Ausserirdische entstehen bei Ufotherapeuten
09.06.2009 um 01:35Hallo erstmal.
Entführungsgeschichten gleichen sich erstaunlich oft. Zudem haben sie sich parallel zu entsprechend publizierten Berichten darüber immens vermehrt.
Weshalb sind Entführungsopfer so unisono vom Inhalt ihrer eigenen Geschichte überzeugt, dass Einwendungen und Interpretationen nicht mehr registriert werden?
Entstammen die Ufos unseren Hirnen?
Gerne empfehle ich Euch die Lektüre des Berichtes des Soziologen Michael Schetsche, hier:
http://www.igpp.de/german/eks/integratives_modell_abduktion.pdf (Archiv-Version vom 26.09.2007)
Er präsentiert hierbei eine historische Abfolge von Entführungsgeschichten und Thesen zu deren Entstehung.
Vielleicht lesen sich diejenigen unter Euch, die am Thema speziell interessiert sind, erstmal ein (der obige Text im Link ist relativ lang, aber trotzdem gut zu lesen), bevor wir die Diskussion starten.
Gewiss lohnt es sich, die Aussagen von Schetsche erstmal ein paar Stunden wirken zu lassen... Erwarte die Nacht erstmal noch kein Feuerwerk.
Damit die Eröffnung dennoch etwas "lesbarer" wird;
ein Auszug aus dem Text:
(...) Wir haben es bei den ‚Entführungen durch Außerirdische‘ mit einem Phänomen zu tun, das dank der ausführlichen Berichterstattung in den unterschiedlichsten Medien in der westlichen Welt zwar öffentlicht gut bekannt ist, dessen Realitätsstatus jedoch zwischen wissenschaftlichen Experten, Laienforschern und Betroffenen heftig umstritten ist. Es handelt sich bei den ‚Entführungen durch Außerirdische‘ – so meine These – um ein Phantom- Phänomen, das gleichermaßen zwei Segmenten der Realität angehört: Als Erzählung über die Konfrontation des Menschen mit nonhumanen, außerirdischen Akteuren entstammt es der Welt des Fiktional-Phantastischen. Als subjektiv sichere Erinnerungen an solche Konfrontationen gehört es zur kollektiv geteilten Realität von Betroffenen, ihrer Unterstützer und des Publikums, das geneigt ist, an die Wirklichkeit jener Berichte zu glauben. Die
soziale Realität der Entführungen wird dabei in einem positiven Rückkoppelungskreislauf zwischen öffentlicher Thematisierung und individueller Opferkarriere konstituiert. In ihm spielen veröffentlichte Betroffenenberichte und – sie gleichermaßen hervorrufende wie von ihnen angeleitete – psychotherapeutische Praxisformen die entscheidende Rolle.
Der Verlauf der individuellen Opferkarriere folgt im Wesentlichen dem Schema wie es von Plaß und Schetsche (2000) theoretisch für die ‚mediale Opferwerdung‘ bei modernen sozialen Problemen beschrieben worden ist. Der Prozess der Entdeckung des Opferstatus würde danach idealtypisch so verlaufen:
Einige der vielen Millionen Menschen, die an dem einen oder anderen der genannten
unspezifischen Symptome (Dunkelangst, Schlafstörungen, Nasenbluten usw.) leiden oder gelegentlich bizarre Traumsequenzen erleben, werden über die Berichterstattung in den Medien auf das Entführungsthema aufmerksam. Sie besuchen eine Informationsveranstaltung oder besorgen sich ein Sachbuch zum Thema; vielleicht eines, in dem Menschen ‚wie Du und ich‘ über ihre Entdeckung berichten, von Aliens entführt worden zu sein.
Die Beschäftigung mit dem Thema lässt in ihnen den Verdacht aufkommen, vielleicht selbst zur Gruppe der Betroffenen zu gehören. Möglicherweise stellen sich jetzt schon erste Phantasien oder Albträume ein, in denen die aufgenommenen Wissensbestände kognitiv, symbolisch und emotional be- und verarbeitet werden. Zur Bestätigung des Verdachts beschaffen diese Menschen sich immer mehr Literatur zum Thema, nehmen vielleicht Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe oder einer anderen Organisation auf.
Um Gewissheit zu erlangen, suchen sie schließlich – denn genau dies ist es, was in der
Literatur und in Informationsveranstaltungen empfohlen wird – einen mit dem Phänomen vertrauten Psychotherapeuten auf und lassen eine oder mehrere Regressionshypnosen durchführen. Unter Hypnose wird der Verdacht schließlich zur Gewissheit: Im interaktiven Prozess mit einem geneigten Therapeuten stellen sich mehr und mehr Bilder ein, die sich zu einem Entführungsszenario zusammensetzten lassen. Aus unscharfen Erinnerungsfetzen werden detailreiche Bilder und Szenen, aus unspezifischen Symptomen spezifische Anzeichen mit dem Status von Beweisen. Stück für Stück entsteht ein subjektiv sicheres Wissen über bestimmte Ereignisse in der eigenen Vergangenheit, hier: über eine oder mehre Entführungen durch Außerirdische.
