu einer galaktischen Supermacht" ist ebenso absurd wie überheblich. Hochzivilisationen tragen nicht "Mein Kampf" als Handlungsanweisung zum Umgang mit anderen Zivilisationen in der Rocktasche. Weil sie dann keine Hochzivilisation wären und es daher auch nicht auch nur annäherungsweise zum Sprung zu einer galaktischen Supermacht" gebracht hätten. Das ist anthropozentrisches Denken in Reinstkultur! "Wir wollen uns jetzt mal kurz den Rest der Milchstraße untern Nagel reißen." rofl
Realo schrieb:
denn was die (Verteidigungs-) Waffenarsenale angeht, dürften wohl beide Seiten über Overkillpotenziale verfügen. Beide Seiten wissen also, dass ein Konflikt für beide tödlich ist –
Taln,Reich:
dies setzt vorraus, das Zivilisationen, die sich über mehrere Planetensysteme verbreitet haben, über die Möglichkeit verfügt, eine andere derartige Zivilisation zu vernichten. Von dieser Annahme bin ich nicht überzeugt. Ich bin der Ansicht das totale Vernichtungspotenzial ist eher eine Sache der späten (verhältnismäßig späten) monoplanetaren Phase. Danach ist die Zivilisation zu ausgebreitet, als das ein Schlag sie zuverläßig auslöschen könnte.
Aha. Also kann die Alien-Zivilisation, sofern sie die monoplanetare Phase überwunden hat, mal ruhig den Krieg der Sterne riskieren, weil sie in jedem Fall überleben wird, auch wenn ein paar Planeten samt ihrerer Bevölkerung dabei hopps gehen, sofern sich der Einsatz lohnt, um es schneller zu einer "galaktischen Supermacht" zu bringen. Ebenfalls die Denkweise des frühen 20. Jahrhunderts, nun auf galaktischen Maßstab aufgebläht. Und anthropozentrisch im extremsten Sinne.
Taln,Reich:
welche Spezies würde sich den nicht verbreiten, wenn sie in optimale Bedingungen (keine reduzierenden Spezies die den Bestand niedrighalten, ausreichende Nahrung) versetzt wird?
Weil unkontrolliertes Wachstum (der Bevölkerung) zum Kollaps führt, noch ehe sie überhaupt die Phase der Raumfahrtfähigkeit erreicht hat. Nur eine Zivilisation, die das demografische Potenzial unter Kontrolle hat und keine zweiten Planeten
braucht, kann die Fähigkeit zur Raumfahrt schaffen und dann, erst dann, sich entscheiden, ob sie, wiewohl es nicht nötig wäre, expandieren will oder nicht. Und sie kann dann eben nur in jene Regionen expandieren, wo nicht schon andere wohnen oder dieses Gebiet ebenfalls beanspruchen.
Realo schrieb:
Wahrscheinlich verzichten 9 von 10 Superzivilisationen von selbst freiwillig darauf, "ihre" Galaxie zu besiedeln, weil es ihnen auf ihrem Heimatplaneten gut gefällt und sie das demografische Gleichgewicht schon fanden, noch ehe sie überhaupt eine Hochzivilisation wurden.
Taln.Reich schrieb:und diese Annahme nimmst du woher? Du schmeißt mir entgegen, dass ich nicht wissen kann, wie die Zivilisation in 500 Jahren/ eine interstellarreisende Zivilisation tickt. Aber ebensowenig kannst du das wissen.
Aus der Rationalität des Denkens. Die Autos von morgen sind keine Ferraris hoch 3, die mit 400 kmh über die Autobahnen rasen werden, sondern selbstfahrende E-Mobile. Der Trend geht nicht zu immer größer, immer potenter, immer schneller, immer mächtiger – das wäre nur der Trend zum schnellsten Genosuizid – sondern zu Nachhaltigkeit und Gefahrlosigkeit für den Bestand in "alle" Zukunft. Es reicht doch, andere Planeten mit Sonden und intelligenten Robotern zu besuchen, um auf unbelebten Planeten vielleicht ein paar Rohstoffe auszubeuten, und ansonsten maximal zu ein paar Touristenreisen auf andere Planeten. Aber wozu dahin ausbreiten, wenn man als Bevölkerung zahlenmäßig nicht unkontrolliert wächst? Null Sinn, also Nonsense.
[Zumal die Annahme, dass die Expansion ins All der Ausgleichung des Bevölkerungswachstums dienen würde sowieso unsinnig ist. Gegenwärtig wächst die Menschheit so um etwa 83 Mio. Menschen pro Jahr. Es gibt keinen Plausiblen weg, wie auch nur ein relevanter Bruchteil dieses Wachstums auf andere Planeten gebracht werden kann, selbst unter Annahme wesentlich höher entwickelter Raumfahrttechnologie.
Ja, wenn das allein schon aus technischen Gründen nicht möglich ist, wozu dann überhaupt ausbreiten?
Taln.Reich schrieb:PS: mit was für einen Bagger hast du diese Beiträge eigentlich ausgegraben? Die müssen doch bestimmt einige Jahre alt sein...
Nö, gestern und heute geschrieben. Hab ja (im Gegensatz zu dir?) schon die Denkweise des frühen 20. Jahrhundert verlassen.
:D Frühe Ansätze zu hochzivilisatorischen Vorstellungen gab es allerdings schon bei Habermas (postmaterielles Denken, antihierarchische Kommunikation etc.).