Die Szenen, an die die Betreffenden sich nun zu zunehmend erinnern, entstammen teilweise aus der rezipierten Literatur oder dem Wissen des Therapeuten, werden sicherlich aber durch Bilder aus verschiedensten Filmen und Fernsehdokumentationen ergänzt. Mit der Dauer des einmal initiierten (Re-)Konstruktionsprozesses nimmt der Realitätsgehalt der Erinnerungen und die Konsistenz der eigenen Narrationen immer mehr zu. Je intensiver die Betreffenden (und die Hypnotiseure) sich bereits mit solchen Thematisierungen beschäftigt haben, desto typischer werden die Bilder und Szenen ausfallen, die sich im therapeutischen Prozess nach und nach herstellen. Entsprechend der Empfehlung ihrer Therapeuten werden viele dieser
Menschen– falls nicht bereits geschehen – sich nach einer gewissen Zahl von Sitzungen einer Selbsthilfegruppe anschließen. In ihr werden sie das Mitgefühl und die Akzeptanz erfahren, die ihnen – bei einem gesellschaftlich so umstrittenen Problem wie der Entführung durch Außerirdische – ihre soziale Umwelt nicht entgegenbringt. Gleichzeitig werden hier intensiv Erlebnisberichte und Interpretationen ausgetauscht, wodurch die den gemeinsamen
‚Erfahrungen‘ der Opfer entsprechende Plausibilitätsstruktur der Welt dialogisch hergestellt bzw. verstärkt wird.
Am Ende dieses Prozesses steht für das Subjekt die unerschütterliche Gewissheit, in der Vergangenheit das Opfer von Aliens geworden zu sein. Eine zunächst mediale Wirklichkeit hat sich damit in eine subjektive Realität verwandelt, die jedoch aufgrund der sozialen Herkunft der Deutungslogik und des verwendeten symbolischen Materials eine in weiten Teilen intersubjektiv geteilte ist. Erinnerungen an die Entführung durch Außerirdische sind also nicht deshalb so strukturähnlich, weil sie auf übereinstimmenden Inhalten von Erinnerungen oder gar gleichen Realerfahrungen beruhten, sondern weil unspezifische Symptome, kurze Erinnerungsfetzen und bizarre Traumbilder mit Hilfe kollektiver Wissensbestände und Interpretationslogiken gedeutet und in individuelle Erinnerungen verwandelt werden.
Aus gesellschaftlicher Perspektive ist jede individuelle ‚Erkenntnis‘, Alienopfer zu sein,
Bestandteil eines zyklischen Prozesses zwischen Opferwerdung und öffentlicher
Thematisierung: Je mehr Menschen sich öffentlich zu ihrem Opferstatus bekennen, sich in Selbsthilfe- oder Aufklärungsgruppen organisieren, desto größer wird das Interesse der Medien am Phänomen. Und je intensiver die Medien über das Thema berichten, desto mehr Menschen werden mit dem Phänomen konfrontiert und können den Verdacht entwickeln, zur Gruppe der Betroffenen zu gehören. Die medialen Darstellungen liefern das erzählerische und bildliche Grundmaterial für die Erinnerungsproduktion, die veröffentlichten Erinnerungen wiederum die Basis für neue mediale Darstellungen von Alienopfern – sei es im Fernsehen, in Tageszeitungen oder in neuen ‚Entführungsbüchern‘.
Es entsteht ein positiver Rückkoppelungskreislauf, der, einmal in Gang gesetzt, immer neue Medienberichterstattung und neue Alienopfer hervorbringt. In mehren verschränkten Zyklen von Individuation und Kulturation entsteht eine immer dichtere kollektive Narration, die schließlich einen dominierenden Wissensbestand zum Ablauf von Entführungen, zum Aussehen von Außerirdischen, zu deren medizinischen Experimenten und zu den Symptomen von Entführungsopfern enthält. Für diesen Prozess ist es unerheblich, ob die Mehrheit der Bevölkerung die Transformation des Wirklichkeitsstatus mitmacht oder nicht.
Um das Interesse der Medien aufrechtzuerhalten reicht es aus, dass diese spezielle Opferwerdung von einer gewissen Zahl von Menschen erlebt und öffentlich gemacht wird. (...)
Danke für Eure Stellungnahmen!
Entführungsgeschichten gleichen sich erstaunlich oft. Zudem haben sie sich parallel zu entsprechend publizierten Berichten darüber immens vermehrt.
Weshalb sind Entführungsopfer so unisono vom Inhalt ihrer eigenen Geschichte überzeugt, dass Einwendungen und Interpretationen nicht mehr registriert werden?
Entstammen die Ufos unseren Hirnen?
Gerne empfehle ich Euch die Lektüre des Berichtes des Soziologen Michael Schetsche, hier:
http://www.igpp.de/german/eks/integratives_modell_abduktion.pdf (Archiv-Version vom 26.09.2007)
Er präsentiert hierbei eine historische Abfolge von Entführungsgeschichten und Thesen zu deren Entstehung.
Vielleicht lesen sich diejenigen unter Euch, die am Thema speziell interessiert sind, erstmal ein (der obige Text im Link ist relativ lang, aber trotzdem gut zu lesen), bevor wir die Diskussion starten.
Gewiss lohnt es sich, die Aussagen von Schetsche erstmal ein paar Stunden wirken zu lassen... Erwarte die Nacht erstmal noch kein Feuerwerk.
Damit die Eröffnung dennoch etwas "lesbarer" wird;
ein Auszug aus dem Text:
(...) Wir haben es bei den ‚Entführungen durch Außerirdische‘ mit einem Phänomen zu tun, das dank der ausführlichen Berichterstattung in den unterschiedlichsten Medien in der westlichen Welt zwar öffentlicht gut bekannt ist, dessen Realitätsstatus jedoch zwischen wissenschaftlichen Experten, Laienforschern und Betroffenen heftig umstritten ist. Es handelt sich bei den ‚Entführungen durch Außerirdische‘ – so meine These – um ein Phantom- Phänomen, das gleichermaßen zwei Segmenten der Realität angehört: Als Erzählung über die Konfrontation des Menschen mit nonhumanen, außerirdischen Akteuren entstammt es der Welt des Fiktional-Phantastischen. Als subjektiv sichere Erinnerungen an solche Konfrontationen gehört es zur kollektiv geteilten Realität von Betroffenen, ihrer Unterstützer und des Publikums, das geneigt ist, an die Wirklichkeit jener Berichte zu glauben. Die
soziale Realität der Entführungen wird dabei in einem positiven Rückkoppelungskreislauf zwischen öffentlicher Thematisierung und individueller Opferkarriere konstituiert. In ihm spielen veröffentlichte Betroffenenberichte und – sie gleichermaßen hervorrufende wie von ihnen angeleitete – psychotherapeutische Praxisformen die entscheidende Rolle.
Der Verlauf der individuellen Opferkarriere folgt im Wesentlichen dem Schema wie es von Plaß und Schetsche (2000) theoretisch für die ‚mediale Opferwerdung‘ bei modernen sozialen Problemen beschrieben worden ist. Der Prozess der Entdeckung des Opferstatus würde danach idealtypisch so verlaufen:
Einige der vielen Millionen Menschen, die an dem einen oder anderen der genannten
unspezifischen Symptome (Dunkelangst, Schlafstörungen, Nasenbluten usw.) leiden oder gelegentlich bizarre Traumsequenzen erleben, werden über die Berichterstattung in den Medien auf das Entführungsthema aufmerksam. Sie besuchen eine Informationsveranstaltung oder besorgen sich ein Sachbuch zum Thema; vielleicht eines, in dem Menschen ‚wie Du und ich‘ über ihre Entdeckung berichten, von Aliens entführt worden zu sein.
Die Beschäftigung mit dem Thema lässt in ihnen den Verdacht aufkommen, vielleicht selbst zur Gruppe der Betroffenen zu gehören. Möglicherweise stellen sich jetzt schon erste Phantasien oder Albträume ein, in denen die aufgenommenen Wissensbestände kognitiv, symbolisch und emotional be- und verarbeitet werden. Zur Bestätigung des Verdachts beschaffen diese Menschen sich immer mehr Literatur zum Thema, nehmen vielleicht Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe oder einer anderen Organisation auf.
Um Gewissheit zu erlangen, suchen sie schließlich – denn genau dies ist es, was in der
Literatur und in Informationsveranstaltungen empfohlen wird – einen mit dem Phänomen vertrauten Psychotherapeuten auf und lassen eine oder mehrere Regressionshypnosen durchführen. Unter Hypnose wird der Verdacht schließlich zur Gewissheit: Im interaktiven Prozess mit einem geneigten Therapeuten stellen sich mehr und mehr Bilder ein, die sich zu einem Entführungsszenario zusammensetzten lassen. Aus unscharfen Erinnerungsfetzen werden detailreiche Bilder und Szenen, aus unspezifischen Symptomen spezifische Anzeichen mit dem Status von Beweisen. Stück für Stück entsteht ein subjektiv sicheres Wissen über bestimmte Ereignisse in der eigenen Vergangenheit, hier: über eine oder mehre Entführungen durch Außerirdische.
Die Szenen, an die die Betreffenden sich nun zu zunehmend erinnern, entstammen teilweise aus der rezipierten Literatur oder dem Wissen des Therapeuten, werden sicherlich aber durch Bilder aus verschiedensten Filmen und Fernsehdokumentationen ergänzt. Mit der Dauer des einmal initiierten (Re-)Konstruktionsprozesses nimmt der Realitätsgehalt der Erinnerungen und die Konsistenz der eigenen Narrationen immer mehr zu. Je intensiver die Betreffenden (und die Hypnotiseure) sich bereits mit solchen Thematisierungen beschäftigt haben, desto typischer werden die Bilder und Szenen ausfallen, die sich im therapeutischen Prozess nach und nach herstellen. Entsprechend der Empfehlung ihrer Therapeuten werden viele dieser
Menschen– falls nicht bereits geschehen – sich nach einer gewissen Zahl von Sitzungen einer Selbsthilfegruppe anschließen. In ihr werden sie das Mitgefühl und die Akzeptanz erfahren, die ihnen – bei einem gesellschaftlich so umstrittenen Problem wie der Entführung durch Außerirdische – ihre soziale Umwelt nicht entgegenbringt. Gleichzeitig werden hier intensiv Erlebnisberichte und Interpretationen ausgetauscht, wodurch die den gemeinsamen
‚Erfahrungen‘ der Opfer entsprechende Plausibilitätsstruktur der Welt dialogisch hergestellt bzw. verstärkt wird.
Am Ende dieses Prozesses steht für das Subjekt die unerschütterliche Gewissheit, in der Vergangenheit das Opfer von Aliens geworden zu sein. Eine zunächst mediale Wirklichkeit hat sich damit in eine subjektive Realität verwandelt, die jedoch aufgrund der sozialen Herkunft der Deutungslogik und des verwendeten symbolischen Materials eine in weiten Teilen intersubjektiv geteilte ist. Erinnerungen an die Entführung durch Außerirdische sind also nicht deshalb so strukturähnlich, weil sie auf übereinstimmenden Inhalten von Erinnerungen oder gar gleichen Realerfahrungen beruhten, sondern weil unspezifische Symptome, kurze Erinnerungsfetzen und bizarre Traumbilder mit Hilfe kollektiver Wissensbestände und Interpretationslogiken gedeutet und in individuelle Erinnerungen verwandelt werden.
Aus gesellschaftlicher Perspektive ist jede individuelle ‚Erkenntnis‘, Alienopfer zu sein,
Bestandteil eines zyklischen Prozesses zwischen Opferwerdung und öffentlicher
Thematisierung: Je mehr Menschen sich öffentlich zu ihrem Opferstatus bekennen, sich in Selbsthilfe- oder Aufklärungsgruppen organisieren, desto größer wird das Interesse der Medien am Phänomen. Und je intensiver die Medien über das Thema berichten, desto mehr Menschen werden mit dem Phänomen konfrontiert und können den Verdacht entwickeln, zur Gruppe der Betroffenen zu gehören. Die medialen Darstellungen liefern das erzählerische und bildliche Grundmaterial für die Erinnerungsproduktion, die veröffentlichten Erinnerungen wiederum die Basis für neue mediale Darstellungen von Alienopfern – sei es im Fernsehen, in Tageszeitungen oder in neuen ‚Entführungsbüchern‘.
Es entsteht ein positiver Rückkoppelungskreislauf, der, einmal in Gang gesetzt, immer neue Medienberichterstattung und neue Alienopfer hervorbringt. In mehren verschränkten Zyklen von Individuation und Kulturation entsteht eine immer dichtere kollektive Narration, die schließlich einen dominierenden Wissensbestand zum Ablauf von Entführungen, zum Aussehen von Außerirdischen, zu deren medizinischen Experimenten und zu den Symptomen von Entführungsopfern enthält. Für diesen Prozess ist es unerheblich, ob die Mehrheit der Bevölkerung die Transformation des Wirklichkeitsstatus mitmacht oder nicht.
Um das Interesse der Medien aufrechtzuerhalten reicht es aus, dass diese spezielle Opferwerdung von einer gewissen Zahl von Menschen erlebt und öffentlich gemacht wird. (...)
Danke für Eure Stellungnahmen!